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DRESDEN/ Kreuzkirche: J. S. BACHS „WEIHNACHTSORATORIUM, TEIL II“ MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR – ZUR RICHTIGEN ZEIT

10.01.2016 | Konzert/Liederabende

Dresden/Kreuzkirche: J. S. BACHS „WEIHNACHTSORATORIUM, TEIL II“ MIT DEM DRESDNER KREUZCHOR – ZUR RICHTIGEN ZEIT – 9.1.2016

  1. S. Bachs„Weihnachtsoratorium“ ist in Deutschland sehr beliebt, aber nur die ersten 3 Kantaten, und die bitte nur vor Weihnachten, wie die meisten Besucher meinen. Warum eigentlich? Übertreffen doch die Kantaten IV, V und VI die ersten dreinoch an Dramatik der Chöre und eindrucksvollen Arien, wenn es auch weniger beschaulich zugeht wie im 1. Teil mit seiner „Sinfonia“ und den liebevoll-beseelten Arien der Altstimme.

Manche Veranstalter versuchen, die Besucher zu gewinnen, indem sie den 2. Teil ebenfalls vor Weihnachten aufführen oder alle sechs Kantaten an einem Abend, aber nichts zu machen, die Zahl der Enthusiasten, die sich dem Genuss beider Teile hingeben,hält sich in Grenzen und füllt z. B. Dresdens größte Kirche, die Kreuzkirche mit über 3000 Plätzen gerade einmal (wenn auch mit steigender Tendenz), während der erste Teil dreimal wiederholt werden muss, auch in anderen Kirchen und Konzertsälen aufgeführt wird und (fast) immer hoffnungslos ausverkauft ist.

Der Dresdner Kreuzchor bleibt bei seiner bewährten Tradition und führt die Kantaten IV bis VI nach Weihnachten auf, in der Zeit, wofür sie von J. S. Bach vorgesehen waren und auch aufgeführt wurden, zwischen Weihnachten und „Epiphanias“ (6. Januar). Von guten Traditionen muss man nicht abweichen, wenn sie sich bewährt habenund in diesem Jahr ein erfreulich großer Besucherzustrom zu verzeichnen war.

Was vielen Musikfreunden mit dem 2. Teil entgeht, machte die Aufführung am 9.1. einmal mehr deutlich. Wie immer bildete die Dresdner Philharmonie vom ersten Ton an mit derinstrumentalen Einleitung zu dem Chor „Fallt mit Danken, fallt mit Loben“das sichere und vorallem klangschöne Fundament. Das Tempo war zügig, aber nicht zu schnell. Chor und Orchester befanden sich sofort in gutem Zusammenwirken und vor allem harmonischem Zusammenklang, was sich während der Aufführung noch oft wiederholte(bis auf eine kurze Passage, bei der die Tenöre des Chores nicht sehr präsent waren). Dafür wurde der Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“später mit besonders großer Innigkeit musiziert.

Bewundernswert sind immer wieder die instrumentalen Arien-Begleitungen der Philharmoniker, bei denen sich einzelne Orchestermusiker von den ersten Pulten solistisch entfalten und in schöner Harmonie mit den Gesangssolisten korrespondieren, wie die in diesen Kantaten oft geforderte Oboemit Sopranstimmeund Bass, die Solovioline(n), Horn und Trompete.

Die Sopranpartie hatteJana Büchner übernommen, die als Opernsängerin auch eine gefragte Konzertsängerin ist und oft mit dem Dresdner Kreuzchor zusammenarbeitet.Sie sang die berühmte, von der Oboe mit fein abgestuften Echos eingeleitete und wie in einem perfekten „Duett“ harmonisch „untermalte“„Echo-Arie“mit schöner Stimme, guter Artikulation und entsprechend differenzierten Abstufungen des vielfachen Echos, die von den erstaunlich sicheren und ebenso differenziert abgestuften Echos, immer in der genau richtigen Lautstärke, aus der Ferne von einem kleinen Kruzianer beantwortet wurden. In so perfektem Zusammenwirken hört man diese nicht unproblematische Arie sehr selten.

Besonders eindrucksvoll sang Jana Büchner auch das Rezitativ „Du Falscher, suche nur …“ und die anschließende große und von ihr großartig gesungene Arie „Nur ein Wink von seinen Händen …“in völliger Übereinstimmung mit dem schwungvoll und „wie aus einem Guss“ musizierenden Orchester.

Während sich bei den Rezitativen mit Choral „Emanuel, o süßes Wort“ und „Wohlan, dein Name soll allein …“die Bassstimme und in dem Terzett„Ach, wann wird die Zeit erscheinen“(neben der Altstimme)die Stimme des Tenorsmit der von Jana Büchnermehr aufgrund guter Gesangstechnik verbanden, verschmolz ihre Stimme mit der Altistin Britta Schwarz in besonderer Klangschönheit. Britta Schwarz verlieh auch denwenigen Alt-Passagen in diesen drei Kantaten mit ihrer samtweichen Stimme Wärme und das „gewisse Etwas“ an Seele.

 Der Tenor Tobias Hunger, einst selbst Mitglied des Dresdner Kreuzchores, hatte viel „zu tun“ und stellte sich der Herausforderung mit viel Engagement. Mit schlanker Stimme und sehr klarer Artikulation gab er den Rezitativen viel Ausdruck. Er hatte Mut zu einem eigenen Interpretationsstil, wie es Peter Schreier jüngeren Sängern empfiehlt, denn er wird jetzt allzu oft imitiert.Hunger vertiefte sich sehr in Musik, Text und Inhalt, auch bei den Arien, die er ebenfalls sehr klar und mit guter Textverständlichkeitund einigen sauberen Verzierungen sang, sehr lebendig, mit fast lautmalerischer Gestaltung und manchmal bis zum leichtenGefühlsüberschwang (bei dem die Stimme auch schon mal leicht „kippen“ konnte), was aber seiner gesamten Gestaltung kaum Abbruch tat.

Die Basspartie lag in den Händen vonMatthias Weichert, der ebenfalls Wert auf eine gute Gestaltung legte, wenn auch in dezenterer Form.

Dank der Solisten und nicht zuletzt der Dresdner Philharmonie war diese Aufführung unter der Leitung von Kreuzkantor Roderich Kreileeine sehr schöne, relativ geschlossene Aufführung, da es nur kleine Pausen zwischen den einzelnen Nummern und angemessene zwischen den einzelnen Kantaten gab. Siehinterließ durch das gute Zusammenwirken von Solisten, Chor und Orchester im gemeinsamen Verständnis von Musik und Wortauch nach Weihnachten, zu ihrer eigentlichen Bestimmungszeit, einen nachhaltigen Eindruck, denn alle Ausführenden waren eines Sinnes und ließen sich vom Geist der Musik Bachs inspirieren. Trotz unterschiedlicher Timbres fanden dieSolisten in dem letzten, abschließenden Rezitativ „Was will der Hölle Schrecken nun“ zu schöner Gemeinsamkeit und Geschlossenheit, mit der dieser (oft vernachlässigte) Teil des „Weihnachtsoratoriums“ auch trompetenüberglänzt und festlich ausklang.

Ingrid Gerk

 

 

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