Dresden/Schloss Albrechtsberg: DONIZETTI, ROSSINI, PAGANINI UND BOCCHERINI „CON MOLTO ESPRESSIONE“ – 25. 3. 2018
Kleine Werke großer Meister, kaum bekannte Kammermusik sehr bekannter italienischer Opernkomponisten, das wahrscheinlich virtuoseste Stück für ein Saiteninstrument solo, das je geschrieben wurde, und da Ostern bevorsteht, ein „Stabat mater“ standen auf dem wohlüberlegten Programm des Dresdner Streichquintetts aus fünf Mitgliedern der Dresdner Philharmonie, denen aufgrund der Qualität des Quintetts diese Ehrenbezeichnung verliehen wurde.
Wolfgang Hentrich, ein Vollblutmusiker und 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie, dessen solistische Auftritte immer wieder begeistern, hatte vier seiner Orchesterkollegen (Alexander Teichmann, Violine, Matan Gilitchensky, Viola, Matthias Bräutigam, Violoncello und Tobias Glöckler, Kontrabass) zu diesem Quintett versammelt, um mit ihnen im kleineren Rahmen seltene und bekannte Kammermusik aufzuführen, wie an diesem Abend im prunkvollen Festsaal des hoch über der Elbe gelegen Schlosses Albrechtsberg, das einst für einen Preußen in Sachsen, den jüngsten Bruder des deutschen Königs und seine nicht standesgemäße Gattin – sie war nur von niederem Adel! – gebaut wurde.
Die Musiker bewiesen ihre Vielseitigkeit und traten in sehr unterschiedlichen „Formationen“ auf. Zunächst in „klassischer“ Streichquartett-Besetzung mit „Introduzione“ für Streicher D‑Dur (1829) von Gaetano Donitetti, das mit seinem besonders effektvoll zelebrierten Beginn und im Weiteren sehr temperamentvoller Musizierweise und schöner Klangfülle einen euphorischen Auftakt bildete. Wann erlebt man die kleinen Stücke großer Meister schon einmal live? Wenn sie auch im Vergleich zu den „großen“ Opern noch so „klein“, oft aber sehr fein sind, runden sie doch das Bild der großen Opernmeister ab.
Anlässlich des 225. Geburtstages von Gioacchino Rossini folgten interessante Stück aus seiner Feder. Der Pianist Daniel Heyne legte bei dessen „Prélude prétentieux“ für Klavier, entstanden zwischen 1857 und 1868, vorrangig Wert auf Virtuosität und Technik. Sein Spiel war „flüssig“, kernig-kraftvoll, der Anschlag hart und mit nur wenig Klang. Man vermisste die Geschmeidigkeit, die auch eine markante Seite in Rossinis Schaffen ist.
Das änderte sich grundlegend bei „Une larme“ für Kontrabass und Klavier (1858), bei dem der Pianist sehr zurückhaltend dem warmen, weichen Klang des Kontrabasses, den man von diesem großen Instrument mit dem dunklen Klang kaum erwartet, den Vorrang ließ und mit diesem ungewöhnlichen „Soloinstrument“ in schöner Gemeinsamkeit musizierte. Es war ein ziemlich kurzes, aber interessantes Stück, bei dem der Kontrabass einmal aus seinem „Schattendasein“ als „Begleitinstrument“ herausgeholt und für kurze Zeit in den Fokus gerückt wurde.
Das virtuose Spiel einer Violine solo ist untrennbar (neben J. S. Bach) mit dem „Teufelsgeiger“ Nicolo Paganini verbunden, der auf einer (vermutlich präparierten) Geige, bei der alle Saiten bis auf die G-Saite „gerissen“ waren, die „Mosè-Fantasie. Variationen über ein Thema von Rossini“ für Violine und Klavier (1818) ausschließlich auf dieser letzten verbliebenen G-Saite spielte, eine ungeheure Belastung für den linken Arm, nicht nur wegen der ununterbrochenen Haltung auf der am ungünstigsten gelegenen Saite, sondern auch der Länge des Stückes wegen.
Jetzt tun es ihm einige Virtuosen gleich (ohne ihre Geige zu ruinieren). Einer von ihnen ist Wolfgang Hentrich, der „fast“ auf den Tag genau, das Werk 100 Jahre nach seiner Uraufführung (4. März 1818) zum Klingen brachte und dazu ein bisschen freundlich-humorvoll „moderierte“, wobei man erfuhr, dass er als Kind das Stück sehr geliebt hat – wegen seiner schönen, eingängigen Melodien. Von den ungeheuren technischen Schwierigkeiten konnte er damals nichts ahnen. Jetzt stellte er sich selbst diesen Anforderungen, wenn auch mit etwas „Marscherleichterung“, indem er statt auf der G-Saite auf der E-Saite spielte, was den Gesamteindruck durchaus nicht schmälerte. Nur ein einziger Ton verblieb auf der G-Saite, bei dem die Aufmerksamkeit des Publikums gefragt war.
Hentrich legte bei der Bewältigung der spieltechnischen Anforderungen auch musikalisches Gefühl in seine Interpretation, spielte mit großer Kantilene, differenziert und abwechslungsreich, Witz und Humor und einem freundlichen Lächeln. Jede Variation hatte ihr eigenes „Gesicht“, differenziert in Lautstärke, Tempo und Charakter – eine Meisterleistung bei diesem technisch außerordentlich anspruchsvollen Werk. Ihm ging es nicht nur um bloße Virtuosität, sondern auch um den musikalischen Eindruck und Ausdruck. Heyne war ihm dabei am Klavier ein einfühlsamer, sehr zurückhaltender Partner.
Bei Rossinis viersätziger „Sonata a quattro Nr. 4 B-Dur“ für Streicher (1804) bildeten vier Musiker des Dresdner Streichquintetts eine ungewöhnliche Quartettbesetzung mit zwei Violinen, Cello und Kontrabass. Als eingespieltes, klangschönes Streichquintett traten die Musiker erst bei Luigi Boccherinis „Stabat mater“ (in der Originalfassung von 1781) auf, das nicht nur wegen der Nähe zu Ostern, sondern auch aus Anlass des 275. Geburtstages des Komponisten aufgeführt wurde. Sie widmeten sich mit Sensibilität und Klangsinn diesem kammermusikalisch geprägten Werk mit seinen weiten, weichen melodischen Bögen und raffinierten Klangfarben, was besonders in den rein instrumentalen Passagen mit entsprechender „Durchsichtigkeit“ zur Wirkung kam.
Die umfangreiche Sopranpartie sang Stephanie Krone mit ansprechender Stimme und ganzer Kraft, was leider immer wieder in lauter, scharfer Höhe gipfelte, die für den Raum mittlerer Größe ein wenig zu viel des Guten war. In der Vertonung der poetischen Texte um die Leidensgeschichte Jesu aus der Sicht seiner Mutter hätte man sich mehr Sensibilität gewünscht, die in den schönen, wenn auch nicht allzu häufigen Piano-Passagen anklang, bei denen sie auch eine schöne klangliche Übereinstimmung mit den Streichern erreichte.
Dennoch war es ein Abend, der über den üblichen Rahmen eines Kammerkonzertes weit hinausging und schon wegen der genialen Programmzusammenstellung in sehr ansprechender Wiedergabe den Weg nach Schloss Albrechtsberg lohnte.
Ingrid Gerk