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DRESDEN/ Lukaskirche: RENÉ PAPE SANG DIE „BIBLISCHEN LIEDER“ VON ANTONÍN DVORÁK

am 21.4. (Ingrid Gerk)

22.04.2021 | Konzert/Liederabende

Dresden / Lukaskirche: RENÉ PAPE SANG DIE „BIBLISCHEN LIEDER“ VON ANTONÍN DVORÁK  – 21.4.2021

René Pape einmal ganz anders als auf der großen Opernbühne zu erleben, bot sich Gelegenheit in der Dresdner Lukaskirche, dem einst begehrten „Studio Lukaskirche“, wo zwischen 1964 und 1972 Schallplatten-Aufnahmen u. a. mit Herbert von Karajan, Karl Böhm, Theo Adam, Peter Schreier, René Kollo, Brigitte Fassbaender u. a. vom einheimischen Schallplatten-Verlag sowie ausländischen Firmen (u. a. Frankreich) entstanden. Erbaut wurde die Kirche 1899 bis 1903, äußerlich im Neorenaissancestil, im Inneren vom Jugendstil geprägt. Sie war die Universitätskirche der nahe gelegenen Technischen Hochschule (jetzt TU Dresden).

Beim Bombenangriff 1945, stark beschädigt und ausgebrannt, wurde sie gegen Ende der 1950er Jahre für Orchesterproben genutzt und schließlich zum Tonstudio ausgebaut, aus dessen Erlös sie nach und nach instand gesetzt werden und der Turm wenigsten gesichert werden konnte, aber noch immer fehlt die Kirchturmspitze, die einst das Stadtbild mit dominierte. Seit 1972 auch wieder als Kirche und für Konzerte, u. a. von der Singakademie, genutzt, bietet sich jetzt dem Besucher im Innern ein Stil-Konglomerat aus Neogotik und Moderne (Altarfenster), ,Jugendtil und „Keulenlampen“, Holzverkleidung und Schallschutzwand (Tonstudio), aber dennoch eine angenehme Atmosphäre.

Obwohl auf den großen Bühnen der Welt zu Hause, ist René Pape seiner Heimatstadt Dresden immer treu geblieben, nicht nur der Semperoper, wo er gegenwärtig in der Neuinszenierung der „Zauberflöte“ den Sarastro singt (wenn die Beschränkungen endlich einmal auch für Theater, Opernhäuser, Konzertsäle usw. gelockert würden), sondern auch im kleineren Rahmen, z. B. einer Veranstaltung in dieser Kirche (24.2.2021), bei der er Corona-bedingt in einer Bachkantate nur die Evangelisten-Partie sprechen (!) durfte, was er mit bewundernswerter Sprechstimme und in unaufdringlich gekonnter Balance zwischen Natürlichkeit und dezenter Deklamation tat.

In der jüngsten Veranstaltung der Reihe „Musikalische Andachten“ (21.4.) widmete er sich den zehn „Biblischen Liedern“(Blické Písnĕ) op. 99 von Antonín Dvořák, die als Höhepunkt seines Liedschaffens gelten, in einer interessanten Gegenüberstellung der Begleitinstrumente, die ersten fünf Lieder nur mit Klavier, wie es Dvorak zunächst für alle zehn Lieder komponiert hatte, danach die anderen fünf mit Instrumenten, obwohl nur die ersten fünf von Dvorak selbst und die anderen nach dessen Tod (zunächst von Vilém Zemánek, später von Jarmil Burghauser und Jan Hanuš) für die gleiche Besetzung bearbeitet wurden.

Am Klavier war Katharina Pfeiffer eine einfühlsam mitgestaltende Begleiterin, wenn auch der kleine Flügel im Forte sehr hart klang (wofür man unter diesen Bedingungen Verständnis hat), schließlich wusste sie das geschickt zu kompensieren und entlockte dem Instrument im  Piano schöne Klänge. Sechs Musiker der Dresdner Philharmonie, Meister ihres Instrumentes, an Oboe (Johannes Pfeiffer), zwei Violinen (Annekathrin Rammelt und Constanze Sandmann), Viola (Andreas Kuhlmann), Violoncello (Christian Bergert) und Kontrabass (Andreas Dude) gruppierten sich in wechselnder Konstellation im zweiten Teil um den Sänger, bis sich etwas später auch die Pianistin dazu gesellte, und bildeten ein kongeniales, klangschönes Pendant zur Singstimme und, wenn es sich anbot, einen ausgesprochen feinsinnig aus- und nachklingenden Abschluss der Lieder.

Pape sang in tschechischer Sprache, was der sehr textspezifischen Diktion der Lieder, die Dvorak in sehr persönlichem Bezug in seiner Muttersprache komponiert, sehr entgegenkam, da dadurch die Diskrepanz zwischen dem Original und einer deutschen (oder anderen) Übersetzung, die, musikalisch gesehen, nicht harmonieren, entfiel, und die tschechische Mentalität immer wieder durchschimmerte.

In einer breiten Ausdruckspalette zwischen Fortissimo und Pianissimo ließ Pape die Lieder teils in starken Kontrasten, teils vielfältigen Zwischentönen und nuancenreicher Farbigkeit entstehen, dramatisch, lyrisch, erschütternd, von Trauer und Hoffnung beseelt, so wie es die, in Amerika 1894 in einer für ihn real sehr bedrückenden und emotional von Trauer um seine Freunde P. I. Tschaikowsky und Hans von Bülow, die Sorge um den sich ständig verschlechternden Gesundheitszustand seines Vaters, der bald danach starb und sein Heimweh nach Böhmens Hain und Flur erfüllten Zeit vertonten Texte besagen, die er aus einer tschechischen Bibel aus dem 16. Jahrhundert (Kralitzer Bibel) selbst zusammenstellte, ähnlich seinem Freund Johannes Brahms für „Ein Deutsches Requiem“.

Wie sehr die Menschen solche musikalischen Veranstaltungen brauchen, offenbarte die endlos erscheinende Menschenmenge, die (mit Maske und Abstand) schon lange vor Einlass geduldig vor der Kirche, d. h. in langer Schlange um die Kirche herum, wartete, so dass sich Pape und die Musiker entschlossen, gleich im Anschluss daran, die Veranstaltung noch einmal für die wegen der Corona-Beschränkungen nicht mehr Eingelassenen zu wiederholen, was sehr für ihn spricht.

Ingrid Gerk

 

 

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