Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/ Kulturpalast: DANIEL MÜLLER SCHOTT BEI DER DRESDNER PHILHARMONIE

08.12.2017 | Konzert/Liederabende

Dresden / Kulturpalast: DANIEL MÜLLER-SCHOTT BEI DER DRESDNER PHILHARMONIE – 7.12.2017

Chefdirigent Michael Sanderling hatte sich mit der Dresdner Philharmonie vor allem für Werke von Robert Schumann entschieden, die etwa dreiviertel des Programmes ausmachten. Eröffnet wurde das Konzert mit Auszügen aus seinem Klavierzyklus „Carnaval“ (op. 9), instrumentiert von einem Petersburger Komponistenzirkel für eine Ballettaufführung der Ballets Russes in Berlin 1910. In einer „poetischen, übermütigen, unberechenbaren Folge pianistischer Miniaturen“ setzt sich Schumann darin mit seiner widersprüchlichen Natur mit den „zwei Seelen, die ach, in seiner Brust wohnen“ (1834/35) auseinander, mit einer leidenschaftlichen, streitbaren, vorwärtsdrängenden, fortschrittsgläubigen „Beethovenschen Charakterseite“ und einer eher sanftmütigen, „Mozartschen“.

Aus der instrumentierten Fassung wurden fünf, von drei Professoren des Petersburger Konservatoriums instrumentierte Teile aufgeführt: „Préambule“ in der fast ins „Heldenhafte“ transponierten Orchesterfassung von Alexander Glasunow, der auch “Chopin“ instrumentierte, als pompöser Konzertauftakt, „Marche des ‚Davidsbündler‘ contre les Philistins“, wie auch „Pause“, von Wassily Kalafati instrumentiert, als „siegreicher“ Abschluss und „Estella“ in der Orchesterfassung des Klavierpädagogen Alexander Winkler. Zweifellos hat diese verfremdende Fassung auch ihren Reiz, und sei es nur das Interesse am Historischen, auch wenn sie dem Original einen anderen Charakter verleiht und meines Erachtens die Klavierfassung Schumanns Intentionen viel näher bringt. Dem Publikum jedoch hat Sanderlings euphorische Wiedergabe sehr gefallen.

Mit Euphorie und viel Temperament erklang danach Schumanns „Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97, die „Rheinische“, die viel hoffnungsvolle Freude ausstrahlt und, 1850 komponiert, nachdem Schumann die Stelle des Städtischen Musikdirektors in Düsseldorf angetreten hatte, sein tragisches Ende noch nicht ahnen lässt. Nach dem sehr lebhaft, lautstark und schwungvoll, voller Energie interpretierten 1. Satz folgte der sanftere 2. Satz, ein gemächliches „Scherzo“ mit folkloristischen Anklängen und besonders feinsinnig „getupftem“ Schluss. Der lebhafte 3. Satz wurde ebenfalls in seiner Schönheit und Melodik in seinem kammermusikalischen Charakter ausgeschöpft, ebenso der in seiner Melancholie, mit seinem choralartigen Thema an eine Zeremonie erinnernde, 4. Satz. Im frisch und lebhaft musizierten 5. Satz brach sich dann wieder Heiterkeit und überschwängliche Lebensfreude Bahn. Schöne Streicher, gute Bläser und ein guter Paukist, der seine Funktion versteht und sinnvoll, immer in genau richtiger Intensität die Akzente setzte, verliehen der Wiedergabe dieser Sinfonie einen sehr ansprechenden und beeindruckenden Charakter.

Zum Höhepunkt des Konzertes wurde das im gleichen Jahr entstandene und ebenso unbeschwerte Heiterkeit vermittelnde „Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll (op. 129) mit dem Ausnahme-Cellisten Daniel Müller-Schott. Von Anfang bis Ende „sang“ sein Cello mit großem, warmem Ton, präsentierte er sein souveränes technisches Können, das für ihn selbstverständlich und Grundlage für eine außergewöhnliche Gestaltung ist, die er ganz in den Dienst der Komposition und der Intentionen des Komponisten stellt. Er vertiefte sich ganz in die Musik. Seine enorme Virtuosität ist nie vordergründig. Man spürt sie mehr unbewusst. Sanderling orientierte auf eine entsprechend zurückhaltende Orchesterbegleitung und ließ nur in „cellofreien“ Passagen das Orchester temperamentvoll aufblühen.

In einer brillanten, sehr virtuosen Zugabe kam sein ganz persönlicher Musizierstil, sein großes Können noch einmal voll zur Geltung, u. a., mit solch virtuosen Künsten wie chromatischer Abwärtsbewegung und feinstem Glissando.

Danach hätte man eigentlich nichts mehr gebraucht, aber Sanderling stürzte sich mit dem Orchester noch einmal ins volle Menschenleben und „musikalische Narrentreiben“ bei der relativ selten zu hörenden Konzertouvertüre „Karneval“ op. 92 (1891) von Antonín Dvořák als Pendant zu Robert Schumann „Carnaval“. Dvořák bleibt auch hier von schwermütigen Gedanken nicht verschont, ein leichter Anklang an sein Requiem, der Ernst des Lebens inmitten aller Heiterkeit, ein „tönendes Memento mori“, nachdenklich und mit gutem Klang wiedergegeben von der Dresdner Philharmonie.

Der Gedanke an eine leichte Ironie „des Schicksals“ konnte nicht verborgen bleiben. Obwohl in der Adventszeit ganz andere Werker erwartet, umschlossen zwei Kompositionen des Karneval (zwischen Karnevals-Eröffnung am 11.11. und Fasching im nächsten Jahr) aus Sicht zweier Komponisten, die beide der Romantik zuzuordnen sind, zwei heitere Werke. Der moderne Mensch nimmt das eben nicht mehr so ernst, denn vielseitig ist das Leben.

Ingrid Gerk

 

Diese Seite drucken