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DRESDEN/ Semperoper: 2. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT MYUNG-WHUN CHUNG IN DOPPELFUNKTION

10.10.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Semperoper: 2. SYMPHONIEKONZERT DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT MYUNG-WHUN CHUNG IN DOPPELFUNKTION – 9.10.2021

 Myung-Whun Chung, der erste (und einzige) „Erste Gastdirigent“ der Sächsischen Staatskapelle Dresden, kam nicht nur als Dirigent, sondern auch als Pianist zum 2. Symphoniekonzert nach Dresden. Nachdem er schon einmal mit seinen pianistischen Fähigkeiten in einem Kammerabend der Kapelle mitgewirkt hat, beteiligte er sich nun auch als Solist im „Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur“ (op. 56), dem „Tripelkonzert“, von Ludwig van Beethoven, und dirigierte vom Konzertflügel aus – eine ungewöhnliche Konstellation.

Beethoven hatte seinerzeit als Solisten für Violine und Violoncello zwei sehr berühmte Virtuosen vorgesehen und die Solopartien entsprechend anspruchsvoll gestaltet. Der Klavierpart ist weniger anspruchsvoll und soll nach den Angaben von Beethovens Sekretär und Biograf Anton Schindler dessen Klavierschüler Erzherzog Rudolf von Österreich zugedacht gewesen sein, nach neueren Ansichten könnte ihn Beethoven auch selbst gespielt haben (er soll kein besonders guter Pianist gewesen sein).

Bei diesem Symphoniekonzert handelte es sich sozusagen um eine Aufführung „in eigener Sache“, denn den Violinpart hatte Matthias Wollong, der Erste Konzertmeister der Staatskapelle übernommen und den Solopart des Violoncellos der Konzertmeister Violoncello, Norbert Anger, der auch solistisch mit anderen Orchestern auftritt.

Sanft, fast geheimnisvoll begann das Orchester, die Solovioline setzte sehr feinsinnig ein, dann das Cello, zunächst sachlich, mit gutem Ton, etwas später aber mit sehr schöner, kantabler Kantilene. Das Orchester verschmolz klanglich mit den Solisten, dann wurde eine große Linie aufgebaut. Chung dirigierte vom Konzertflügel aus und gestaltete seinen Solopart flüssig, sachlich und kühl, mitunter ungleich lauter als die beiden Streichersolisten, deren Instrumente naturgemäß weniger auftrumpfen können. Sie wirkten dagegen etwas zurückhaltender, vielleicht auch vorsichtig, da es die erste der drei üblichen Aufführungen eines Symphoniekonzertes war und erfahrungsgemäß die letzte meist entspannter, perfekt und besonders ausgeglichen ist.

Wollong beeindruckte unter anderem mit sehr schönen, tonreinen, chromatischen Läufen auf- und abwärts, das Cello mit singendem Ton, insbesondere zu Beginn des 2. Satzes im Gleichklang mit dem Orchester. Immer wieder wurden große Melodiebögen aufgebaut. Schließlich verschmolzen Solisten und Orchester zu einem gemeinsamen, klingenden Ganzen und ließen Beethovens geniale Komposition sehr transparent und aus einer etwas anderen Sicht erscheinen.

Schon allein die Komposition begeistert immer wieder das Publikum und erst recht eine gute Wiedergabe, weshalb die Konzertbesucher ihre Freude euphorisch zum  Ausdruck brachten und sich die drei Solisten für eine Zugabe entschlossen: ebenfalls von Beethoven und ebenfalls für die drei Soloinstrumente komponiert, jedoch ohne Orchester: die unvollendet gebliebene „Concertante in D-Dur“, die Beethoven vor dem „Tripelkonzert“ begonnen hatte. Zunächst begann das singende Cello, dann setzte das Klavier ein und danach die Violine. Hier dominierte nun Chung und wirkte am aus- und eindrucksvollsten.

Als gut gewähltes Pendant erklang im zweiten Teil des Konzertes die „Symphonie Nr. 4  e‑Moll“ (op. 98) von Johannes Brahms, dessen großes Vorbild bekanntlich Beethoven war, bis er mit seiner „Vierten“ seinen „eigenen Ton“, seinen Personalstil fand. Aber es gibt auch eine enge Beziehung zur Sächsischen Staatskapelle. Kurz nach der Meininger Uraufführung der Symphonie gab sich Brahms, seit 1884 Ehrenmitglied des, 1854 von einigen Kapellmitgliedern gegründeten, Dresdner Tonkünstlervereins, die Ehre, seine letzte Symphonie bei der Dresdner Kapelle selbst zu dirigieren.

Nachdem Wollong seine Position als Erster Konzertmeister wieder eingenommen hatte, begann die Staatskapelle, jetzt in großer Orchesterbesetzung und mit Myung-Whun Chung am Dirigentenpult, die Symphonie betont beschaulich und steigerte sich in temperamentgeladene Regionen, in jeder Phase mit akribischer Korrektheit und zuweilen kühlem Klang, aber auch den Feinheiten und Details große Aufmerksamkeit schenkend und schöne Klang-Nuancen hervorzaubernd, bis zum triumphalen Schluss.

Die Streicher spielten mit Innigkeit und völlig unisono, die Bläser sehr exakt und sauber. Streicher und Bläser bildeten eine Einheit. Es gab ein sehr schönes Flötensolo mit musikalischer Empfindung. Die Pauke fügte sich gut in den Orchesterklang ein und setzte die richtigen Akzente. Trotz klanglicher Opulenz wurde sehr transparent in einem großen Spannungsbogen und einer durchgeistigten Gesamtkonzeption musiziert. Es war stets alles im Fluss – eine ideale Wiedergabe, bei der Brahms Personalstil in seiner Spezifik und mit den unzähligen geistreichen Erfindungen klingend umgesetzt wurde.

Ingrid Gerk

 

 

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