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DRESDEN/ Neumarkt: „7. CLASSIC OPEN AIR“ VOR DER FRAUENKIRCHE

06.09.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Neumarkt:  „7. CLASSIC OPEN AIR“ VOR DER FRAUENKIRCHE – 2.– 5.9.2021

Dresden hat jetzt ein weiteres Festival, das „Classic Open Air Dresden“, dem in den vergangenen Jahren Open-Air-Konzerte mit prominenten Gästen an jeweils einem Abend an gleicher Stelle vorausgegangen sind, initiiert und veranstaltet von Barbara Krieger. Jetzt wurde diese Tradition, bei der auch Zaungäste herzlich willkommen sind und zahlreich erscheinen, in Kooperation mit den Dresdner Musikfestspielen, dessen Intendant Jan Vogler auch als Künstler das Festival bereichert, erstmalig auf vier Tage erweitert und damit zu einem kleinen, willkommenen Festival.

An Prominenz fehlte es auch in diesem Jahr nicht. Jan Vogler mit seinem Cello, Bryn Terfel mit seinem Können von Oper bis Musical, die Pianistin Khatia Buniatishvili und die Sängerin und Initiatorin Barbara Krieger sorgten für viel Abwechslung und künstlerische Höhepunkte.

Der erste Abend war mit Nils Landgren Funk Unit, dem Jazz gewidmet. Am zweiten Abend gestaltete Jan Vogler mit dem Dresdner Festspielorchester unter Josep Caballé Domenech, seit 2019 Chefdirigent des Moritzburg Festival Orchesters, eine „Französisch-Italienische Nacht“ mit Rossini (Ouvertüre zu „L‘Italiana in Algeri“), Camile Saint-Saens („Violoncello-Konzert Nr. 1 a Moll, op. 33) und Felix Mendelssohn-Bartholdy („Sinfonie Nr. 4 A Dur“, op. 90, die „Italienische“).

Auf den dritten Abed „stimmte“ zunächst ein immer wieder laut tutender Elbdampfer ein (Mark Twain hätte seine Freude daran gehabt). Irgendetwas „stört“ meistens, und sei es die ungewöhnliche „Kälte“ an diesem Abend, aber das gehört bei open-air nun einmal dazu. Glücklicherweise verlief der mit dem Glockenschlag der Frauenhkirche beginnende Abend dann ungestört oder man war so gebannt, dass das Umfeld nicht mehr beachtet wurde.

Das Konzertzelt am Fuße der Frauenkirche inmitten einer bezaubernden architektonischen Kulisse mit Johanneum und neuer alter Neumarkt-Bebauung war pompös hergerichtet, wie ein „Konzertzimmer“ mit Prismen-Kronleuchter und Wänden, deren Dekoration an den Festsaal eines barock-klassizistischen Schlosses erinnerten. Eine Festbeleuchtung mit wechselndem Farbenspiel zwischen rötlichen, gelben, orangen und violetten Tönen begleitete dezent die einzelnen „Nummern“. Die Stühle für die Besucher waren „Corona“-gerecht weit auseinander aufgestellt, aber die Zaungäste standen dicht an dicht.

Zum „Vorspiel“ aus „Tristan“ erschien Barbara Krieger in schwarzer  Abendrobe und eröffnete die „Opern-Gala“, die schließlich auch zu Operette und Musical überging, „mild und leise“ mit Isoldes „Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“ und eröffnete damit ein „Potpourri“ aus Richard-Wagner-Opern, laut und leidenschaftlich vom Orchester unter Marcus Merkel begleitet, das danach so geschwind und „schmissig“ mit „Lohengrin“ zum “Fliegenden Holländer“ überleitete, dass eine kleine Kunstpause entstand, bis Bryn Terfel erschien, der die „Opern-Gala“ zu einer  wirklichen Gala werden ließ. Gut bei Stimme und bester Laune sang er „Die Frist ist um“ und war bei seiner Paraderolle voll in seinem Element. Mit erstklassiger Artikulation und profunder Stimme „kostete er  jedes Wort, jeden Ton aus und zog alles in den Bann dieses düsteren verwunschenen Seefahrers, zwingend, leidenschaftlich und hochdramatisch, konnte aber auch wunderbar zurücknehmen („gepriesener Engel Gottes“). Das Orchester gestaltete diese große Szene mit und führte Terfels Intentionen fort.

Sanft und leise begab sich Terfel auch in die italienische Opernwelt zu „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini. Barbara Krieger gesellte sich von der anderen Seite dazu, zwei sehr unterschiedliche Sänger-Persönlichkeiten, er mit kraftvoller, sie mit eher zarter Stimme, die dennoch im Duett harmonierten.

