Dresden/Kraftwerk Mitte, Theater für Operette und Musical: RENÈ PAPE ALS STARGAST IN DER „ERÖFFNUNGSGALA“ – 31.12.2016
René Pape, der weltweit gefeierte Bass mit der „samtenen“, ausdrucksvollen Stimme ließ es sich nicht nehmen, der Staatsoperette Dresden, dem einzigen selbstständigen Operettentheater Deutschlands (jetzt Theater für Operette und Musical) zu ihrem neuen Domizil zu gratulieren und der „Eröffnungsgala“, die bis Juli 2017 insgesamt 16mal gegeben wird und bereits jetzt schon hoffnungslos ausverkauft ist, als Stargast zur Premiere (30.12.2016) und am Silvesterabend mit seinem Auftritt besondere Glanzpunkte zu verleihen.
Es ist eine alte Sitte, dass berühmte Opernsänger wie Richard Tauber, Fritz Wunderlich, Rudolf Schock u. a. gelegentlich einen Ausflug in die Operette unternahmen, was jetzt auch hin und wieder Piotr Beczała tut. Stars der Semperoper und internationalen Opernwelt wie Camilla Nylund, Christa Mayer und Georg Zeppenfeld werden demnächst ebenfalls mit einem Gastauftritt in der „Eröffnungsgala“ und einem „Ausflug“ in die Welt von Operette und Musical gratulieren.
René Pape, dem weltweit begehrten Opernsänger, der mit seinem besonderen Timbre so manche große Opernpartie in Europa und den USA unvergesslich machte, sind Musicalsongs nicht fremd. In New York sang er schon öfters einzelne Songs aus bekannten Musicals. Besonders beeindruckte es ihn immer, wenn er damit auf den Bühnen der Uraufführung stand. Schließlich hat er auch persönliche Verbindungen zum einstigen Operettentheater in Dresden-Leuben. Sein Großvater (Rudolf Döring) stand als Tenor-Buffo auf dieser Bühne und er selbst vor 40 Jahren, während seiner Kreuzchorzeit, in „Cabaret“ als Hitlerjunge, weshalb er in diesem Jahr sein 40jähriges Bühnenjubiläum feiern kann.
Bei der „Eröffnungsgala“ verlieh er mit seinem profunden Bass zwischen Urkraft und Feingefühl den Songs „So in Love“ aus „Kiss me, Kate“ von Cole Porter und „Some Enchanted Evening“ aus „South Pacific“ von Richard Rodgers sowie „Bess, you is my woman now“ aus „Porgy and Bess“ zusammen mit Ingeborg Schöpf Wohlklang, Verve und Power.
Ingeborg Schöpf, Erste Solistin des Hauses, versteht sich auf die beste Art, die unvergänglichen Melodien der klassischen Operette in guter Tradition und doch so frisch und „unverstaubt“ auf die Bühne zu bringen, das da einfach alles stimmt, Stimme, Gesangstechnik, Interpretation und schauspielerisches Talent. Jeder Ton, auch in gewagter Höhe, jede ihrer Gesten, jede Bewegung „sitzen“ – nie übertrieben, nie vordergründig, aber immer mit einem feinen Quäntchen Charme und Esprit – wie das „Zünglein an der Waage“, und sie macht immer gute Figur.
Sie ist die glaubwürdige Verkörperung jeder ihrer Operettengestalten, ob sie nun „Meine Lippen, die küssen so heiß“ aus Franz Lehárs „Giuditta“, begleitet von Axel Köhler auf der Violine, singt, die von Christian Grygas, der auch bei „Singing in the rain“ sein sängerisches und tänzerisches Können präsentierte, die charmant ungeschickt überreichen wollenden „Dunkelroten Rosen“ von Carl Millöcker immer gerade wieder nicht erhält, sich im „Bettelstudent“ von fünf Herren umgarnen lässt, in der „Lustigen Witwe“ mitwirkt, als begehrte Wirtin vom „Weißen Rössl“ (der sie auch in Mörbisch Gestalt verlieh) brilliert oder im Duett mit einem weltberühmten Bass wie René Pape auftritt.
