Dresden / Kulturpalast: SONDERKONZERT MIT QUATUOR ÉBÈNE & BELCEA QUARTETT ZUM FÜNFJÄHRIGEN BESTEHEN DES NEUEN KONZERTSAALES – 3.5.2022
Der, innen völlig neu gestaltete, Kulturpalast mit dem neuen Konzertsaal, der mit seiner guten Akustik allgemein Aufsehen erregt, sowie weiteren Einrichtungen, wie Bibliothek, Kabarett und nun auch neuer Gastronomie, feiert in dieser Form sein fünfjähriges Bestehen, u. a. mit einem „Tag der offenen Tür“, vielfältigen Veranstaltungen und einem außergewöhnlichen Konzert, einem „Gipfeltreffen“ von zwei der weltweit besten Streichquartett-Formationen. Auf Einladung der Dresdner Philharmonie kamen Quatuor Ébène & Belcea Quartett nach Dresden, das eine Streichquartett kommt aus Frankreich, das andere aus England, zwei Ländern, die in der Vergangenheit zweimal hundert Jahre lang Krieg gegeneinander führten (14./15. und 16./19. Jahrhundert). Jetzt fanden sich die acht Streicher zu einem kongenialen Oktettspiel, einem „Gipfeltreffen“ einer eingeschworenen Gemeinschaft, zusammen.
Dynamisch, in sehr gutem, konformem Zusammenspiel brachten die acht Musiker aus zwei Ensembles virtuos, leidenschaftlich und mit geschmeidigem Wohlklang, wenn auch nicht im herkömmlichen Sinn romantisch, das “Oktett Es‑Dur“ für Streicher (op. 20) von Felix Mendelssohn Bartholdy zu Gehör, bei dem sich der junge, gerade einmal 16jährige Komponist von seinem Ideal Goethe und dessen „Walpurgisnacht“ im „Faust“ hatte inspirieren lassen. Hier standen Virtuosität und Klang und sehr gutes, konformes Zusammenspiel im Vordergrund. Ab dem 2. Satz wurde das Leichte, „Luftige“ sehr betont bis zum „Hexenritt“ durch die Luft im 3. Satz und dem sehr vitalen, triumphalen, mit viel Temperament musizierten 4. Satz.
Die acht Musiker eines Geistes und mit gleicher Technik betonten vor allem die Leichtigkeit und flirrende Luftigkeit der Komposition und musizierten beinahe „schwerelos“, so dass unwillkürlich die Worte von Mendelssohns Schwester Fanny bei der Uraufführung im Mendelssohnschen Haus in den Sinn kamen: „Ja man möchte selbst einen Besenstil zur Hand nehmen, der luftigen Schar besser zu folgen“, was im „Scherzo“, das diesen „Wolkenflug und Nebelflor“ im Besonderen atmet, gipfelte.
In eine ganz andere musikalische Welt führte der, bei der Komposition seines „Oktett C‑Dur“ für Streicher (op. 7) 19jährige, George Enescu, das er während seiner Studien bei Jules Massenet und Gabriel Fauré in Paris komponierte und das heute zu den erfolgreichsten Nachfolgern des Mendelssohn-Oktetts zählt. Etwas strenger, melodiös grandios, sehr transparent und auch den Feinheiten Aufmerksamkeit schenkend, wie dem feinsinnigen Solo der Ersten Violine, das in einem besonders zarten Pianissimo der Konzertmeisterin ausklang, bildete es das Pendant zu Mendelssohns frühem Meisterwerk.
Beide Quartettformationen waren auch hier in absolutem Gleichklang und faszinierten mit fremdartigen Klangwirkungen, sehr unterschiedlichen Klangfarben und auch sehr feinsinnigen, klangvollen Passagen, die die Entstehungszeit dieses Oktetts zum Ausdruck brachten, geschickt zwischen klassisch-romantischer Tradition und deren Weiterentwicklung langsam in Richtung Motorik jonglierend und schon die weitere Entwicklung des Komponisten andeutend.
Mit Akkuratesse und Finesse widmeten sich die acht Musiker diesem höchst intensiven und anspruchsvollen Oktett und schenkten im Besonderen der speziellen Dynamik als Ausdruck progressiver Weiterentwicklung im Übergang von der Romantik zur Moderne Aufmerksamkeit. Bekanntlich hatte Enescu einen „Schrecken vor allem, was stagniert“. Mit schöner Klarheit und Farbigkeit brachten die Musiker dieses sehr anspruchsvolle Werk den Zuhörern nahe, unter denen sich zahlreiche Jugendliche befanden.
Von dem begeisterten Publikum verabschiedeten sich die beiden Quartette, die zu einem Oktett mit phänomenaler Homogenität geworden waren, mit einer „paradiesisch“ gespielten Zugabe, dem siebenten (letzten) Satz „In Paradiesum“ aus dem „Requiem“ von Gabriel Fouré, was sich noch einmal zu einem Höhepunkt dieses ereignisreichen Konzertabends gestaltete.
Ingrid Gerk