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DRESDEN/ Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM – TEIL II“ VON J. S. BACH MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR

08.01.2023 | Konzert/Liederabende

Dresden / Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM – TEIL II“ VON J. S. BACH MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR – 7.1.2023

Es ist seltsam: das „Weihnachtsoratorium“, J. S. Bachs populärstes sakrales Werk erfreut sich allgemein größter Beliebtheit beim breiten Publikum, aber nur vor Weihnachten und vor allem die Kantaten I ‑ III, obwohl der gesamte Kantatenzyklus von Anfang bis Ende eine hohe Qualität und Faszination aufweist und eine kontinuierliche interne Steigerung von Kantate zu Kantate erfährt. Er ist für die Zeit nach Weihnachten komponiert und uraufgeführt worden. Alle drei Aufführungen von Teil I, d. h. die Kantaten I ‑ III, mit dem Dresdner Kreuzchor sind vor Weihnachten immer ausverkauft, obwohl außerdem in zahlreichen Kirchen in und um Dresden ebenfalls das „Weihnachtsoratorium“, mitunter in sehr individueller Auswahl der Kantaten, um das Publikum, auch mit den anderen Teilen etwas vertraut zu machen, geboten wird – ebenfalls immer (oder fast) ausverkauft.

Traditionsgemäß führt der Kreuzchor wenigstens die Kantaten IV ‑ VI nach Weihnachten auf und erreicht damit einen wesentlich kleineren Teil interessierter Zuhörer. Da genügt selbst beim Dresdner Kreuzchor nur eine Aufführung, die aber dann sehr gut besucht ist. Heutzutage wird viel vom Weihnachtszauber in die Adventszeit vorgezogen, schon vor dem eigentlichen Weihnachtsfest, das eigentlich bis zum Epiphaniasfest (6. Januar) dauert, in manchen Gegenden sogar bis Mariä Lichtmess (2. Februar).

Das erste „Weihnachtsoratorium“ mit dem neuen Kreuzkantor Martin Lehmann überraschte sowohl beim ersten, als auch beim zweiten Teil mit hoher Qualität, Schönheit des Klanges und Transparenz. Er versteht es, mit der richtigen, zielgerichteten, differenzierten Zeichengebung und einem ermunternden Lächeln, wenn die jungen Sänger ihre Sache gut machen, Impulse zu geben und zu optimaler Leistung zu ermuntern, so dass der Chor eine schöne Homogenität, Transparenz und einen sehr guten, differenzierten Klang erreichte.

Besonders fielen die lieblichen und auch sehr sicheren Sopran- und Altstimmen im Chor auf, die bereits beim ersten Rezitativ mit Choral („Immanuel, o süßes Wort!“) bestachen und ganz besonders in Kantate VI bei dem sehr feinsinnig und mit inniger Anteilnahme a capella gesungenen Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“, der mit größter Hingabe, ohne sentimental zu wirken, getragen, aber nicht zu langsam, zum Höhepunkt der Aufführung wurde. An Lehmanns Armbewegungen kann man Bruchteile von Sekunden vorher, die kommende Musik ablesen, die dann noch schöner und ausdrucksvoller wird, als erwartet. Lehmann orientiert stets auf höchste Genauigkeit bis zur Präzision aller musikalischen Nuancen und bis ins feinste Detail.

Die Solisten passten in dieses Klang- und Gestaltungsideal. Sie waren jung und orientierten sich an den besten Vorbildern auf dem Gebiet des Oratoriengesanges. Sie widmeten sich mit Sorgfalt, guter Artikulation und Textgestaltung den Rezitativen und Arien und, obwohl sie dabei unterschiedliche Timbres aufwiesen, harmonierten sie sehr gut in den Duetten von Sopran und Bass (Rezitativ: „Imanuel, o süßes Wort“) bzw. Bass und Sopran (Rezitativ: „Wohlan, dein Name soll allein“), Terzett mit Sopran, Alt und Tenor (Arie: „Ach, wenn wird die Zeit erscheinen“) und Quartett („Rezitativ: „Was will der Hölle Schrecken nun“), sowie mit dem Chor, der im Dialog dazu sehr einfühlsam die Choräle sang,

Die Sopranistin Marie-Sophie Pollak, sang mit sehr klarer, geschmeidiger Stimme und steigerte sich von Kantate zu Kantate. Bei ihr erschien alles problemlos und leicht, mit sehr natürlichen Vorschlägen und Verzierungen, stets alles in sehr natürlichem Fluss und vielversprechend für die Zukunft. Bei der „Echo-Arie“ erklang das Echo von einer entfernt liegenden Empore, gesungen von einem kleinen Kruzianer (Joel Necker), der mit zarter, aber schon sehr sicherer Sopranstimme die Echos prompt einfügte. Die Mezzosopranistin Elvira Bill widmete sich mit ihrer warmen, facettenreichen Stimme einfühlsam den seelenvollen Alt-Arien.

Der Lied- und Oratorientenor Georg Poplutz überzeugte vor allem in den Rezitativen des Evangelisten, die er mit dezenter Dramatik ausmalte, während er die Tenor-Arien verhalten sang. Die Bass-Partie gestaltete Andreas Wolf kraftvoll und mit besonderem Ausdruck. Auf die Falschheit des Herodes, die Bach bei den Worten: „… dass ich auch komme und es anbete“ mit einem hintergründigen „Schwänchen“ aus abwärts führenden Tönen versah, machte er sehr plastisch, überdeutlich wie noch nie an dieser Stelle, gezielt aufmerksam.

Es war alles sehr harmonisch abgestimmt zwischen Chor, Solisten und Orchester. Die Dresdner Philharmonie, an dieser Stelle stets bewährt und eine der tragenden Säulen bei den Oratorien-Aufführungen, unterstützte Lehmanns Ambitionen mit ihrem schönen, warmen Klang kontinuierlich und sehr zuverlässig, insbesondere mit der Basso-continuo-Gruppe aus Violoncello (Matthias Bräutigam), Fagott (Daniel Bäz), Kontrabass (Benedikt Hübner) und Orgel (Holger Gehring) – sowie fein timbrierter Laute (Stefan Maass als Gast), deren Klang die Innigkeit noch verstärkte.

Die Einleitung und Begleitung bestimmter Arien mit Soloinstrument lag bei den führenden Musikern des Orchesters in den allerbesten Händen. Die Erste Konzertmeisterin Heike Janicke faszinierte mit zwei geschmeidigen, einfühlsamen Violin-Soli und Undine Röhner-Stolle und Guido Titze mit inniger Viola d’amore. Sehr sauber und mit gutem Klang verliehen die Trompeten (Christian Höcherl, Nikolaus von Tippelskirch, Csaba Kelemen) der Aufführung dezent festlichen Glanz.

Kleine Pausen zur „Sammlung“ neben den Pausen zwischen den einzelnen Kantaten oder minimale Tempo-Unstimmigkeiten störten hier kaum den Gesamtablauf, da viel Spannung in den einzelnen „Nummern“ bzw. Abschnitten lag.

Ingrid Gerk

 

 

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