Dresden/Kulturpalast: HAYDN UND BEETHOVEN IM „WEIHNACHTSKONZERT“ DER DRESDNER PHILHARMONIE – 26.12.2022
„Musik für alle“ auf hohem künstlerischem Niveau, für jedes Alter und alle Ansprüche mit Blick über den musikalischen Tellerrand hinaus, das ist der Anspruch, dem sich die Dresdner Philharmonie stellt und sich deshalb großer Beliebtheit bei der Dresdner Bevölkerung und Gästen der Stadt erfreuen kann. In diesem Sinn enthielt das dreimal durchgeführte „Weihnachtskonzert“ an den beiden Feiertagen zwei sehr ansprechende, niveauvolle, populäre Werke, das „Trompetenkonzert Es-Dur“ von Joseph Haydn und die „Sinfonie Nr. 3 Es‑Dur“, die „Eroica“ von Ludwig van Beethoven.
Es war alles sehr hübsch gedacht. Von der Saaldecke hingen Herrnhuter Sterne, um weihnachtlich einzustimmen. Mit dem Dirigenten betraten zwei Kinder die Bühne als „Hänsel und Gretel“. Unter der Leitung von Markus Stenz stimmte die Bläsergruppe des Orchesters als Entree des Konzertes den Schluss des 2. Aktes aus der gleichnamigen Märchenoper von Engelbert Humperdinck an, in die das übrige Orchester einfühlsam einstimmte. Von der Chor-Empore sang eine jugendliche Stimme: „Der kleine Sandmann bin ich“ und danach, die beiden Kinder, am Bühnenrand sitzend, „Abends will ich schlafen gehn“.
Bühnenauftritte von Kindern haben immer etwas Berührendes, zumal, wenn sie solche Ohrwürmer singen. Die Kinder vom Philharmonischen Kinderchor Dresden hatten Gelegenheit, solistische Erfahrungen zu sammeln. Sie sangen auch erstaunlich sicher und tonrein, aber trotz ausgezeichneter Akustik des Konzertsaales und, obwohl das Publikum mucksmäuschenstill lauschte, waren die zarten Stimmen in dem großen, voll besetzten Saal nur sehr leise wahrzunehmen – eigentlich schade, man hatte wahrscheinlich auch seitens der Ausführende eine stärkere Wirkung erwartet. Das Orchester wartete danach unter anderem mit zwei schönen Flöten und sauberen, zuweilen weniger sanften Bläsern und Pauke mit der „Traumpantomime“ (bei der einst an der Bayrischen Staatsoper München tatsächlich alle 14 Englein auf der Bühne erschienen) auf.
Festlichen Glanz verlieh danach das „Trompetenkonzert Es‑Dur von Joseph Haydn mit Christian Höcherl als Solist, Koordinierter Solotrompeter der Dresdner Philharmonie, der schon in verschiedenen namhaften Orchestern mitgewirkt hat und auch mehrfach solistisch aufgetreten ist. Mit großer Kantilene, sauberer Tongebung, lockeren Trillern, zahlreichen Auszierungen und vor allem großer Klarheit brachte er das 1796 komponierte, auch gegenwärtig immer wieder sehr ansprechende und anspruchsvolle Solokonzert zum Klingen. Haydn nutzt darin alle Möglichkeiten, die die neue Technik damals bot. Es erregte bei der Uraufführung (28.3.1800) in Wien vermutlich großes Aufsehen und schrieb Musikgeschichte.
Anton Weidinger, Trompetenvirtuose und Erfinder hatte nach Jahren intensiven Suchens und Probierens aus der bis dahin nur bekannten Naturtrompete durch Einführung neuartiger Klappen die erste voll chromatische Trompete als vollwertiges Melodieinstrument entwickelt und spielte den Solopart. Für die Präsentation seiner Erfindung hatte er neben anderen namhaften Komponisten auch bei Haydn ein Konzert in Auftrag gegeben, das vier Jahre eher fertig war, als die neue Erfindung perfekt. Wenig später kamen Ventile hinzu, wodurch das Intrument zu dem wurde, wie wir es jetzt kennen.
Höcherl brachte alle technischen Raffinessen und Feinheiten mit Trompetenglanz zur Geltung. Das Orchester umspielte den Solopart und musizierte gemeinsam mit ihm oder präsentierte sich in instrumentalem „Eigenleben“ teils geschmeidig, teils mit kräftigerer Tongebung, aber ganz in der Diktion, wie man sie bei Haydn kennt und schätzt. Besonders beeindruckte das, mit viel Innigkeit und Hingabe musizierte, „Adagio“ und das mitreißende „Rondo“ am Schluss dieses musizierfreudigen letzten Solokonzetes von Haydn.
Sehr oft (vielleicht schon zu oft), steht die „Sinfonie Nr. 3 Es‑Dur“, die „Eroica“ von Ludwig van Beethovens bei großen und auch kleineren Orchester auf den Konzertprogrammen, aber wenn man sie hört, ist man doch immer wieder sehr angetan von dem Erfindungsreichtum und der Ausdruckskraft, die darin zum Ausdruck kommt. Mit diesem „Klassiker“ demonstriert Beethoven gleich mehrere neue Möglichkeiten der ganzen Gattung „Sinfonie“ hinsichtlich Länge, Komplexität und klanglicher Vielfalt. Ob Sie nun vor dem Hintergrund ihrer Entstehung, bei der Beethoven in Napoleon den Hoffnungsträger für eine neue Zeit sah und dann enttäuscht, die Widmung zerriss, als „heroische Musik“ gehört wird, ist weniger relevant. Es ist wunderbare Musik, die immer wieder begeistert, vor allem wenn sie mit solcher Transparenz, so klangschön, mit wunderbar warmem Ton und Emotionalität wiedergegeben wird, wie durch die Philharmoniker, bei denen kein Ton, keine Nuance verlorenging.
Dem gegenwärtigen Trend entsprechend, schlug Stenz ein rasches Tempo an, aber nicht übereilt, und pendelte gelegentlich zwischen den Lautstärke-Extremen, forcierte bis zum extremen Fortissimo und strebte ein kaum noch hörbares Pianissimo in langsamen, leisen, emotionsreichen Passagen an, vor denen er zweimal eine Art „Generalpause“ einführte. Als Gesamteindruck aber blieb das besondere, farbenreiche Klangerlebnis und die sehr plastische, emotionsreiche Wiedergabe.
Dass nach jedem Satz applaudiert wurde, erinnerte daran, dass nicht nur Kenner im Saal saßen, sondern auch Besucher, die nur gelegentlich ein Konzert genießen möchten – warum auch nicht? Nur dass sie unbelehrbar sind, trübt etwas den Gesamteindruck, aber daran muss man sich wohl gewöhnen.
Ingrid Gerk