Dresden / Kulturpalast: KLAVIERKONZERTE VON LUDWIG VAN BEETHOVEN MIT JAN LISIECKI – 29.1.2025
Der kanadische Ausnahmepianist Jan Lisiecki war schon mehrmals bei der Dresdner Philharmonie zu Gast. Jetzt kam er mit der Academy of St Martin in the Fields im Rahmen eines Konzertes in Kooperation mit DK Deutsche Klassik, für das er zwei Klavierkonzerte von Ludwig van Beethoven, bei dem sich für ihn ganz besondere Welten auftun, ausgewählt hatte.
Doch zuvor begann The Academy of St Martin in the Fields unter der Leitung von Tomo Keller, Solist und Dirigent, jetzt Direktor und Konzertmeister der Academie beziehungsvoll mit feinen leisen Streicherklängen das Stück „Stride“ für Streichorchester, von Anna Clyne (*1980), die sich dazu von Beethovens „Klaviersonate Nr. 8 c-Moll“ (op. 13), der „Sonata Pathétique“ hatte inspirieren lassen.
Der pulsierende, treibende Rhythmus in der Basslinie der Beethoven-Sonate faszinierte sie und bildete den Ausgangspunkt für ihr Stück, dessen Titel sich von den Oktavsprüngen der linken Hand im ersten Satz der Beethoven-Sonate ableitet. Die treibende Energie der Sonate verwendete sie als „Werkzeug“, und wählte aus jedem Satz einige melodische, rhythmische und harmonische Teile aus, um sie zu variieren und weiterzuentwickeln und zu einem vielseitig pulsierenden Stück mit ebenfalls drei Sätzen und sehr ähnlichen Bezeichnungen wie Beethoven: „Allegro con brio“, „Adagio“ und „Rondo. Allegro molto“ zu vereinen. „The Academie“ bot das Stück sehr ansprechend mit Anklängen an sehr Bekanntes mit schönen melodischen und folgerichtig erscheinendem Neuem in aufregenden, schroffen Passagen.
Jan Lisiecki, zu dessen Repertoire auch alle fünf Klavierkonzerte Beethovens und das „Tripelkonzert“ gehören, hatte für dieses Konzert das zweite und das vierte Klavierkonzert ausgewählt, zwei sehr unterschiedliche Konzerte, die Beethovens künstlerische Entwicklung und Lisieckis Vielseitigkeit zeigten.
Bereits mit dem „Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur“ (op. 19), der Entstehung nach Beethovens erstes, das dieser wie auch sein „Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur“ (op. 15) zunächst für den eigenen Bedarf schrieb, um sich einem breiten Publikum vorzustellen, wurde Lisiecks Meisterschaft deutlich. Er ließ in Gemeinsamkeit mit dem, jetzt von ihm geleiteten, Orchester die noch starke Orientierung an Vorbildern der frühen Klassik, vor allem W. A. Mozart mit oft verwendeter Chromatik, klar erkennen, aber auch Beethovens eigene Handschrift mit ihren charakteristischen Wendungen, seine Ausdruckskraft der musikalischen Gedanken und eine Fülle poesievoller Bilder, und brillierte mit dem weniger virtuosen Solopart voller Kantabilität und Gesanglichkeit und liebevoll gespielten Verzierungen.
Zum Höhepunkt des Abends gestaltete sich die wunderbare Interpretation des „Klavierkonzertes Nr. 4 G-Dur“ (op. 58). Schon oft gehört, auch in besonders guter Widergabe mit den besten Solisten und Orchestern, war sie an diesem Abend wieder völlig neu zu entdecken. Das Publikum hielt den Atem an, kein Husten, kein vorzeitiger Applaus im voll besestzten Haus, nur andächtiges Schweigen und Lauschen. Die Zuhörer ließen sich mit hinein nehmen in diese Welt und erlebten Altbekanntes wieder neu. Liesiecki vertiefte sich ohne veräußerlichte Gesten in die Musik, um sie neu zu gestalten. Oft schloss er dabei die Augen, nicht nur um bekanntlich besser zu hören, sondern um sich ganz hinein zu versenken und neue Welten zu erschaffen, wie er selbst sagt.
Dennoch blieb Beethoven Beethoven und erschloss sich von Neuem sehr intensiv. Da klang über zweihundert Jahre alte Musik plötzlich sehr gegenwärtig und berührte unmittelbar. Lisieckis fein differenzierter Anschlag ließ aufhorchen. Auch die leisesten feinsten Töne waren nicht nur sehr deutlich wahrzunehmen, sie entwickelten einen besonders feinen, sensiblen Klang, der in Herz und Seele drang. Wenn Lisiecki Beethovens Klavierkonzerte spielt, entdeckt er immer noch etwas Neues und mit ihm das Publikum. Die Academy of St Martin in the Fields gestaltete mit ihm unter seiner Leitung in gleichem Sinne mit und unterstützte ihn bei dieser grandiosen Interpretation.
Ingrid Gerk