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DRESDEN/ Kulturpalast: EURYANTHE von C.M.Weber – konzertant

22.01.2018 | Oper

Dresden / Kulturpalast: EINE KONZERTANTE „EURYANTHE“ VON CARL MARIA VON WEBER – 19. u. 21.1.2018

Wohl jeder kennt den „Freischütz“ von Carl Maria von Weber, aber von seinen anderen neun Opern bestenfalls noch „Oberon“ und die Ouvertüre zur „Euryanthe“. Nachdem der „Freischütz“ große Popularität erfuhr, wollte Weber mit der „Euryanthe“ sein bestes Werk schaffen, das aber von dem schwachen Librettos von Helmina von Chézy (1783-1856) beeinträchtigt wurde. Sie war seinerzeit eine sehr bekannte Schriftstellerin, die auch das Textbuch zu Franz Schuberts „Rosamunde“ schrieb, aber damit letztendlich für zwei Bühnenmisserfolge sorgte, um deren Musik es schade ist. Nur mit sehr guten Sängerinnen und Dirigenten war der „Euryanthe“ zunächst ein gewisser Erfolg beschieden, wirklich durchsetzen aber konnte sie sich danach nicht.

Weber war seinerzeit schon nicht sonderlich mit dem Libretto zufrieden und hat selbst manches daran verändert, aber das gesamte Sujet, nach dem damaligen Geschmack im Mittelalter angesiedelt (im Jahr 1110), bei dem eine unglückliche Gräfin namens Euryanthe zu Unrecht bezichtigt wird, ihren  Gatten betrogen zu haben, was sie nicht erträgt und (schein‑)tot zu Boden sinkt, um am Ende doch noch per Happy end gerettet zu werden, und die etwas verworrene, umständliche und kaum bühnenwirksame Handlung konnten vor den Augen der Nachwelt nicht bestehen.

Es gab immer wieder Versuche, das Werk szenisch auf die Bühne zu bringen, u. a. an der Semperoper (Premiere 2006) und 1954 an der Württembergischen Staatoper Stuttgart mit einer Neubearbeitung des Librettos. Wegen der Handlung und des schwachen Textes bietet sich eine konzertante Aufführung an, bei der die Musik ohne Ablenkung durch eine eigenwillige Inszenierung voll zur Geltung kommen kann. Die Musik, da sind sich die Experten einig, ist noch besser als die des „Freischütz“. Es gibt Parallelen, wie den Jägerchor, aber vor allem harmonische Kühnheiten, die bereits weit in die Zukunft weisen und die kein Geringerer als Richard Wagner, der Webers Opern „vergötterte“ aufgriff und zu seinem Personalstil weiterentwickelte, was am deutlichsten im „Lohengrin“ in Erscheinung tritt. Euryanthe wurde zu Elsa und König Ludwig zu König Heinrich. Die Gestalt des Adolar wurde zu Lohengrin verklärt, und das Paar Ortrud – Telramund musikalisch entsprechend dem Paar Eglantine – Lysiart gestaltet.

Für eine zweimalige konzertante Aufführung der „Euryanthe“ kehrte nun der ehemalige Chefdirigent der Dresdner Philharmonie (2001 bis 2003), Marek Janowski, der das Orchester aus Frust über das Hin und Her der Stadt Dresden beim Streit um einen neuen, dringend benötigten Konzertsaal verließ, nach seinem großen Erfolg mit Bruckners „Neunter“ (21.1.2018) erneut in den neuen (umgebauten), alten, viel gelobten Konzertsaal im Kulturpalast zurück. Er hat ein besonderes Verhältnis zu dieser Oper. Die Ersteinspielung 1974 mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden war sein erstes Dirigat jenseits des „Eisernen Vorhanges“.

