Dresden / Kulturpalast: „DIE WALKÜRE“
Konzertante Aufführung am 02.10.2022
Catherine Foster. Foto: H.C.Fischer
Auf den Tag wie bereits vor einem Jahr in der Berliner Philharmonie nahm ich den Geburtstag u.a. meines Partners zum Anlass „Die Walküre“ von Richard Wagner in Dresden zu besuchen. Nach dem üblichen Nervenkitzel der DB-Verspätungen trafen wir 2 Stunden vor Beginn der konzertanten Aufführung im Hotel ein, nach kurzer Rast sodann in freudiger Erwartung ab zum Kulturpalast quasi um die Ecke gepilgert, dort wartete eine neue Überraschung: die akkreditierten Karten lagen nicht vor, doch die reizende Dame an der Kasse schuf unkompliziert Abhilfe. Hereinspaziert in die Menagerie das Spiel konnte beginnen. Nun gestehe ich ohne Schamesröte konzertante „Inszenierungen“ zu lieben, dank grandioser Sänger-Darsteller*innen wurde die Aufführung zum besonderen Erlebnis und natürlich ganz besonders des Verdienstes von Marek Janowski am Pult der phänomenalen Dresdner Philharmonie wegen. Natürlich hatte ich vor Antritt der Reise meiner CD-Diskographie die legendäre Ring-Einspielung von 1980-83 des Dirigat-Grandseigneurs entnommen und gehört, nun schließt sich offenbar der Kreis mit einer erneuten Live-Aufnahme des exzellenten Dirigenten. Unwillkürlich gab ich mich bereits Gedankenspielen hin noch Siegfried oder Götterdämmerung zu besuchen, aber die lange Anreise…. Bedenken will ich´s, wer weiß was ich tue?
Schon sehr verwunderlich erscheint mir altem Hasen die Tatsache, dass es bezüglich Interpretationen nach hundertfach erlebten Aufführungen eines Werkes noch immer Steigerungen möglich sind, denn Maestro Marek Janowski mit seinen Dresdner Philharmonikern servierte akustisch-orchestrale Delikatesse par excellence. Ein instrumentales Klangbild höchster Qualität, dynamische Expansionen in brillanter Präzision der strukturellen Kombinationen verwöhnten die Ohren auf wunderbare Weise. In bester Manier geleitete der versierte Dirigent sein prächtig disponiertes und hervorragend musizierendes Orchester durch die wundervolle motivische Wagner-Partitur, formte individuelle geschlossene musikalische Perspektiven voll Wärme und Sentiment. Bereits zur gewittrigen Einleitung, dem spannungsvoll elektrisierenden Knistern des ersten Aufzugs wurde instrumental gewahr, was diese geniale Komposition so reizvoll macht. Aufgelichtete Impressionen intimer Sphären durchwebten die Monologe und Zwiegespräche der Folgeakte, prächtig leuchteten Details der zugespitzten Instrumental-Formationen in vorzüglichem Kontrast der orchestralen Ausbrüche der brillanten Bläserfraktionen zu den herrlich innigen Passagen der vollen warmen Streicherklänge. Zudem erwies sich der bescheiden-sympathische Pult-Magier als hervorragender Sängerbegleiter, trug sein internationales Solistenteam regelrecht auf Händen.
Die inzwischen zur weltbesten Hochdramatischen avancierten Sopranistin Catherine Foster war einer Gottestochter mehr als würdig. Nun war mir während des letzten Jahrzehnts das große Glück beschieden, die exzellente Künstlerin in diversen Partien dutzendfach zu erleben und wie bereits erwähnt, erfasste es mich mit unbändigem Staunen die Erkenntnis, dass der vokale Zenit dieser wandlungsfähigen Sängerin noch längst nicht erreicht. In bewundernswerter Noblesse und Bravour „verkörperte“ Catherine Foster Wotans Wunschmaid, zog in darstellerischer Intensität das Publikum in ihren Bann, sang frei agierend ohne Noten im Gegensatz zu allen Solist*innen, die tiefbewegende Todesverkündigung erklang vom Orchester-Seitenrang. Weich strömend floss ihr farbenreicher Sopran dahin, sensibel entfaltete sich das Goldtimbre mit Charisma in vokaler Natürlichkeit. Da blieb kein Ton dem Zufall überlassen, Frau Foster demonstrierte faszinierende Flexibilität und überwältigende Intonation gleichwohl in prächtig klangvollen Höhenaufschwüngen wie konträr zu zarten Piani. Beispiellose Attribute beglückendem Wagner-Gesang vereinte die Ausnahme-Sängerin mit berührend-intensiver Darstellung auf sehr hohem Niveau. Um Wotan zu zitieren heute hast du´s erlebt.
Ließ sich so mancher Göttervater zu weniger melodischem Sprechgesang verleiten, nicht so Egils Silins. Der lettische international renommierte Bassbariton erwies sich als ehrenvoller Göttervater und präsentierte einen vokal prächtigen Wotan von enormer Ausdruckskraft. Mühelos bündelte der versierte Sänger vokale Reserven und führte sein schönstimmiges Material auch emotional bis ins Extreme, adelte die kräftezehrenden Monologe mit vortrefflicher Intonation zu akzentfreier Deklamation. Gleichwohl paarte der intelligente Sänger in musikalischer Gestaltung ruhige Passagen voll sinnlicher Wärme mit markanten Höhenattacken der Charakterkonturierung.
Vincent Wolfsteiner während der letzten Jahre meinerseits als hochgeschätzter Tristan, Siegmund und Strauss-Sänger mehrmals bewundert sang heute den Wälsungen und überraschte mit einem vokal jugendlichen Siegmund. Voluminös, bestens timbriert brachte der engagierte Tenor sein hell strahlendes Edelmetall zum Erblühen, war stimmlich in jeder Hinsicht eines Götter-Sprosses würdig.
Mit jugendlich-dramatischen Tönen versah Emily Magee ihre ebenso darstellerisch bewegende Sieglinde. Warme frauliche Töne unterstrichen in großartiger Steigerung und strahlenden Höhenformation die Vorzüge ihres schön timbrierten Soprans.
Metallisch gleißende Töne zu teils dunklen Couleurs waren Marina Prudenskaya zu eigen und verspielte als Fricka auch ihre vokalen Sympathien, hatte ich die Mezzosopranistin in bisher diversen Partien erlebt in bester Erinnerung schmeichelte die Stimme heute in keiner Weise meinem Gehör.
Mit stählernem mächtigem Basspotenzial spröde vorgetragen erwies sich der Hunding von Tareq Nazmi im vokalen Walhall als untauglich.
In stimmlicher Potenz doch differenzierter Qualität erscholl das Walküren-Oktett Hailey Clark, Magdalena Hinterdobler, Marina Prudenskaya, Christel Loetzsch, Regine Hangler, Valentina Kutzarova, Christina Bock, Roxana Constantinescu vom Seitenrang.
Nach einer halben Ewigkeit in besinnlichem Verharren erhob sich das Publikum spontan, bedachte alle Mitwirkenden mit lautstarken Ovationen sowie über zehn Minuten mit prasselndem Applaus. Ein unvergesslicher Abend dürfte in meine persönlichen Annalen eingehen, wird im Leporello mit 5* bedacht.
Gerhard Hoffmann