Dresden/Semperoper: „23. PREISTRÄGERKONZERT“ MIT CAMILLA NYLUND, SEBASTIAN WARTIG U. A. –15.11.2015
Jedes Jahr vergibt die Stiftung zur Förderung der Semperoper, die auch besondere Neuinszenierungen an diesem Haus fördert, einen oder mehrere Preise an, zu großen Hoffnungen berechtigende, junge Künstler. Manche von ihnen haben inzwischen internationalen Ruhm erlangt. Man denke nur an Camilla Nylund, Anke Vondung, Evelyn Herlitzius, Georg Zeppenfeld usw., usf. Das Semperoper Balletthat seit dieser Auszeichnung den Anschluss an die Weltspitze erreicht und erhält öftersEinladungen zu internationalen Events.
In diesem Jahr heißt der Preisträger Sebastian Wartig, ein Sänger aus Dresden, der über seine erste musikalische Ausbildung im Dresdner Kreuzchor und Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig ins Junge Ensemble an die Semperoper kam und mit Beginn dieser Spielzeit ins feste Ensemble übernommen wurde. In zahlreichen Rollen konnte er bereits auf sich aufmerksam machen. Er verfügt über eine schöne wohlklingende, sehr sichere Bariton-Stimme, ausgezeichnete Technik und sehr gutes Gestaltungsvermögen.
25 Jahre jung, kann er schon auf mehrere Preise internationaler Wettbewerbe (u. a. 1. Platz des Bundeswettbewerbs Gesang Berlin) und beachtliche Erfolge als Opern- und Konzertsänger zurückblicken, u. a.2013 bei der, von Rolando Villazón moderierten Fernsehsendung „Stars von morgen“, dem Silvesterkonzert der Semperoper 2014 als Feri in der Operette „Die Csárdásfürstin“ an der Seite von Anna Netrebko und Juan Diego Flórez unter der Leitung von Christian Thielemann, dem „Requiem“ von W. A. Mozartunter Peter Schreier, J. S. Bachs„Weihnachtsoratorium“ und„Johannespassion“,G. F. Händels„Utrechter TeDeum“ und Charpentiers„Tedeum“.
An der Semperoper sang bzw. singt er u. a. Papageno („Die Zauberflöte“), Melot („Tristan und Isolde“), Harlekin („Ariadne auf Naxos“), Marullo („Rigoletto“),Moralès(„Carmen“), Schaunard („La bohème“), Kilian und Ottokar („Der Freischütz“)sowie „Moskau, Tscherjomuschki“ (Schostakowitsch).
Reden ist nicht seine Stärke, aber singen. Seine Dankesrede war recht „locker“, aber sympathisch.
Nachdem die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Rainer Mühlbachs sehr forscher, mitreißender Leitung das Preisträgerkonzert mit der „Polonaise“ aus „Eugen Onegin“ von P. I. Tschaikowsky in „echt russischem“ Temperamentsüberschwang eröffnet hatte, sang Wartig die berühmte Arie des Valentin aus „Avant de quitterceslieux“ aus „Faust/Margarethe“ von C. Gounod mit sehr sicherer Stimme und guter Artikulation und ein wenig später das verführerische Duett aus Mozarts „Don Giovanni“(kommende Pr.: 12.6.2016)„La ci darem la mano“ mit der reizenden Emily Dorn als Zerlina, die zuvor den „Walzer“der Musetta aus G. Puccinis“La Bohème“ mit viel Charme dargeboten hatte.
Erst recht wurden aber Wartigssängerische Tugenden in der Arie des Grafen Almaviva„Hai giavinta la causa“ aus „Le nozze di Figaro“deutlich. Hier kamen seineumfangreichen stimmlichen Möglichkeiten, seine sehr gute Gesangstechnik und seine große Ausdrucksskala voll zur Geltung. Er sang die Arie mit größter Exaktheit undlotete alle Details aus. Alles klang leicht und unbeschwert, als gäbe es gerade bei dieser Arie keine Schwierigkeiten.
Als Vertreterin der früheren Preisträger hatte es sich Camilla Nylund nicht nehmen lassen, in Hinblick auf die Premiere von „Eugen Onegin“ (30.6.2016) mit ihrer wunderbar sicheren, klangvollen Stimme und entsprechender Ausdrucksfähigkeit – sehr zur Freude des Publikums – die „Briefszene“ der Tatjana beizusteuern, dieses „Wechselbad“ der Gefühle, wie es die recht locker, mitunter auch etwas „diffus“, vielleicht auch ein wenig aufgeregt, aber unbekümmert und mit angenehmer Stimme frisch und mit Charmeselbstsicher durchs Programm führende Anna Melcher bezeichnete.
Weitere gute Beiträge kamen von zwei Sängerinnen des Jungen Ensembles :Menna Gazel, die mit „Meine Lippen, die küssen so heiß“ aus F. Lehárs„Giuditta“auftrat, und Jelena Kordic, dieals junge blonde Carmen die„Sequidilla“mit leichten Gesten unterstrich, und mit „There’dbe an orchestra, Bingo, Bango“ aus „The Great Gatsby“, das demnächst seine Premiere an der Semperoper haben wird(6.12.2015), punkten konnte. Aus der gleichen Oper von John Harbison(*1938) sang Aaron Pegram„Onefoot in, onefoot out“, den Song des Band Vocalisten,den er auch in der Semperopern-Produktion singen wird.
Im Hinblick auf eine andere Premiere, die von „Cavalleriarusticana/ Pagliacci“ (16.1.2016 – in Koproduktion mit den Osterfestspielen Salzburg)spielte die Sächsische Staatskapelle unter der Leitung von Rainer Mühlbach- ganz anders als bei der „rasanten“ Eröffnung des Konzertes – betörend das „Intermezzo sinfonica“daraus.
Von der Oper zum Tanz bedurfte es nur des live mitzuerlebenden Absenkens der Orchester-Bestuhlung in den Orchestergraben bei abgedunkeltem Raum. Danach war die Bühne frei für „Allegro Brilliante“ von George Balanchine, der das klassische Ballett für die Moderne öffnete. In den 13 Minuten dieses Pas de deuxist alles enthalten, was das klassische Ballett zu bieten hat. Die junge, 20jährigeStipendiatin Natsuki Yamada aus Japan und Alejandro Martinez vom Semperoper Ballett brachten ihn sehr anmutig aufs Parkett. Sie ist sehr talentiert, verfügt über sehr gute Technik, starke Ausstrahlung und viel Musikalität „in den Beinen“ und all ihren grazilen Bewegungen, auch wenn die Musik von Tschaikowsky vom Band kommt.
Sehr gegensätzlich dazu folgte noch die „Plattform Szene“ aus Mats Eks Choreografie„Sie war Schwarz“ mit „Musik“ von Henryk Góretzki, ebenfalls vom Band, eine „Handlung“ zu hämmernden Rhythmen, die ständig Fragen aufwirft, mehr sportlich als getanzt in den absurden „Szenen“, aber sehr gut, in minutiös getimter Folge, ausgeführt vom Semperoper Ballett.
Ingrid Gerk