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DRESDEN/ Kulturpalast: ABSCHIEDSKONZERT“ VON MAREK JANOWSKI ALS CHEFDIRIGENT DER DRESDNER PHILHARMONIE UND AUSSICHT AUF EIN WIEDERSEHEN ALS GAST

04.07.2023 | Konzert/Liederabende

Dresden/Kulturpalast: „ABSCHIEDSKONZERT“ VON MAREK JANOWSKI ALS CHEFDIRIGENT DER DRESDNER PHILHARMONIE UND AUSSICHT AUF EIN WIEDERSEHEN ALS GAST2.7.2023

janows
Copyright: Dresdener Philharmonie

 Mit Anton Bruckners „Fünfter Sinfonie“ und „Les Iluminations“ von Benjamin Britten verabschiedete sich Marek Janowski auf eigenen Wunsch (84jährig) als Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Dresdner Philharmonie, ein Amt, das er von 2019 bis 2023 begleitete, nachdem er es schon einmal von 2001 bis 2004 inne hatte, aber mit Konsequenz verließ, weil der ihm versprochene Umbau des Kulturpalast-Konzertsaales auf Eis gelegt wurde. Schließlich kam der „akustisch phänomenale“ Konzertsaal (Janowski) doch noch, und Janowski, der sich seit fast 50 Jahren Dresden verbunden fühlt, kam zurück. Er war es auch, der die, alle Erwartungen übertreffende Akustik des Saales mit seinen Aufführungen bekannt machte.

Wie eine Klammer schließen sich die Jahre seines Wirkens, die von intensiver musikalisch-künstlerischer Zusammenarbeit bei zahlreichen herausragenden ungewöhnlichen und anspruchsvollen Programmen, Tonaufnahmen und konzertanten Opernaufführungen geprägt waren, um eine wichtige Phase der Entwicklung der Dresdner Philharmonie, die jetzt in einem hervorragenden klanglichen Zustand auf seinen Impulsen, den Herausforderungen und Erfahrungen aufbauen und viel aus der gemeinsamen Zeit in die Zukunft mitnehmen kann.

Obwohl sich Janowski von der Opernbühne zurückgezogen hatte, gab es allein in den letzten vier Jahren herausragende konzertante Opern-Aufführungen mit der Dresdner Philharmonie, wie „Euryanthe“ von C. M. v. Weber (2018), „Il Tabarro“ („Der Mantel“) / „Cavalleria rusticana“ von G. Puccini / P. Mascagni (2019) und den „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner im Herbst 2022, für den es allein 78 Proben (!) gab. Er hat sich in die Annalen der Dresdner Philharmonie und des Dresdner Musiklebens eingeschrieben und allgemein einen neuen Weg der Wagner-Interpretation gewiesen.

Bei seinen Konzertprogrammen orientierte Janowski nicht nur auf erstklassige Konzerterlebnisse für das Publikum, sondern auch auf die Entwicklung des Orchesters. Da er Kontraste liebt, hatte er auch für sein Abschiedskonzert zwei gegensätzliche Werke gewählt und Bruckners „Fünfter“ neun Gesänge aus den „Illuminations“ von Benjamin Britten vorangestellt, Vertonungen aus den 44 ungewöhnlichen, exzentrischen, aber sehr poetischen Vers- und Prosagedichten des französischen Dichters Arthur Rimbaud (1854-1891), der nur 37jährig nach einem turbulenten Leben als Dichter, Abenteurer, Fremdenlegionär, Kaffee- und Sklavenhändler starb.

Sie wurden 1940 in der Londoner Aeolian Hall von der Widmungsträgerin, der englischen Sopranistin Sophie Wyss uraufgeführt und erlangten große Popularität. Später wurden sie auch von Tenören, unter anderem dem britischen Opernsänger und langjährigen Lebensgefährten des Komponisten, Peter Pears, gesungen, wirken aber „so viel sinnlicher, wenn es von der Sopranstimme gesungen wird, für die die Lieder konzipiert wurden“ bemerkte Brittens Biograf David Matthews.

Das reichlich 20minütige Werk beginnt mit einem einzigen, im Zyklus dreimal gesungenen Satz (aus dem 8. Gedicht: „Parade“): „J’ai seul la clef de cette parade sauvage“ („Ich allein habe den Schlüssel zu dieser wilden Parade“), offenbar Worte des Künstlers, der allein die Welt aus seiner Distanz bei der „wilden Parade“ des menschlichen Lebens verstehen kann.

