Dresden/Kulturpalast: “IL TABARRO“ (PUCCINI) UND „CAVALLERIA RUSTICANA“ (MASCAGNI) – KONZERTANT– 10.3.2019
Marek Janowski, der 2003 seinen Chefposten bei der Dresdner Philharmonie verließ, weil dem Orchester immer wieder ein neuer Konzertsaal versagt blieb, ist jetzt wieder zurückgekehrt, und der neue Konzertsaal ist auch da. Für eine CD-Aufzeichnung leitete er zwei Konzerte (8.3. und 10.3.) mit der konzertanten Aufführung von zwei Verismo-Einaktern: „Il tabarro“ („Der Mantel“) von Giacomo Puccini (1918) und „Cavalleria rusticana“ („Sizilianische Bauernehre“), Pietro Mascagnis erstem und größtem Erfolg (1890) und gleichzeitig Beginn und einer der Höhepunkte des italienischen Verismo mit seinen wirklichkeitsnahen Szenen aus dem Volksleben. Die Dresdner Philharmonie ist kein Opernorchester, bewältigte aber die etwas andere Aufgabe als reines Konzertorchester mit viel Engagement und Erfolg.
Die tragische Geschichte beider „Kurz-Opern“ nimmt jeweils einen schnellen und unerbittlichen tragischen Verlauf, nur aufgehalten durch die lyrischen Momente inmitten der expressiven Musik. Dem Trend der Zeit folgend, setzte Janowski im dramatischen Kontext mit der Handlung auf sehr starke Kontraste zwischen expressiver Lautstärke, zum Teil mit wild wirbelnder Pauke und laut schmetternden Becken und wenigen lyrischen Momenten, die oft „attacca“ wieder von hart und laut hereinbrechendem Instrumentenklang abrupt abgebrochen und „aufgesogen“ wurden. Selbst das österliche „Glockengeläut“ wirkte durch die harten Röhrenglocken-Schläge schroff und beruhigend.
In den wenigen lyrischen Passagen – wie etwa den sanft einleitenden ersten Takten von „Cavalleria rusticana“ und dem berühmten, rein instrumentalen „Intermezzo“ – entwickelte das Orchester sanfte, emotional bewegende Klangwirkungen. Bei den kleineren und größeren solistischen Passagen kamen die Fähigkeiten einzelner Musiker, wie die der sehr guten Flötistin, zur Geltung. Meist herrschte aber eine extreme Lautstärke vor, die jedoch bei der guten Akustik des neuen Konzertsaales nicht weh tat und die ungeheure Dramatik der beiden Einakter, bei denen es in komprimierter Form in Alltagsgeschichten um Leben und Tod geht, zum Ausdruck bringen sollte. Etwas weniger wäre aber vielleicht doch mehr gewesen.
Das Solisten-Ensemble vereinte sehr gute Sängerinnen und Sänger, die mühelos auch über die lautesten Orchesterpassagen kamen. Sie waren in beiden Einaktern eingesetzt. Die Sopranistin Melody Moore setzte ihre große Spannbreite an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zwischen dramatischer Ekstase und weicher, leidenschaftlich gefühlvoller Lyrik als junge Giorgetta in „Il tabarro“ und als Santuzza in „Cavalleria rusticana“ ein, bis zu der bewussten „Träne in der Stimme“, als sie auf dem Höhepunkt der Verzweiflung angekommen war.
Als junger Löscher Luigi brillierte der Tenor Brian Jagde in „Il tabarro“ und war in „Cavalleria rusticana“ bereits hinter der Bühne sehr gut zu verstehen und erst recht als harter, unerbittlicher Turridu, der seine Geliebte in Unehre verlässt, um sich von seiner einstigen Liebe Lola wieder gefangen nehmen zu lassen – bis zum bitteren Ende durch seinen Tod im Zweikampf, dem ein „Abschied von der Mutter“ voller Leidenschaft vorausging. In der Rolle der Lucia, Torridus Mutter, wirkte die bekannte Mezzosopranistin/Altistin Elisabetta Fiorillo mit, altersgemäß und mit relativ leiser Stimme.
Lester Lynch, Bariton fungierte als Schleppkahn-Führer Michele und zunächst noch fröhlicher Fuhrmann Alfio, der bei ihm weniger fröhlich (wie es der Text aussagt) geriet, und Lolas Mann, der eifersüchtig auf Rache sinnt.
Die kleineren Frauenrollen wie „Frettchen“, Talpas Frau auf dem Schleppkahn und Lola, Alfios Frau und Torridus Geliebte, hatte die Mezzosopranistin Roxana Constantinescu übernommen, wo sie nur wenig Gelegenheit zur Entfaltung hatte. In weiteren Rollen wirkten in „Il tabarro“ mit: Martin-Jan Nijhof, Simeon Esper, Khanyiso Gwenxane, u. a.
Der sehr diszipliniert singende MDR Rundfunkchor war von Jörn Hinnerk Andresen, der für seine sehr gute Arbeit als Chordirektor des Sächsischen Staatsopernchores bekannt ist, einstudiert worden.
Es wurde in italienischer Sprache gesungen – mit deutschen Übertiteln. Die Auf- und Abgänge der Sänger markierten die Handlung. Ohne (Ver-)Inszenierung konnte man sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren und in der Fantasie die ursprüngliche Handlung entstehen lassen.
Ingrid Gerk