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DRESDEN/ Kulturpalast: LEONIDAS KAVAKOS IM SONDERKONZERT ZUM 474. GRÜNDUNGSTAG DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE ALS GEIGER UND DIRIGENT

23.09.2022 | Konzert/Liederabende
Dresden/Kulturpalast:  LEONIDAS KAVAKOS IM SONDERKONZERT ZUM 474. GRÜNDUNGSTAG DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE ALS GEIGER UND DIRIGENT – 22.9.2022

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Pressefoto

Alljährlich gibt die Sächsische Staatskapelle Dresden am 22. September, ihrem Gründungstag (als Dresdner Hofkapelle) an einem der Orte, wo sie im Laufe der Jahrhunderte gewirkt hat, ein Sonderkonzert. Das erste dieser Konzerte fand zur Erinnerung an die glanzvolle Anfangszeit in der Dresdner Schlosskapelle statt, weitere Konzerte im Palais im Großen Garten, in der Semperoper und jetzt wiederholt im neuen Konzertsaal des Kulturpalastes mit seiner guten Akustik (die Staatskapelle spielte die Symphoniekonzerte jahrelang im alten Kulturpalast mit seiner unzulänglichen Akustik, bevor sie in die Semperoper verlegt wurden).

1548 durch Kurfürst Moritz von Sachsen gegründet, kann die Sächsische Staatskapelle als eines der ältesten und traditionsreichsten Orchester der Welt auf eine Geschichte mit bedeutenden Kapellmeistern wie Heinrich Schütz, Johann Adolf Hasse, Carl Maria von Weber und Richard Wagner, der das Orchester seine „Wunderharfe“ nannte, sowie bedeutende Chefdirigenten wie Ernst von Schuch, Fritz Busch, Karl Böhm, Joseph Keilberth, Rudolf Kempe, Otmar Suitner, Herbert Blomstedt , Giuseppe Sinopoli, Christian Thielemann u. a. zurückblicken.

In diesem Jahr stand bei diesem Sonderkonzert der vor allem als Geiger bekannte Leonidas Kavakos, der sich jetzt als 55jähriger zunehmend dem Dirigieren widmet und bereits Konzerte mit dem New York Philharmonic, dem London Symphony Orchestra und dem Budapest Festival Orchestra geleitet hat, erstmals am Pult der Sächsischen Staatskapelle.

Er hatte ein unbeschwert-heiteres Programm gewählt und trat mit dem „Violinkonzert d‑Moll“ (BWV 1052) von Johann Sebastian Bach, einer Rekonstruktion nach einem Cembalokonzert, das mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich ein Violinkonzert war, in Doppelfunktion als Solist und Dirigent auf. Er spielte nicht nur den Solopart, sondern leitete auch das Orchester in kleiner Besetzung, nicht wie üblich vom Cembalo aus, an dem der versierte Jobst Schneiderat saß, sondern mit der Violine – eine Praxis, die in der Barockzeit mitunter auch üblich war.

Er begann zügig, energiegeladen den 1. Satz (Allegro), spielte sehr transparent und mit feiner Tongebung, begann den 2. Satz (Adagio) verhalten und eher behutsam und ging im 3. Satz (Allegro) zu einiger Vehemenz und gesteigertem Tempo über. Die Kapelle folgte ihm mit ihren reichen Erfahrungen auch auf dem Gebiet der Barockmusik.

Dann folgte die kurzweilige, bewusst nach klassischen Vorbildern komponierte, „Symphonie Nr. 1 D‑Dur“ (op. 25), die „Symphonie classique“ von Sergej Prokofjew, seine erste, kürzeste und bekannteste Symphonie, die ihren Beinamen der freundlich-parodistischen Anlehnung an die Tonsprache Joseph Haydns und des frühen Pjotr I. Tschaikowski, der wiederum ein Verehrer W. A. Mozarts war, verdankt.

Die Musiker spielten – jetzt in mittlerer Orchesterbesetzung – „getupft“, mit Esprit und Charme und Leichtigkeit das witzig-spritzige Werk(chen), das von Kavakos etwas geruhsamer, getragener und mit etwas langsameren Tempi genommen wurde als gewohnt, aber mit stärkeren (bis lautstarken) Akzenten versehen wurde, und zunehmend beschwingter erschien. Zwischen den Sätzen gab es etwas längere Pausen, die den musikalischen Fluss leicht unterbrachen, aber Kavakos konnte sich voll und ganz auf das Orchester, mit seinen engagierten Musikern, guten, sehr zuverlässigen Streichern und extrem sauberen, klangschönen Bläsern verlassen.

Mit großem Orchester bildete dann die heiter und lyrisch geprägte „Symphonie Nr. 8 G‑Dur“ (op. 88 ) von Antonín Dvořák, die wie seine „Neunte“ von einer Fülle schöner Melodien und auch Dramatik lebt, den Höhepunkt und bekrönenden Abschluss. „Alles fein, musikalisch fesselnd und schön – aber keine Hauptsache!“ urteilte einst Johannes Brahms über die Symphonie, in der Dvořák die strengen Grenzen der symphonischen Form, wie sie Brahms pflegte, zugunsten einer eigenen Ästhetik verließ, aber das Publikum ist immer wieder – wie auch schon bei der Uraufführung 1890 – von diesen „Nebensächlichkeiten“, dem Reichtum an Melodien und musikalischen Einfällen begeistert.

Das Orchester begann mit Leidenschaft und Engagement und ließ mit guten, dynamischen Streichern und sehr subtilen Bläsern mit großer Ausdrucksfähigkeit in schöner Transparenz auch immer wieder die böhmische Mentalität mit ihrer leichten Melancholie in den Landschafts- und volkstümlichen Szenen anklingen. Es gab temperamentvolle Situationen und feinsinnige Details mit sanftem Pianissimo im entschwebenden Decrescendo, klangschöne einzelne Instrumentenpassagen bis hin zu leisen, die Situation unterstreichenden Paukentönen. Mit sehr individuellen, gleichförmigen Dirigier-Gesten sorgte Kavakos auch hier für Akzente und Kontraste bis hin zum abschließenden Finale im Klangtaumel mit überbordendem Temperament.

Ingrid Gerk

 

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