Dass sich Axel Köhler hier noch einmal mit der Violine sehen ließ, war eine Reverenz an seine Vielseitigkeit. Er ist ein Allround-Vollblut-Theatermann. Als ausgebildeter Geiger und Sänger war er zunächst Spielbariton an der Oper Halle, später ein deutschlandweit und international gefragter Countertenor, vor allem für Musik der Barockzeit, erfolgreicher Regisseur, Intendant der Oper Halle und nun Ensemblemitglied der Staatsoperette Dresden, wo er inszeniert, wieder als Bariton auf der Bühne steht (Georges in „La Cage aux Folles“) und in der Eröffnungsgala singt („Rhythmus der Welt“ aus „Sweet Charity“ von Cy Coleman), tanzt und sich mit Jannik Harneit, der mit „Maria“ („West side story“) auf der Mondsichel in den siebenten Himmel schwebt, die Conference und den Song „Komödie heut‘ Nacht“ aus „Zustände wie im alten Rom“ von Stephen Sondheim) teilt – alles mit Charme und Esprit.
Außerdem „mischt“ da noch ein kleiner „grüner“, aus der „Federmaus“ entlehnter „Frosch“ (Dietrich Seydlitz), pardon von der „Dresdner Polizei“ mit breitem sächsischen Dialekt mit, der nur Operette auf der Bühne sehen möchte und einen „Stolperstein“, „Stein des Anstoßes“, letztendlich aber den ungenutzten Grundstein für das neue, nicht gebaute, sondern gestrichene Operettentheater (weshalb der Stein lila-rosa gestrichen ist) immer wieder mal mit ins Spiel bringt und in den Weg legt, was Axel Köhler mit den Worten kommentiert: „The Show must go on“, und she goes on – und wie!
In dem dreistündigen, fulminanten, von Winfried Schneider nach dem Buch von André Meyer perfekt, sehr kurzweilig und gekonnt inszenierten und choreografierten „Feuerwerk der Operetten- und Musical-Melodien“, bunt, facettenreich und sehr unterhaltsam, „mischen“ mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler mit, u. a. auch Olivia Delauré, Mandy Garbrecht, Jeanette Oswald, Elmar Andree, Markus Francke, Marcus Günzel, Bryan Rothfuss, Richard Samek, Andreas Sauerzapf, Gerd Wiemer und Hans-Jürgen Wiese, Sängerinnen und Sänger des Operettentheaters, die mitunter auch über erstaunliches tänzerisches Talent in Auftritten mit dem, gut einstudierten, perfekten Ballett und dem Chor der Staatsoperette Dresden (Einstudierung: Thomas Runge) sowie dem MusicalChorDresden (Cornelia Drese) verfügen.
Maria Perlt lässt der kleine grüne „Frosch“-Polizist die „vergebliche Mühe“ ihres Koloraturgesanges „Glitter and be gay“ (L. Bernstein: „Candide“) mit seinem letzten Sliwowitz herunterspülen – immer neue Regieeinfälle und alles so optimal wie möglich in das Regiekonzept eingebunden.
Unermüdlich und immer präsent, ist das Orchester der Staatsoperette Dresden unter der Leitung von Christian Garbosnik mit dessen gutem Gespür für Operetten- und Musical-Tempo bis zum Schluss schwungvoll und zuverlässig in Aktion.
In dem farbenprächtigen Feuerwerk mit der für das vielfältige Repertoire des Hauses typischen großen Palette an Arien, Melodien und Ballettnummern sowie kleinen Spielszenen aus Operetten der Goldenen und Silbernen Operetten-Ära aus Wien, Berlin und Budapest und Musical-Klassikern aus London und New York haben auch die farbenprächtigen, gekonnt geschneiderten Kostüme aus den Werkstätten der Staatsoperette und die opulente Ausstattung von Mike Hahne mit voller Nutzung der vielfältigen Möglichkeiten der neuen, vielseitig einsetzbaren Bühnentechnik und Licht-Show-Effekten wesentlichen Anteil. Ständig wechselnde, aus Licht und Filmeinblendungen und drapierten Vorhängen gezauberte „Kulissen“, kleine Drehbühne, „Wanderpodium“ u.v.a.m. erhöhen den festlichen Charakter. Dank des guten Regiekonzeptes ist alles durch „fließende“ Übergänge verbunden, geht es „Schlag auf Schlag“ in einer bunten, abwechslungsreichen „Non-Stopp-Show“ (mit einer Pause) – ein gekonnter Rückblick auf das, was in den vergangenen 60 Jahren Erfolg hatte, und ein Ausblick auf die kommenden Spielzeiten.
Ingrid Gerk