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DRESDEN/ Kulturpalast: GAUTIER CAPUCON UND DANIIL TRIFONOV IM KAMMERKONZERT – REZITAL

12.02.2024 | Konzert/Liederabende

 

 

Dresden/Kulturpalast: GAUTIER CAPUCON UND DANIIL TRIFONOV IM KAMMERKONZERT – REZITAL11.2.2024

gertz
Copyright: Killing

 Zwei „Giganten“ der gegenwärtigen Musikszene, Stars ohne Starallüren, fanden sich auf Einladung der Dresdner Philharmonie zu einem Kammerkonzert der Extraklasse zusammen. Gautier Capuçon, in dieser Saison Artist in Residence des Orchesters, und Daniil Trifonov verbindet nicht nur ihre Liebe zur Musik, sondern auch eine persönliche Freundschaft. Selbst das Programm für ihr Rezital schien einen persönlichen Bezug auszustrahlen. Sie hatten drei, zwischen 1901 und 1951 entstandene, Sonaten für Violoncello und Klavier ausgewählt, aus einer Zeit der Umbrüche, Umwälzungen und Unsicherheiten, Werke von Komponisten französischer und russischer Herkunft, die ihnen besonders nahe sind.

 Bei der „Sonate für Violoncello und Klavier d‑Moll“ (1951) aus einem Zyklus von sechs Sonaten für verschiedene Instrumente, den Claude Debussy drei Jahre vor seinem Tod begann und von denen er nur drei vollenden konnte, betonte vor allem Capuçon die bewusste Abgrenzung des Komponisten von der Musik der deutschen Romantik und Hinwendung zur Tradition der französischen Barockmusik, die sich bereits in den ungewöhnlichen Satzbezeichnungen, wie „Prologue“, „Lent“, „Serenade et Finale“ und „Modérément-Animé“ ausdrückt, und nicht die bei Debussy gewohnte Eleganz und Poesie der „Musique française. Trifonow erwies sich hier in seiner sehr vielseitigen, sehr anpassungsfähigen Art auch als idealer, sehr beeindruckender „Begleiter“ und vor allem Mitgestalter.

Die „Sonate für Violoncello und Klavier C‑Dur“ (1949), die Sergei Prokofjew in enger Zusammenarbeit mit Mstislaw Rostropowitsch schrieb, der sich für den Klavierpart immer Swjatoslaw Richter wünschte, stand auch hier ganz im Zeichen der Harmonie zwischen beiden Musikern und des absoluten Verstehens in der Musik. Sie brachten den lyrischen, eher verträumten Charakter der Sonate, die ohne die Motorik und sogenannten „Barbarismen“ ihrer Entstehungszeit auskommt, zum sehr harmonischen Klingen, Capuçon auf seinem Cello von Antonio Stradivari sachlich-virtuos, Trifonov im immer gleichberechtigten, dialogisierenden Klavierpart mit seinen anschlagstechnischen und ausdrucksfähigen Tugenden.

In einem ungewöhnlichen, allmählichen Anwachsen des Tempos vom ersten bis zum letzten Satz, überrascht bei Prokofjew der mittlere, eingebettet in den ersten (Andante Grave) und dritten Satz (Allegro ma non troppo) mit ihren ruhigen, lyrischen Stimmungen, durch heitere Ausgelassenheit, immer neue Melodien und der Art typischer Musik für Kinder voller Verschmitztheit und Frische, die in bezaubernder Einfachheit auch an „Peter und der Wolf“ erinnert.

Zum Höhepunkt des Abends gestaltete sich die „Sonate für Violoncello und Klavier g‑Moll“ (1901) von Sergei Rachmaninow, seine erste und einzige Cello-Sonate. Er schrieb sie als Geschenk für seinen Arzt und Hypnotiseur, der ihn aus einer tiefen Schaffenskrise befreite, was ihn schließlich vom Schatten zum Licht, vom Misserfolg zum Welterfolg führte. Jeder der vier, für die Romantik typischen Sätze der Sonate mit seinem spezifischen Charakter wurde zum musikalischen Erlebnis besonderer Art. Hier kamen Trifonovs außergewöhnliche Fähigkeiten zum Ausdruck, sein geschmeidiger, klingender Anschlag, sein feines Piano, aber auch seine ausdrucksstarke Gestaltung, denn Rachmaninow betrachtete die Rolle des Klaviers nicht nur als Begleitung, sondern als gleichwertig mit dem Cello. Die meisten Themen werden vom Klavier eingeleitet und vom Cello ausgeschmückt und erweitert, was Trifonov die Möglichkeit ein- und ausdrucksvoller (Mit-)Gestaltung gab.

Selbst die beiden Zugaben als Dank für den enthusiastischen Applaus des Publikums im schon lange vorher ausverkauften Konzertsaal des Kulturpalastes mit seinen 1760 Plätzen passten in dieses Zeit- und Kompositionsraster, die äußerst eindrucksvoll und einschmeichelnd gespielte „Vocalise“ (op. 34, Nr. 14) von Rachmaninow und der „Tanz der Ritter“ aus dem Ballett „Romeo und Julia“ von Prokofjew mit seiner markanten, synkopischen, sehr eingängigen Melodik in einer Bearbeitung für Cello und Klavier von Jérôme Ducros.

Trotz der Größe des Saales, der selbst für Kammermusik mit einer fantastischen Akustik aufwartet, war es ein Ereignis, die beiden ganz Großen der Konzertszene gemeinsam in einem intimeren Rahmen zu erleben, wo das Können und künstlerische Vermögen der Ausführenden „pur“ zu erkennen ist – ein unvergesslicher Abend, bei dem beide Künstler ihr Können nicht auffällig, nicht spektakulär, aber umso eindrucksvoller gemeinsam ganz im Dienste der Komponisten und ihrer kammermusikalischen Werke präsentierten.

Ingrid Gerk

 

 

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