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DRESDEN/ Kulturpalast: „KLÄNGE DES ABSCHIEDS“ – MIT RENÉ PAPE, SEBASTIAN WEIGLE UND DER DRESDNER PHILHARMONIE

18.07.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Kulturpalast: „KLÄNGE DES ABSCHIEDS“ – MIT RENÉ PAPE, SEBASTIAN WEIGLE UND DER DRESDNER PHILHARMONIE– 17.7.2020

René Pape - German Operatic Bass
Rene Pape. Foto: Rene Pape.com

„Abschied ist ein scharfes Schwert …“ sang Roger Whittaker, „es schneid‘t so tief …“ heißt es bei Gustav Mahler. Das war der ernste Grundtenor des letzten Konzertes der Dresdner Philharmonie, das die Corona-bedingt ungewöhnliche Konzertsaison, die nur zum Teil stattfinden konnte, beschloss. Jetzt, gegen Ende, kann das Musikleben wieder aufatmen, muss sich aber auch gleich wieder in die Sommerpause verabschieden, und so verabschiedete sich die Dresdner Philharmonie mit „Klängen des Abschieds“.

Manchem Abschied wohnt der Zauber eines Neuanfangs inne, Bei den hier aufgeführten Kompositionen von Maurice Ravel, Igor Strawinski, Gustav Mahler und Franz Schubert war der Abschied aber tiefgreifender und endgültig. Zeitlich, stilistisch und ästhetisch liegen Welten zwischen diesen Werken, doch ist ihnen eines gemeinsam, der Abschied vom Leben, emotional oder auch sehr direkt.

Als Maurice Ravel schon schwer krank war, verabschiedete er sich vom Leben mit einem Loblied auf das Leben, mit „Don Quichotte à Dulcinée“ für Bass und Orchester, seinem letzten Werk, das die Dresdner Philharmonie mit René Pape als Gesangssolisten unter der Leitung von Sebastian Weigle transparent und ausgewogen, in völliger Übereinstimmung in Duktus und Klanglichkeit darbot.

Von sehr sauber musizierenden Bläsern einleitend dominiert und gegen Ende von den sanften Harmonien der Streicher und Vibraphon, das Ravel hier erst- und einmalig einsetzt, begleitet und untermalt, bildeten Sänger und Orchester eine kongeniale Einheit bei den drei Gesängen „Chanson romanesque“ „Chanson éoiqe“ und „Chanson à boire“. René Pape lotete sie mit wohlklingender Stimme in ihrem spanischen Kolorit aus und bewegte sich auf Rhythmen der baskischen und spanischen Tänze, die diesen Gesängen zugrunde liegen, ohne zum Tanzen gedacht zu sein. Am unmittelbarsten atmete der letzte Satz dieses spanische Kolorit mit Tanz „Jota“.

Ursprünglich für einen Tonfilm mit dem legendären Fjodor Schaljapin als Don Quichote begonnen – die Tonfilmtechnik war damals gerade erfunden -, konnte Ravel infolge seiner mysteriösen Krankheit die Musik nicht rechtzeitig zu Ende bringen und arbeitete sie deshalb für den Konzertsaal als drei Gesänge auf Texte von Paul Morand um, zunächst als Klavier-, dann als Orchesterfassung, die René Pape in völliger Übereinstimmung mit Dirigent und Orchester interpretierte.

Danach verließen die Streicher den Saal, um ihn den 23 Bläsern für die „Symphonies d‘instruments à vent“ („Bläsersinfonien“) von Igor Strawinski, zu überlassen. Angeregt durch einen Zeitungsaufruf (1920) für ein Tombeau (musikalisches „Grabmal“) für den 1918 verstorbenen Claude Debussy sandte Strawinski den Schlusschoral als Klavierfassung ein und erarbeitete eine Fassung für 24 Bläser, die er später (1947) als revidierte Fassung für 23 Instrumente überarbeitete, die auch hier ausgeführt wurde.

Das sehr differenziert eingesetzte Bläserensemble meisterte das relativ kurze, einsätzige Stück mit seinen verschiedenartigen, inhaltlich charakterisierenden, aneinandergereihten Formteilen wie „Glockenmotiv“, „Choralmotiv“, „Tanzmotiv“, „russische Melodien“ und „Pastorale“ mit ihrer vielgestaltigen Rhythmik und unterschiedlichen Klangfarben in so hoher Qualität, ohne Fehl und Tadel und trotz disharmonischer Klänge und ungewöhnlicher Instrumentierung in gegenseitig abgestimmter Harmonie, dass sogar der Dirigent am Ende applaudierte.

Als Gustav Mahler in Weltschmerz und Weltflucht die beiden Gesänge „Ich bin der Welt abhandengekommen“ und „Um Mitternacht“ (zwei von insgesamt fünf Gesängen nach Gedichten von Friedrich Rückert) schrieb, war er nur gedanklich und emotional „der Welt abhandengekommen“, später sollte er es noch schmerzlicher erfahren (Ende seiner Zeit als Operndirektor in Wien und Herzleiden). Wieder fielen die sauberen Bläser mit ihrer sehr feinen Tongebung bei er Einleitung des ersten Gesanges auf, bei dem sich die Singstimme aus der feinfühligen, in schönster Weise transparenten Orchesterbegleitung mit ebenfalls sehr guten Streichern, die ob der auffallend guten Bläser mit besonders schönen Oboen vielleicht weniger beachtet wurden, erhob.

Fast transzendent gestaltete Pape in völliger Übereinstimmung mit dem Orchester „Um Mitternacht“, expressiv und mit feinem Pianissimo, geheimnisvoll verschwebend und schließlich triumphal mit Harfenklängen ausklingend. Es war Mahler vom feinsten, emotional stark berührend in einem genialen Miteinander, einem überaus feinsinnigen Verhältnis von Sänger und Orchester, so dass das Publikum diesen Gesang besonders stark beeindruckt aufnahm.

Erstmals in einem Konzert der Dresdner Philharmonie erklang das „Sinfonische Fragment“ (D 936A) von Franz Schubert. Im Gegensatz zu seiner berühmt gewordenen „Unvollendeten“, der „Sinfonie h‑Moll (D 759), auf die noch die „große“ „C‑Dur-Sinfonie“ (D 944) folgte, dürfte dieses, nur als Partiell erhaltenes Autograph mit großer Wahrscheinlichkeit seine tatsächlich letzte Sinfonie sein, an der er kurz vor seinem allzu frühen Tod gearbeitet hat. In mancher Eigenart erscheint sie wie ein Aufbruch zu etwas völlig Neuem, schon fast eine Nähe zur Musik Gustav Mahlers, wobei auch durch die Rekonstruktion von Brian Newbould ein etwas anderes Bild entstehen mag.

Unverkennbar erscheinen immer wieder typisch Schubertsche Passagen mit der für ihn typischen Heiterkeit, Herzlichkeit und Optimismus. Komponisten früherer Generationen vermochten (wie z. B. auch Mozart) persönliche Schmerzen und Tiefschläge zu ignorieren, sich in eine ideelle, bessere Welt hineinzudenken und die schönsten harmonischen Werke zu hinterlassen, und so war es interessant, dieses letzte Vermächtnis Schuberts kennenzulernen.

Es war ein etwas wehmütiger, nachdenklicher Abschied von der Konzertsaison 2020/21, und doch sollte man optimistisch bleiben, denn letztendlich kann Musik auch sehr viel Trost vermitteln.

Ingrid Gerk

 

 

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