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DRESDEN/ Konzertsaal im Kulturpalast:  SONDERKONZERT: „STAATSKAPELLE & THIELEMANN II“ MIT JULIA FISCHER

02.11.2020 | Konzert/Liederabende

Dresden / Konzertsaal im Kulturpalast:  SONDERKONZERT: „STAATSKAPELLE & THIELEMANN II“ MIT JULIA FISCHER – 1.11.2020

„Totgeglaubte“ leben länger“. So fand das, für den 3.11. geplante Sonderkonzert „Staatskapelle & Thielemann II“, das wegen des neuerlichen, ab 2.11. angekündigten, Lockdowns, auszufallen drohte, überraschenderweise dank einer geschickten, sehr kurzfristigen Terminverlegung doch noch als „Matinee“ am Sonntagvormittag statt – Thielemann macht‘s möglich. Er ist eben auch ein Organisationstalent mit Ideen, sehr zur Freude der Musikfreunde, die die 750 genehmigten Tickets für den Kulturpalast schon lange „ausverkauft“ hatten – ein Zeichen dafür, wie sehr Musik gerade in solchen Zeiten live gefragt ist. Die Maskenpflicht während des gesamten Konzertes nimmt man gern in Kauf, wenn es um Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle geht.

Zu Beginn richtete Thielemann einige Worte der Dankbarkeit und des (hoffentlich) vorübergehenden Abschieds an das Publikum, die den Ernst der Lage bewusst machten. Umso mehr wussten alle das „Geschenk“  dieses Konzertes zu schätzen und nahmen vielleicht noch bewusster als sonst die Musik auf, die immer auch eine tröstliche Wirkung hat.

Die beiden festlichen Fanfaren von Richard Strauss „Fanfare für Blechbläser und Pauken zur Eröffnung der Musikwoche der Stadt Wien“ (TrV 250) und die „Wiener Philharmoniker Fanfare für Blechblasinstrumente und Pauken“ (TrV 248), die schon bei „Staatskapelle &Thielemann I“ (27.10.) erklungen waren, obwohl ursprünglich auf beide Konzerte verteilt gedacht, waren noch einmal zu erleben. Not macht erfinderisch, und es war kein Fehler, denn wann hört man sie schon in Dresden? Beim zweiten Mal erschienen sie noch gelöster, noch enthusiastischer musiziert.

Danach war das „Konzert für Violine und Orchester D‑Dur“ (op. 61) von Ludwig van Beethoven mit Nikolaj Szeps-Znaider vorgesehen, der jedoch wegen Krankheit absagen musste. Für ihn war Julia Fischer sehr kurzfristig eingesprungen und spielte das Konzert, von dem Robert Schumann, als es noch von nur Wenigen für gut befunden wurde, schwärmte: „Die Komposition gehört zu Beethovens schönsten“, was man jetzt auch so empfindet. Seinen Siegeszug trat dieses Violinkonzert erst nach Beethovens Tod an. Jetzt gehört es zu den schönsten, berühmtesten und beliebtesten Violinkonzerten, wird oft gespielt und immer wieder gern gehört. Es verträgt die verschiedensten Interpretationen, denen man immer wieder gern lauscht, und verfehlt seine Wirkung nie.

Anders als Znaider, dessen männlich-kraftvolle, herzhaft „zupackende“ und mitreißende Interpretation man noch im Ohr hatte, verlegte sich Julia Fischer auf eine sehr feine, feminine Art mit immer wieder sehr feinem Piano bis Pianissimo und hinreißend schöner, sehr inniger Kadenz, die noch lange in Erinnerung bleiben wird. Beinahe „elfenhaft“ zart und transparent gelang das „Larghetto“ (2. Satz). Ihr schlanker, graziler, sehr feiner Ton war in jeder Phase bei der guten Akustik des Saales, in dem es keine „toten Ecken“ gibt, immer und überall sehr gut zu hören. Bei ihrer feinsinnigen Interpretation wurde manches Detail und manche Besonderheit deutlich, was sonst beim Zuhören im Melodiefluss vielleicht kaum beachtet wird. Julia Fischer hatte eine andere Seite dieses vielseitigen genialen Werkes beleuchtet und zum Klingen gebracht.

Das Orchester stimmte mit gleicher Feinsinnigkeit ein, so dass das gesamte Konzert (trotz sehr geringer Probenmöglichkeit) in schöner Harmonie verlief. Beide Seiten kennen das Werk in- und auswendig und verstanden sich auf „gleicher Wellenlänge“ als „Diener an der Musik“. Thielemann konnte danach die Solistin in Freude und Dankbarkeit nur nach „Corona“-Art symbolisch und mit einigem Abstand „umarmen“. Das Publikum hätte es ihm gern gleichgetan.

Als Zugabe erwies sich Julia Fischer bei der „Sarabande d‑Moll“ von Johann Sebastian Bach noch einmal als Meisterin der feinen, leisen Töne, die bei ihrem versierten Violinspiel die ineinander verschlungenen Melodielinien nachzeichneten – ein triumphaler Höhepunkt und Abschluss ihres unverhofften und umso freudiger aufgenommenen Auftritts.

Von Beethoven führt ein indirekter Weg zu dem danach aufgeführten, ebenfalls 1841 komponierten, Orchesterwerk „Ouvertüre, Scherzo und Finale E‑Dur“ (op. 52) von Robert Schumann. Wie Franz Schubert mit seinem Stoßseufzer „Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen?“ litt auch Schumann unter der Allmacht der Beethovenschen Symphonien und musste erst seine „Symphoniescruprel“ überwinden. Nach der triumphalen Uraufführung seiner 1. Sinfonie komponierte er eine Ouvertüre, Scherzo und Finale als drei schnelle Sätze (Andante von moto – Allegro – Un poco più animato, Vivo und Allegro moto vivace) von „leichtem, freundlichem Charakter“, wie er später an einen Verleger schrieb, für eine zweite Sinfonie, zwischen die jedoch kein Adagio und Largo passen wollte, weshalb er sich über die Bezeichnung nicht schlüssig war, sie als „Suite“, „Sinfonietta“ oder „Symphonette“ bezeichnete und zuweilen sogar als „2te Symphonie“ (ohne langsamen Satz).

Keine große Symphonie sollte es werden und wurde ein Stück mit ausgelassenem Spielwitz und unbekümmertem Umgang mit Thematik und Form. Schumann ging nicht nur für seine Zeit neue Wege in der Komposition, er fand auch neue Formen für seine neuen Inhalte, die seinem Kompositionsstil entsprachen. Er quälte nicht (wie mancher Komponist der Gegenwart) moderne Musik in strenge herkömmliche Formen, sondern erfand neue. So beließ er es hier bei der Bezeichnung der einzelnen Teile, die ein Ganzes bilden.

Thielemann nahm es als das, was es ist, ein heiteres, unbeschwertes Stück, und führte es mit der Kapelle und ihrem Blechbläserglanz und spezifischen Klang im Sinne von Schumanns Temperament und Mentalität auf.

 Nun steht eine lange Pause und Musikabstinenz bevor, in die man aber den Eindruck dieses Konzertes mit hinein nehmen kann.

Ingrid Gerk

 

 

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