Nach der Pause erschien sie in rot und verhieß damit auf einen heiteren Teil, der mit romantischen Klängen eröffnet wurde und ihrer Stimme sehr entgegenkam. Terfel bot danach, groß in Form, eine seine weiteren Glanzrollen, den „Mephisto“, mit sehr langem, großem Atem, frappierender Tiefe, teuflischem Temperament und teuflisch perfekt schrillen Pfiffen als „Zutat“, die aus dem Publikum wie ein Echo erwidert wurden, aber ohne ihn etwa „auszupfeifen – ganz im Gegenteil.

Jan Vogler der den Abend zuvor mit Camille Saint-Saens „Violoncellokonzert Nr. 1“ mitgestaltet hatte, steuerte bei diesem Konzertanlässlich des 100. Todestages dieses Komponisten vom Orchester begleitet, mit „singendem Cello sehr feinsinnig, gefühlvoll, poetisch, fast träumerisch den „Schwan“ aus dem Carneval der Tiere“ bei.

Danach wurde es heiter. Neben einem Song aus Terfels Heimat, von ihm mit Hingabe gesungen, folgten Ausschnitte aus Operette und Musical, u. a. „Anatevka“, wo Terfel auch als Milchmann Tevje in seinem Element war und urwüchsig, bodenständig  und mit viel Humor brillierte, so dass das Publikum mitklatschte, „Porgy and Bess“ mit „Sommertime“ und „Wintertime“ und „Annie get your gun“, wo Krieger und Terfel wetteiferten, er es besser könnte. Das machte allen Spaß, auch dem Orchester.

Die erste Zugabe führte zurück in die Welt der Oper. Barbara Krieger sang „Eines Tages sehen wir“ aus „Madame Butterfly“. Bei der zweiten Zugabe schwebte plötzlich ein Flügel aus der Höhe herab, Violinen säuselten leise, bis das volle Orchester einsetzte und die Musik die Luft mit Musical-Gesang erfüllte. Bei der dritten Zugabe stritten Krieger und Terfel im Duett, wer es besser kann („Annie get your gun) .
Einziger Wermutstropfen bei dieser dreistündigen „Gala“ (mit Pause): man vermisste lediglich eine Information über die Programmfolge, als Beilage-Zettel oder Ansage, nur ein „Willkommen zum Konzert“ von einer jungen Dame – und das war‘s. Dankenswerterweise erfuhr man einiges in der Pause vom Dirigenten, der charmant mit wohlklingender Stimme in angenehmer Weise einen (sehr) kurzen Abriss über die dargebotenen Beiträge gab.

Ganz ohne Programm-Information ging es dann am vierten und letzten Abend bei angenehmen Temperaturen weiter. Khatia Buniatishvili erschien in großer Robe, setzte sich ans Klavier und begann sofort, nicht wie angekündigt, mit dem „Klavierkonzert Nr. 2“ von Sergei Rachmaninov, sondern mit dem viel strapazierten, wenn auch genialen und überaus beliebten „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1“ von Peter I. Tschaikowsky. Mit ungeheurer Leichtigkeit und Präzision flogen ihre Finger über die Tasten, kannte die Virtuosität keine Grenzen. Ob Pianissimo oder Fortissimo, chromatische Läufe oder Triller, in atemberaubendem Glissando oder schmelzenden lyrischen Passagen war sie in ihrem Element und hatte noch Zeit, ihre Locken-Mähne zu schütteln und andere Show-Gesten einzuflechten, die sie bei ihrem Können eigentlich gar nicht nötig hätte. Mit traumwandlerischer Sicherheit traf sie die Tasten und mit großer Geste setzte sie sich in Szene und machte sich den Flügel (und das Publikum) untertan. Bei ihren beiden Zugaben (Dvorak und Liszt) zeigte sie sich von einer ganz andren Seite, freundlich, musikantisch und mit der idyllisch-zarten Kontinuität einer Spieluhr.

Die Junge Philharmonie Berlin (bei der auch ältere Musiker mitwirken) konnte da durchaus konkurrieren. Unter der Leitung von Julien Salemkour war das Orchster ein ebenbürtiger Begleiter und Mitgestalter und präsentierte sein Können anschließend noch explizit mit den „Bildern einer Ausstellung“  von Modest P. Mussorgski in der Orchesterfassung von Maurice Ravel.

Das kleine Festival war ein voller Erfolg. Die Einnahmen kommen den Kindern des Heinrich-Schütz-Konservatoriums in Dresden zugute.

 

Ingrid Gerk

 

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