Dresden/Semperoper: „3. AUFFÜHRUNGSABEND“ DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN MIT TUBA ALS SOLOINSTRUMENT – 8.5.2024
Wie die Kammerabende finden auch die Aufführungsabende der Sächsischen Staatskapelle Dresden auf freiwilliger Basis der Kapellmitglieder im Rahmen der orchestereigenen Kammermusik statt, die auf den 1854 gegründeten Tonkünstler-Verein zurückgeht, wobei hier in kleinerer bis mittlerer Orchesterbesetzung musiziert wird. Oft haben dabei Kapellmitglieder Gelegenheit, ihr künstlerisches Potential zu präsentieren, und oft gelangen selten gespielte Werke zur Aufführung.
Im 3. Kammerabend stand das „Konzert für Tuba und Streichorchester des dänischen Klarinettisten und Komponisten Arild Plau im Mittelpunkt, das bis heute weltweit in Konzerten und bei Wettbewerben gespielt wird, in Dresden aber bis dato kaum bekannt war. Damit trat nicht nur einmal ein im Orchester selten und bestenfalls mit ein paar Solo-Tönen bedachtes Instrument, in den Vordergrund, sondern auch ein Meister seines Fachs sowie ein hier kaum oder gar nicht bekannter Komponist.
Da war es durchaus angebracht, dass der Dirigent Christoph Koncz, der wie Plau aus dem Orchester hervorgegangen ist – er war Stimmführer der Zweiten Violinen bei den Wiener Philharmonikern – einleitend einige einführende Worte über Werk und Komponist sagte. Bei den beiden anderen Werken des Abends, die zum Repertoire des Orchesters gehören, war das jedoch nicht unbedingt nötig, nur die Bemerkung, dass da ebenfalls Blasinstrumente solistisch hervortreten, schaffte eine gedankliche Verbindung zwischen den drei, an diesem Abend aufgeführten Werken. In der dritten „Leonoren-Ouvertüre“ von Ludwig van Beethoven kündigt ein „Gänsehaut“ auslösendes Trompetensignal wie aus der Ferne das befreiende Erscheinen des Ministers an, und in Robert Schumanns „Sinfonie Nr. 2“ erklingt ein, von Bläsern gestalteter, Choral.
In Plaus dreisätzigem ca. 20minütigem Tuba-Konzert konnte man einmal die Fähigkeiten eines Tubisten und die Möglichkeiten dieses tief tönenden Instrumentes erleben. Es gewährt dem Solisten sehr viel interpretatorische Freiheit, verlangt aber auch ein großes Maß an Können und eine ausgefeilte Technik, Virtuosität und lyrische Qualitäten, über die der Interpret, Constantin Hartwig, seit 2022 Solotubist der Staatskapelle, in hohem Maß verfügt.
In seiner Vielseitigkeit meisterte er mit großer Konzentration und Eleganz die sehr kontrastreichen Passagen von der langsamen, lyrischen, fast träumerischen Einleitung und einem technisch sehr anspruchsvollen Allegro-Abschnitt im 1. Satz bis zum sehr virtuosen Finale, das mit tänzerischem Schwung und virtuosen Läufen das Solokonzert stimmungsvoll beschließt. Der expressive Mittelsatz (Cancone), der dem Andenken der verstorbenen Frau des Komponisten gewidmet ist und das Register der Tuba in allen Bereichen, insbesondere im unteren und oberen Randbereich in extremen Sprüngen extrem ausreizt, wurde von Hartwig sehr melodisch, fein und gefühlvoll geblasen. Dann erfüllte die Tuba aber auch das Opernhaus mit Schall und kehrte anschließend wieder zu feinsinniger, kantabler, differenzierter Musizierweise zurück.
Hartwig ist zweifellos ein Meister seines Instrumentes, das bei ihm sogar zu „singen“ begann – ein Gütezeichen, das sonst nur dem Violoncello zugeordnet wird. In satten dunklen Tönen, mit warmem melodischem Klang zeigte er, was eine Tuba, aber auch er, alles kann und was auf diesem Instrument möglich ist.
