Dresden/Semperoper: „3. AUFFÜHRUNGSABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN – 9.5.2023
In den Aufführungsabenden der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die im Rahmen der orchestereigenen Kammermusik stattfinden und auf den 1854 von Kapellmitgliedern gegründeten Tonkünstlerverein zurückgehen, kommen oft auch spezielle, ungewöhnliche oder unbekannte Werke zur Aufführung. Die Musiker treten freiwillig neben ihrem Dienst und nur symbolisch entlohnt (durch ein sogenanntes „Frackgeld“) auf.
Der 3. Kammerabend dieser Saison wurde von Riccardo Minasi, dem Chefdirigenten des Mozarteum Orchesters Salzburg und Gast bei großen Orchestern und Festspielen, wie dem Glyndebourne Festival und den Salzburger Festspielen, geleitet. Er begann mit der „Ouvertüre“ zu der (nicht durchkomponierten) romantischen Zauberoper „Undine“ von E. T. A. Hoffmann (1776-1822), die 1816 im Berliner Schauspielhaus mit einem Bühnenbild von K. F. Schinkel uraufgeführt wurde. Trotz seiner literarischen und musikalischen Doppelbegabung wurde Hoffmann vor allem als Schriftsteller bekannt. Seine Kompositionen gerieten nach seinem frühen Tod schnell in Vergessenheit und wurden erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt.
Umso erfreulicher, dass einmal mehr an ihn erinnert wurde und damit auch an ein weiteres Werk mit dem, aus dem Mittelalter stammenden, Mythos von der Meerjungfrau Undine (auch Rusalka, Melusine, Donauweibchen), die erst durch die Vermählung mit einem Menschen eine Seele bekommt, der stirbt, wenn er sie wieder verlässt, was schon viele Dichter, Schriftsteller und Komponisten (Lortzing, Dvořák, Brahms, Mendelssohn-Bartholdy, Johann Strauß u. a.) inspiriert und zu Opern und anderen Werken angeregt hat.
Hoffmanns Ouvertüre, die musikalisch auch an Ludwig van Beethoven und Carl Maria von Weber erinnert, begann gewichtig, fast ein wenig „pathetisch“. Minasi betonte vor allem die Gegensätze zwischen der, in C‑Dur gehaltenen Gefühlswelt der Undine und dem Reich des Wasserfürsten in c‑Moll und ließ die Ouvertüre leidenschaftlich ausklingen mit dem später von Hoffmann hinzugefügten, effektvollen Schluss, damit sie auch als separates Konzertstück aufgeführt werden konnte. Es wurde enthusiastisch und dynamisch musiziert, wobei die Bläsergruppe sauber und frisch die Akzente setzte.
Eine schöne Gepflogenheit bei den Kammer- und Aufführungsabenden ist das Auftreten einzelner Kapellmitglieder mit einem Solokonzert, bei dem sie einmal aus der Anonymität des Orchesters heraustreten und ihre solistischen Fähigkeiten präsentieren können. Jan Seifert, Solo-Es-Klarinettist der Staatskapelle spielte mit technischem Können und großer Musizierfreude das „Klarinettenkonzert Nr. 1 A‑Dur“ von Johann Melchior Molter (1696–1765), einem Geiger und Hofkapellmeister der Vorklassik (Frühklassik), der als Erster ein Klarinettenkonzert schrieb und damit für die Etablierung der Klarinette, die erst zu seinen Lebzeiten aus dem Chalumeau entwickelt wurde, als Solo-Instrument sorgte.
Mit frischem, klarem Ton und musikalischem Verständnis für den unterschiedlichen Charakter der drei Sätze „Moderato“, „Largo“ und „Allegro“ wurde Seifert den hohen Ansprüchen des Konzertes an den Solisten mühelos gerecht und brachte es vital und klangvoll, ganz im Sinne eines Konzertes aus dieser Zeit in sehr schöner Harmonie mit dem feinen, sensiblen Klang seiner Orchesterkollegen zu Gehör.
Dass nach jedem Satz von einigen Konzertbesuchern applaudiert wurde, könnte man als Begeisterung sehen, aber es störte doch, und trotz eindeutiger Gesten des Dirigenten, den Gesamteindruck eines Werkes nicht durch Applaus zu unterbrechen, waren einige Besucher diesbezüglich nicht zu bremsen. Vielleicht sollte man auf den Flächen für die Übertitel bei Opernaufführungen einblenden, wann Applaus sinnvoll und erwünscht ist und wann nicht.
Als Einstimmung auf die „Symphonie Nr. 36 C‑Dur (KV 425), die „Linzer“ von Wolfgang Amadeus Mozart wurde kurzfristig noch die „Ouvertüre“ zur „Zauberflöte“ ins Programm aufgenommen und sehr kontrastreich zwischen fast schwebenden und flüchtig wie ein Hauch wehenden Passagen und kraftvolleren gespielt.
Mozart komponierte seine Linzer Symphonie 1783 auf der Rückreise von Salzburg nach Wien unter zeitlichem Druck und wie oft bei ihm, löste das einen besonderen Produktivitätsschub aus, der zu überraschendem Ideenreichtum und genialen Wendungen führte, die in der sehr sorgfältigen und klangschönen Wiedergabe durch die Kapelle besonders gut zur Geltung kamen.
Die Musiker spielten unter dem Salzburger Mozart-Chef mit Enthusiasmus und Liebe zur Musik, perfekt und einfühlsam, mit schönen Fagotten, Hörnern, Trompeten und Streichern, vital und klangvoll, in schöner Klarheit, nicht vordergründig, aber intensiv ausgelotet und mit Augenmerk auf die Besonderheiten, jede Passage sehr liebevoll ausgefeilt, zügig und fließend, ohne zu eilen, mit feinem Pianissimo oder Temperament, ohne zu übertreiben und in jeder Sekunde die Aufmerksamkeit auf sich ziehend. So sollte Mozart klingen! Da trafen sich zwei gleichgesinnte Seiten, die Mozarts Sinfonie in besonderer Qualität entstehen ließen. Kein Wunder, dass da die Musiker „ihrem“ Maestro nicht nur mit dem Geigenbogen applaudierten.
Ingrid Gerk