Dresden/Kulturpalast: SONDERKONZERT „MORITZBURG FÜR ALLE“ MIT JAN VOGLER UND DEM MORITZBURG FESTIVAL ORCHESTER UNTER JOSEP CABALLÉ-DOMENECH– 12.10.2022
Das 30. MORITZBURG FESTIVAL, zu dessen festem Bestandteil auch die Moritzburg Festival Akademie unter der künstlerischen Leitung der Violinistin Mira Wang gehört, fand wie jedes Jahr im August in Moritzburg statt. Für diese Akademie können sich junge, hochbegabte Musikerinnen und Musiker aus aller Herren Länder bewerben, von denen in diesem Jahr 53 aus ca. 400 Bewerbern aus 24 Nationen ausgewählt wurden, um gemeinsam in Moritzburg Kompositionen für verschiedene kammermusikalische Formationen, aber auch Orchester einzustudieren und aufzuführen. Sie finden sich dort zum ersten Mal zusammen, um gemeinsam, international etwas zu vollbringen.
Jetzt kamen sie alle noch einmal in Dresden als Orchester für CD-Aufnahmen und ein Sonderkonzert unter der Leitung ihres Chefdirigenten Josep Caballé-Domenech zusammen. Da Moritzburg nur begrenzt Platz bietet, fand dieses Konzert im Konzertsaal des Dresdner Kulturpalastes mit seiner großen Platzkapazität statt, wo alle teilnehmen konnten – „Moritzburg für alle“.
Spannungsreich, langsam und ruhig, mit feinen Klängen begann Caballé-Domenech mit den jungen Musikerinnen und Musikern die Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“, einem Bravourstück von Giacomo Puccini, und führte von dieser kurzen beschaulichen Idylle in großem Crescendo über Gewitter und Sturm, und wieder zarten pastoralen Klängen zu Fanfarenrufen und Kavallerie-Galopp, eine jugendlich frische Gestaltung, leicht und locker, mit sehr guten Ersten Violinen, Flöte, Oboe und einem bereits versierten jungen Cellisten, der in seiner Art an Jan Vogler (als sein Vorbild?) erinnerte.
Dann kam der „Meister selbst“. Jan Vogler, der Intendant des von ihm mitbegründeten Moritzburg Festivals (und der Dresdner Musikfestspiele), ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit den jungen Leuten zu musizieren. Er spielte den Solopart in dem relativ selten zu hörenden, weil schwierig zu spielenden, äußerst anspruchsvollen Konzert für Violoncello & Orchester d‑Moll“ von Édouard Lalo, einem Franzosen mit weit zurückliegenden spanischen Wurzeln, der seine musikalischen Wurzeln in der deutschen Klassik, vor allem bei Ludwig van Beethoven sah.
Caballé-Domenech betonte als Spanier mit dem Festival Orchester vor allem das spanische Temperament und begann den Orchesterpart mit ziemlicher Wucht. Vogler widmete sich hingegen mit technischer Meisterschaft und dem erforderlichen Durchhaltevermögen, mit warmem, weichem , samtenem Ton und dem erforderlichen Ausdruck in sensibler Gestaltung dem lyrischen Solopart, bewegte sich bis hinauf in die schwindelerregenden Höhen und ließ im 2. Satz temperamentvollere, rhythmische, spanisch-folkloristische Anklänge hören. Das Orchester antwortete mit harten, „zackigen“ Einwürfen, fast „Schlägen“. Da trafen zwei Welten aufeinander, die gerade durch diesen Kontrast eine reizvolle Einheit in diesem anspruchsvollen Konzert bildeten.
Zum Schluss erklang die „Sinfonie Nr. 1 c‑Moll (op. 68.3) von Johannes Brahms mit hohem Anspruch; bei der die jungen Musiker eine sehr reife Leistung zeigten, die sich hinter den Aufführungen der großen Orchester nicht verstecken musste. Minimale „Kiekser“ sind da verzeihlich und trüben den Gesamteindruck kaum. Es ist bewundernswert, wie die jungen Musikerinnen und Musiker, die sich nur kurz für ein solches Projekt treffen, im Zusammenspiel aller Instrumente und Instrumentengruppen harmonieren und professionell musizieren und dabei eine Klangschönheit entfalten, wie man sie bei dieser Sinfonie von den besten Orchestern kennt und erwartet.
Das dürfte vor allem auch das Verdienst von Caballé-Domenech sein, der sich zwecks effektvoller Gestaltung auch der jetzt üblichen Kunstpausen bediente, die große Farb- und Klangskala vom leisen, sehr leisen, kaum noch hörbaren Pianissimo über ein klangvolles Mezzoforte bis zum kraftvollen Fortissimo ausreizte, und im letzten Satz sehr schöne lyrische Passagen in feiner Melodik ausmusizieren, fast feierlich zelebrieren ließ. Er verstand es, die jungen Leute zu großartigen, reifen Leistungen und zu vollgültiger Interpretation zu führen. „Die Zukunft gehört der jungen Generation. Gebt ihr eine Chance und sie wird sich durchsetzen“, sagt Mira Wang, die Direktorin der Moritzburg Festival Akademie
Für das begeisterte Publikum gab es noch eine Zugabe, die die Stimmung noch weiter auf den Höhepunkt brachte, den schwungvoll, mit ungarischem Temperament und jugendlichem Feuer, retardierenden Momenten und einer längeren verblüffenden Kunstpause als musikalischem Spaß mitreißend gespielten, „Ungarischen Tanz“ Nr. 2 von Johannes Brahms, nach dem die Zuhörer euphorisiert nur zögerlich den Saal verließen.
Das 31. Moritzburg Festival findet vom 5. bis 20. August 2023 statt.
Ingrid Gerk