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DRESDEN/ Kulturpalast: NIGEL KENNEDY im letzten Palastkonzert vor den Dresdner Musikfestspielen

12.03.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden / Kulturpalast: NIGEL KENNEDY IM LETZTEN PALASTKONZERT VOR DEN DRESDNER MUSIKFESTSPIELEN – 11.3.2018

Die Dresdner Musikfestspiele, die in diesem Jahr vom 10.5. bis 10.6. unter dem Motto „Spiegel“ stattfinden, werfen nun schon lange ihre Schatten voraus. So vielfältig wie ihr Programm mit großen Orchesterkonzerten, kammermusikalischen Veranstaltungen, Crossover und Pop waren auch die Palastkonzerte im Vorfeld.

Das letzte brachte eine Begegnung mit Nigel Kennedy, der für den erkrankten David Garret eingesprungen war. Er präsentierte sein Crossover-Programm „Bach meets Kennedy meets Gershwin“, in dem er „Kostproben“ von Johann Sebastian Bach mit Musik von George Gershwin und eigenen „Tonschöpfungen“ gemischt, in lockerer Weise verbindet. Immer wieder stampfte er „nebenbei“ bei seinen musikalischen Vorträgen mit dem Fuß auf, um seinen Darbietungen Nachdruck zu verleihen, griff abwechselnd zu der einen oder der anderen Kolophonium-“gepuderten“ Violine und auch in die Tasten des Flügels, um seine Vielseitigkeit zu beweisen.

Zurückhaltend in fast klassischer Tongebung und Disziplin begleitete ihn dabei seine vierköpfige „Begleitmannschaft“, eine kammermusikalisch anmutende „Band“ aus Jazzmusikern, zu der die beiden Gitarristen Howard Alden und Rolf Bussalb sowie Beata Urbanek-Kalinowska am Violoncello und Tomasz Kupiec an einem Kontrabass mit mehr Saiten als üblich gehörten.

 Einst einer der herausragenden Geigenvirtuosen, der mühelos die Violinen-Literatur vom Barock bis zu zeitgenössischen Werken mit Bravour spielte, wurde Nigel Kenndy zum „Enfant terrible der klassischen Musikszene“, wandte sich mehr und mehr dem Jazz und Pop zu und setzte hier seine spieltechnischen Fähigkeiten für die „leichtere“ Unterhaltung ein. Er wurde zum Grenzgänger zwischen verschiedenen Musikstilen in einer individuellen Mischung, die zu seinem eigentlichen Element geworden zu sein schien. „Wer will, kann mich einen klassischen Geiger nennen; ich selbst verstehe mich als einen Musiker, der einfach Musik spielt – und nicht nur eine Art von Musik“ sagt er von sich selbst.

Dabei bediente er sich auch aller Äußerlichkeiten eines „echten“ Pop-Stars, trat in legerer Kleidung und mit seiner „Punk“-Frisur auf, reichte allen Konzertbesuchern in der ersten Reihe die Hand, und ließ sich von dort gelegentlich ein Glas „Hopfenblüten“(?)-Tee reichen. Er gab sich locker und begrüßte das Publikum nach der Pause noch einmal mit „Guten Abend“ und seine Musiker mit Händeschütteln. Vielleicht war er glücklich, dass (fast) alle wieder in den Saal zurückgefunden hatten.

Man möchte ihn in seiner eigentlich kaum machbaren Vielseitigkeit bewundern, wenn da nicht, wie bei solchen Konzerten üblich, viel Technik, schwarz und unauffällig, auf der Bühne gestanden hätte, ohne dass es besonders laut geworden wäre. Im Gegenteil, er sprach ziemlich leise in dezentem Englisch, weil, wie er sagte, sein „Deutsch kaputt“ sei.

Natürlich hat er alles selbst eingespielt. Seine Bach-Interpretationen forderten Hochachtung ab, so mühelos und in atemberaubendem Tempo erklang nicht nur ein Satz aus den „Suiten und Sonaten für Violine solo“ am Anfang, sondern als allerletzte Zugabe auch noch einer – wie eine Klammer um die „leichtere“ Unterhaltung, die zwischen rhythmisch synkopiert, Schnelligkeit wie bei einem „Teufelsgeiger“ oder ungarischen Primas, bis ins Extreme gesteigert, ablief oder improvisationsartig vorüberzog.

Nigel Kennedy setzt sich über die eingefahrenen Rituale des klassischen Konzertbetriebes hinweg und bringt so in seinen Konzerten jedem etwas nach seinem individuellen Geschmack, den jugendlichen wie den älteren Konzertbesuchern. Immerhin konnte man auch jüngere Leute im nicht ganz ausverkauften Saal des neuen Kulturpalastes mit pinkfarben  angestrahlter Orgel entdecken. Es war ein Abend der „klassischen“ Unterhaltung oder unterhaltsamen Klassik, bei dem die Übergänge fließend sind. Den älteren Konzertbesuchern hat‘s gefallen, die jüngeren warteten meist nicht erst die lange Reihe der Zugaben ab. Sie hatten möglicherweise noch mehr jugendgemäßes Temperament erwartet. Die Zeiten ändern sich!

Ingrid Gerk

 

 

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