Unter seiner Leitung konnte man sich nun über ca. 3 Stunden (mit Pause) voll auf die Musik konzentrieren. Der MDR Rundfunkchor, Europas größter Rundfunkchor und einer der besten, sorgte in der Einstudierung von Hannes Reich, dem künstlerischen Leiter des Freiburger Bachchores und des Bosch-Sinfonieorchesters in Stuttgart und Gewinner des Deutschen Chordirigentenpreises, bereits bei seinem ersten Einsatz des mit wunderbarer Klarheit und Klangschönheit singenden Frauenchores, dem der kräftige Männerchor und schließlich der gesamte gemischte Chor folgten, für ein erstes Highlight, dem weitere folgten.

Die Dresdner Philharmonie spielte prächtig und klangschön, meist aber unter Janowskis Leitung, abgesehen von einigen besonders feinsinnigen. besonders klangvollen Passagen und schönen solistischen Instrumentalteilen der innigen Flöten, sehr sauberen Hörner und guten Posaunen, kraftvoll und hochdramatisch, so dass die Solisten alles gaben, um wie bei einer Wagner-Oper mit erstaunlicher Kondition, Sicherheit in allen Tonlagen und großer Klarheit über das Orchester zu kommen und ihre Partie makellos zu interpretieren.

Die „Wagnersche Komponente“ der Musik dominierte, weniger die spezifisch „Webersche“ und schon gar nicht die „Mozartsche“, auf der Weber aufbaute. Chor und Orchester korrespondierten trotz räumlicher Entfernung in wunderbarer Übereinstimmung und musizierten wie mit einem Atem, so dass die gesamte Aufführung der „Großen romantischen Oper in drei Aufzügen“ wie aus „einem Guss“ gelang (ohne die leidigen „kleinen Umordnungspausen“ bei anderen Orchestern und Dirigenten). Die Solisten kamen und gingen in einer guten „Regie“ bei ihren Auftritten lautlos durch die Türen, die als dezentes Gestaltungselement mit beinbezogen waren.

Steven Humes war als König Ludwig in angemessener Entfernung auf der obersten Stufe des Orchesterpodiums postiert, um die Distanz zu „seinen Untertanen“ anzudeuten, und stellte mit profunder Stimme, Kraft und schöner Tiefe, mit innerer Ruhe und Ausgeglichenheit einen  würdevollen Herrscher dar, der immer im richtigen Moment eingreift.

Emily Magee ließ als Euryanthe von Savoyen bei aller Wagnerschen Vehemenz auch etwas von der historischen Stellung der Musik zwischen Mozart und Wagner anklingen, im ersten Akt noch selbstbewusst in ihrer adligen Gesellschaftsstellung mit kraftvoller Stimme, später, der Rolle entsprechend, in Haltung und Gesang zurückhaltender, inniger, unschuldig leidend und gebrochen. Mit kleinen Gesten, einem zielgerichteten Blick, einer wohlüberlegten Bewegung, mit denen sie viel „zu sagen“ vermochte, deutete sie dezent einen leicht szenischen Bezug an, und letztendlich unterstrich auch ihr schlichtes, schwarzes Kleid optisch die Situation.

Im voluminösen golddurchwirkten schwarzen „Königsmantel“ erschien Chatherine Forster als ihre heimtückische Widersacherin, Eglantine von Puiset, mit großer, kraftvoller Stimme, ausdrucksstark und mit triumphierender Dominanz, wie sie der Rolle einer anmaßenden, machtsüchtigen Intrigantin zugeordnet werden kann.

Für den erkrankten Christian Elsner war der österreichische Tenor Bernhard Berchtold als Adolar, Graf zu Nevers, eingesprungen, der durch sehr klare Textdeklamation auffiel und sich vor allem in der 2. Hälfte der Aufführung profilierte. Egils Silins war der stimmgewaltige Lysiart, Graf zu Forest.

 Es war eine in sich geschlossene Aufführung voller Dramatik in großartigem Zusammenwirken von Dirigent, Solisten, Chor und Orchester. Der jetzt 79jährige Janowski ist begeistert von der Akustik des neuen, alten Saales. Vielleicht kann man in Dresden noch einiges von ihm erwarten.

Ingrid Gerk

 

 

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