Dresden / Schlosskapelle: COUNTERTENOR BEJUN MEHTA ALS SÄNGER UND „DIRIGENT“ – 8.5.2017
Der gebürtige Amerikaner und international gefragte Countertenor Bejun Mehta ist „Artist in Residence“ der Dresdner Philharmonie in der Spielzeit 2016/17, in der er in vier Konzerten seine Vielseitigkeit als Sänger und in zwei Programmen „nebenbei“ auch als „Dirigent“ präsentiert. Er sang bereits Auszüge aus Oratorien und Opern von Georg Friedrich Händel und W. A. Mozart sowie “Dream of the Song“, eine für ihn geschriebene Solokantate von George Benjamin. Jetzt widmete er einen Abend Arien und Kantaten der Barockzeit.
Zurzeit ist zwar die Wiedereröffnung des Dresdner Kulturpalastes mit einem Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie in aller Munde, aber Mehta trat in der für Barockmusik prädestinierten Schlosskapelle im bereits zum größten Teil wiedererstandenen Dresdner Residenzschloss auf, in der Heinrich Schütz lange Zeit wirkte. Die Schlosskapelle gehört zwar zu den noch nicht endgültig fertiggestellten Räumen, erfreut sich aber bereits als Kammermusik-Saal größter Beliebtheit.
Unter dem Titel „Mir klopft das Herz“ standen, umrahmt von Arien und Kantaten von Händel, kleinere Werke der Barockzeit von Alessandro Scarlatti (1660-1725), Johann Christoph Bach (1642-1703) und Melchior Hoffmann (1679-1715) auf dem Programm.
Mehta widmete sich mit sichtlicher Freude der Vielfalt dieses Teils des Countertenor-Repertoires. Mit seiner hell timbrierten, kräftigen, gut klingenden Stimme und viel Engagement sang er Arien und Kantaten, ernst und heiter, weltlich und geistlich, beschaulich und dramatisch und unterstrich sie mitunter auch gestisch und mimisch.
Sehr feine leise Theorben-Töne stimmten auf den intimen Charakter der Arie „Siete rose rugiadose“ aus G. F. Händels Kantate HWV 162 ein, der zwei weitere Kantaten in Liebesfreud‘ und Liebesleid folgten: „Mi palpita il cor“ (HWV 132), ebenfalls von Händel und die Kantate „Perchè tacete, regolati concenti?“ von Scarlatti.
Das Lamento „Ach, dass ich Wassers g’nug hätte“ (… „und meine Augen Tränenquellen wären, dass ich Tag und Nacht beweinen könnte meine Sünde!“) von J. C. Bach, einem älteren Verwandten des großen Johann Sebastian und die Kantate „Schlage doch, gewünschte Stunde“ von M. Hoffmann mit ihrer Todessehnsucht nahm er eher heiter, letztere offenbar wegen des dezent eingestreuten (Todes-)Glöckchen-Klanges. Wie sollte ein moderner Amerikaner auch die Gefühlswelt im Leipzig der Barockzeit nachvollziehen können?
Er sang mit kraftvoller Stimme, gut klingender Höhe und intonationssicher – auch a capella. Die Verzierungen bezog er geschickt in die Gesamtgestaltung ein. Für eine lebhafte Gestaltung gab es bei Bedarf auch leicht dramatische Ausbrüche. Er wandte sich abwechselnd dem Gesang und der Leitung des „Kammerensembles“ aus 18 führenden Mitgliedern der Dresdner Philharmonie zu, das vorwiegend auf modernen Instrumenten spielt, aber über ein schönes Klangvolumen und eine wunderbar warme Tongebung verfügt. Welche Harmonie unter allen Beteiligten! Als Gast wirkten Michaela Hasselt am Cembalo und Stefan Maass, der Meister auf der Theorbe, der den Gesamtklang mit dem beseligenden Klang alter Instrumente bereicherte, mit.
Mehta konnte sich auf die Instrumentalisten voll und ganz verlassen, die ihn nicht nur stilvoll begleiteten, sondern das Programm zwischen den Gesangsnummern mit einzelnen Sätzen aus Händels Concerto grosso g‑Moll op. 6 Nr. 1“ (HWV 319) zur „Auflockerung“ komplettierten, vital und mit Verve und mit dem für die Dresdner Philharmonie so typischen, besonders warmen, schönen Klang musiziert, einschließlich sehr schöner kleiner Instrumentalsoli von Flöte (Mareike Thrun) und zwei Soloviolinen (Heike Janicke, Deborah Jungnickel).
Bejun Mehta bekrönte seinen Auftritt mit der Arie „Yet Can I Hear that Dulcet Lay” aus Händels Oratorium “The Choice of Hercules” (HWV 69) und verzichtete danach trotz begeistertem Applaus auf eine Zugabe.
Ingrid Gerk