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DRESDEN/ Konzertsaal im Kulturpalast: ERÖFFNUNG DER 44. DRESDNER MUSIKFESTSPIELE „DIALOGE“ – MIT ARKADI VOLODOS – LIVE

05.06.2021 | Konzert/Liederabende

 

Dresden/Konzertsaal im Kulturpalast: ERÖFFNUNG DER 44. DRESDNER MUSIKFESTSPIELE „DIALOGE“ – MIT ARKADI VOLODOS – LIVE – 4.6.2021

Mit zwei (kurzen) Ansprachen des Oberbürgermeisters und des Intendanten der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler in seiner sympathischen, natürlichen, instruktiven Art wurde der 44. Jahrgang des Festivals, d. h. „Teil II“ eröffnet, nachdem „Teil I“ mit Livestreams und einem Radiokonzert (24.5. – 3.6.) vorausgegangen war. Das Publikum konnte aufatmen – endlich wieder Live-Konzerte in der besonderen Atmosphäre der Veranstaltungsorte und –räume mit einem noch besseren und unmittelbareren Hörerlebnis, als es CDs, Livestreams und Medien bieten können.  

Den Anfang bildete ein Klavierrezital des russischen Komponisten Arkadi Volodos – mit gekürztem Programmen und strengen Auflagen – im Konzertsaal des Kulturpalastes, dessen Akustik für Kammermusik genauso geeignet ist, wie für große Orchesterkonzerte. Volodos, der seinen internationalen Durchbruch 1996 mit seinem Debüt in der Wigmore Hall und 1997 mit der Veröffentlichung einer CD mit virtuosen, vor allem an Wladimir Horowitz orientierten, Klaviertranskriptionen mit eigenen Ergänzungen und Varianten erreichte, entdeckte in den vergangenen Jahren mehr und mehr eine gesanglich-lyrischen Seite für sich (vielleicht eine Parallele zu seinem anfänglichen Gesangs- und Dirigierstudium) und wandte sich insbesondere auch der deutschen Romantik zu.

Trotz frappierender technischer Brillanz ist er kein „Nur-Virtuos“. In diesem Konzert nutzte er beide Komponenten für seine Interpretation der romantisch-intimen „Sonate für Klavier C‑Dur (D 894 op. 78) von Franz Schubert und der sechs „Klavierstücke“ (op. 118) von Johannes Brahms, die er in ihrer Vielseitigkeit auslotete.

Besonders bei Schuberts Klaviersonate betonte er die lyrische, empfindsame Seite, mitunter sogar ein wenig „verträumt auskostend“. Mag sich ihm (wie vielen renommierten russischen Pianisten) die individuelle, nicht zuletzt auch ein bisschen von „wienerischer“ Herzlichkeit geprägte Persönlichkeit Schuberts (auch wenn da Alfred Brendel anderer Meinung ist) nicht leicht erschließen, konnte er dennoch mit seiner individuellen Auffassung in einer Auseinandersetzung mit der Komposition überzeugen. Er begann mit sehr sanften Klängen und betonte die seelenvollen Gedanken und Empfindungen, mitunter fast ein wenig „gedehnt“. In seiner Art doch überzeugend, steigerte sich zu temperamentvoller Emotionalität und nahm das Publikum wie in einer familiären Atmosphäre mit in diese Gedankenwelt.

Er erschloss sich Schuberts spezielle musikalische Empfindungswelt mit seinem individuellen Nachempfinden und Gestalten, zelebrierte die umfangreiche Sonate fantasievoll auf seine ganz persönliche Art, lotete sie in seiner Vielseitigkeit zwischen Gefühl und Virtuosität spannungsreich in einem großen, vom Beginn bis zum Ende gespannten, Bogen aus, unterstrichen von seinem warmen, klingenden, auffallend transparenten Anschlag, der allen seinen Interpretationen eine besondere Klarheit und Klangschönheit verleiht und mit dem er nicht nur Schuberts Sonate im feinen Pianissimo ausklingen ließ, sondern auch die, hier als fünftes Klavierstück gespielte, Romanze F‑Dur von Brahms. Da schien selbst die Luft in der räumlichen Atmosphäre noch lange nachzuklingen.

Mit leidenschaftlichem Temperament eröffnete Volodos die sechs Klavierstücke von Johannes Brahms in einer meisterhaften Interpretation. Sie erschienen wie eine Identifikation des Pianisten mit dem Werk. Hier stimmte einfach alles, der schöne, klingende Anschlag, eine souverän eingesetzte, mühelose Technik, Gefühlstiefe und Temperament, pianistische Vielseitigkeit und das Nachempfinden der Brahms‘schen Emotionen zwischen Leidenschaft und Melancholie, Freude, Liebe und Schmerzen. Jedes dieser Stücke erschien wie eine in sich abgeschlossene Welt, eine feine Miniatur (auch bei größerem Umfang) in einer beeindruckenden Balance zwischen Überschwang und Empfindsamkeit, magischem Klangzauberer, unaufdringlicher Virtuosität und Gedankentiefe, ohne zu überzeichnen.

Das Publikum applaudierte überglücklich, und Volodos bedankte sich mit fünf (!) Zugaben von Johannes Brahms, Franz Schubert, des Katalanen Federico Mompou u. a.

Ingrid Gerk

 

 

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