Das Orchester bildete das Pendant dazu. Wie in inniger Zwiesprache korrespondierten Soloinstrument und Orchester auf Augenhöhe. Mit seinem großen Können und sympathischen Auftreten spielte sich Hartwig mit diesem ungewohnten Soloinstrument in die Herzen des Publikums, das ihn erst nach einer äußerst virtuosen wie einschmeichelnden Zugabe, einer Bearbeitung des „Blackbird“ von einem der Beatles, Paul McCartney, entließ. Mit fast romantischen Klängen und tänzerischen, jazzigen, rockigen, poppigen Rhythmen, allen Finessen und Extras, wie Verzierungen und geschickten Tonfolgen, die den Eindruck von Zweistimmigkeit erweckten, ließ Hartwig noch einmal sein großes Können Revue passieren
Nicht nur das Tuba-Konzert sorgte für eine Überraschung, sondern auch die Ausführung der „Leonoren“-Ouvertüre Nr. 3 (op. 72b) von Ludwig van Beethoven, die den Aufführungsabend einleitete. Sie skizziert die Handlung seiner einzigen Oper „Fidelio“ im „Zeitraffer“ und leuchtet die aufgrund der äußeren Umstände schwankenden Stimmungen aus. Von den insgesamt vier komponierten „Leonoren-Ouvertüren“ setzte sie sich allmählich als eigenständige Konzertouvertüre durch.
Orientiert an historischer Aufführungspraxis saß ein relativ kleines Orchester (wie zu Beethovens Zeit) auf der Bühne. Der junge Dirigent Christoph Koncz konzentrierte sich ganz auf Beethovens Musik und spürte dessen Intentionen nach. Er „kostete“ die Musik aus, „zelebrierte“ sie gleichsam in nicht übertriebenem Tempo und widmete sich liebevoll auch den Details. Es gab feine, sanfte Piani und schwelgerische Klänge, aber stets standen Beethovens Intentionen im Vordergrund.
In steter Steigerung führte Koncz das Orchester vom langsamen Einleitungsteil, in dem Florestans verzweifelte Lage und vor allem seine Gefühle erlebbar wurden, zum energiegeladenen, in die Freiheit drängenden „Allegro“ und danach, vom zweimaligen Trompeten-Signal aus dem vierten Rang eingeleitet und mit von der Flöte berührend geblasenem, das Freiheitsthema anstimmendem, Solo (Sabine Kittel) zur Aufbruchstimmung mit dem gesamten Orchester und schließlich zu überschwänglicher Freude, die hier leider nicht, wie vorgesehen, von den sonst so brillanten ersten Violinen furios, sondern seltsam zurückhaltend eingeleitet, von allen anderen Streichergruppen aber im Presto jubelnd umgesetzt wurde. Die Hörner und allgemein die Bläser trugen zu einer sehr intensiven, die Oper assoziierenden Aufführung bei, wobei auch das Schlagwerk, der gegenwärtigen Aufführungspraxis entsprechend, stark, aber in diesem Fall folgerichtig eingesetzt wurde.
Hatte die, 1806 im Theater an der Wien uraufgeführte, Leonoren-Ouvertüre Bezug zur Wiener Heimat des Dirigenten, konnte man die 1845/1846 in Dresden entstandene „Sinfonie Nr. 2 C‑Dur“ (op. 61) von Robert Schumann als „Heimspiel“ für die Staatskapelle betrachten. Koncz legte auch hier viel Wert auf die klangliche Komponente, arbeitete schöne Passagen mit besonderer Feinheit heraus und gestaltete frisch und mit Esprit, Verve und Temperament und zügigem Tempo die Sinfonie, bei der sich Schumann sehr an J. S. Bach orientierte und damit seinen Depressionen begegnete. Schöne Solostimmen, vor allem von Flöte und Klarinette bereicherten den sehr erfreulichen Gesamteindruck.
Die ersten beiden Sätze endeten grandios, doch kein vorzeitiger Applaus störte den Gesamtablauf, das Publikum lauschte sehr diszipliniert der Interpretation, die die Sinfonie unter einem neuen Aspekt, aber immer mit Werktreue erschloss. Der 3. Satz wurde langsamer, getragen, in fast schwebender Leichtigkeit gespielt und klang leise in Feinheit aus, während der 4. Satz temperamentvoll und leicht stürmisch drängend, sieghaft den Abend beschloss.
Ingrid Gerk