Da die angekündigte Hanna-Elisabeth Müller krankheitsbedingt absagen musste, sang die estnische Sopranistin Mirjam Mesak (Bayerische Staatsoper), die u. a. die Hauptrolle in Axel Ranischs Film „Orphea in Love“ spielt. Für sie gibt es offenbar keine gesangstechnischen Schwierigkeiten. Souverän sang sie mit großer Sicherheit, gekonnter Technik, feinstem Piano und Power, ob chromatisch abwärts oder bei gekonnten Wendungen, mit einem der Poesie dieser ungewöhnlichen Gesänge adäquatem Ausdruck und vermittelte damit selbst zu diesen unbekannten und ungewohnten Lied-Kompositionen eine Vertrautheit, die das Publikum in ihren Bann zog, das ihr mit einhelligem Beifall dankte. Unter Janowskis Leitung breitete das Orchester einen dezenten Klangteppich aus, der die Singstimme in schönster Übereinstimmung ergänzend untermalte und mit zwei sanften, geschmeidigen Violinsoli des 1. Konzertmeisters (Wolfgang Hentrich) schmückte.

In einen ganz anderen Gedanken- und Gefühlskreis führte Janowski die Konzertbesucher mit Bruckners „Kontrapunktischem Meisterstück“, seiner „Fünften“, an der er drei Jahre lang (1875-1878) gefeilt hat und sich danach gegen Vorwürfe und Kritik behauptete. Zu Bruckners Sinfonien, die sich wie ein roter Faden durch seine Zeit bei der Dresdner Philharmonie ziehen, hat er eine besondere Vorliebe. Mit der „Sechsten“ lernte er 2017 den neuen Konzertsaal nach dessen Eröffnung kennen“, mit der „Achten“ begann er 2019 seine zweite Chefzeit. Ihr folgte die „Siebte“. Mit der „Neunten“ eröffnete er 2022 seine letzte Saison, und mit der „Fünften“, die er als „äußerst anspruchsvoll für jeden Dirigenten“ bezeichnet, gestaltete er sein Abschiedskonzert. Er verstand es, die Musiker sicher zu führen. Unter seiner Leitung meisterten sie alle Anforderungen und darüber hinaus eine gute Gestaltung. Da ging kein Ton, keine schöne Klangpassage, kein Detail, keine Feinheit verloren. Alles hatte seinen Platz im großen Klanggefüge.

Mit höchster Transparenz, sehr sauberen Bläsern, deren harter Klang im Fortissimo, von betont schönem, fast geheimnisvollem Piano kontrastiert wurde, und feinen, einfühlsamen Streichern, die zusammen mit den Holzbläsern (Oboe und Fagott) „himmlische Momente“ zelebrierten, und sich mitgestaltend einfügender Pauke entstand ein monumentales Werk, bei dem Janowski die großartige Gesamtarchitektur der Sinfonie mit allen Feinheiten und der ihm eigenen Sorgfalt und Präzision zum Klingen brachte und über 80 Minuten die Spannung bis zum letzten Ton hielt. Er geht den Dingen auf den Grund. An allen Äußerlichkeiten vorbei, spürte er dem Werk und seinem Komponisten in seinem Ursprung nach und ließ es für sich sprechen – um der Musik willen. Mit einem gewaltigen Crescendo steuerte er auf den Schluss der Sinfonie zu.

Intendantin Frauke Roth ließ es sich nicht nehmen, dem scheidenden Chefdirigenten persönlich für das Konzert und seine großen Verdienste während seiner Chefzeit persönlich mit einem großen Blumenstrauß zu danken. Janowski ist kein Freund von Äußerlichkeiten. Er sieht sich stets als Mittler, als „Diener an der Musik“. Als sich aber das Publikum spontan erhob, um ihm mit einhelligem Jubel und Standing Ovations nicht nur für seine hervorragende Interpretation der Bruckner-Sinfonie als ein überwältigendes Erlebnis, sondern für sein gesamtes Wirken während seiner zwei Amtszeiten bei der Philharmonie zu danken, huschte ein glückliches Lächeln über sein Gesicht.

Es war nicht nur ein Abschied, es war auch Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen, denn Janowski möchte weiterhin auch als Gastdirigent mit der Dresdner Philharmonie  zusammenarbeiten, und man kann nur hoffen und wünschen, dass er noch oft Gelegenheit dazu haben wird. Als erstes wird er im Februar 2024 das Konzert zum Dresdner Gedenktag mit Antonín Dvořáks „Stabat mater“ leiten. Diese Konzerte waren für ihn immer eine besondere Herzensangelegenheit.

Ingrid Gerk

 

 

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