Dresden-Hosterwitz/Carl-Maria-von Weber-Museum: KLAVIERRECITAL IN ENTSPANNTER ATMOSPHÄRE MIT PETER RÖSEL – 21.07.2024
Das Carl-Maria-von-Weber-Museum in Dresden-Hosterwitz, das einzige Museum weltweit, das Carl Maria von Weber gewidmet ist, lud an diesem heißen Sommersonntag zu einem Klavierrecital mit dem Pianisten Peter Rösel ein. Bevor es ab September für drei Jahre wegen baulicher Sanierung und Erweiterung ganz geschlossen wird, sollen noch einige Highlight-Veranstaltungen die Bedeutung des Museums unterstreichen. Bei schönstem, fast zu heißem, Sommerwetter und klar blauem Himmel hatten die Besucher im Garten unter schattigen Bäumen Platz genommen, der Flügel stand im Haus. Die Fenster waren weit geöffnet. Akustisch gab es keine Probleme, da die Gegend noch immer sehr ruhig ist. Diese Schönwetter-Variante hat sich schon oft bewährt. Sie ist immer ein besonderes Erlebnis und bietet mehr Besuchern Platz als die engen Räume im Haus, wo die Konzerte bei ungünstigerem Wetter und in der kalten Jahreszeit stattfinden.
Das Haus, ein altes Winzerhaus aus dem 17 Jahrhundert, war Webers Sommerwohnsitz. Hier verbrachte er mit seiner Familie die Sommermonate und erlebte die glücklichsten Momente seines Lebens. Jetzt sind in einer Dauerausstellung zu Leben und Werk des Komponisten, der von 1817 bis zu seinem Tod im Jahr 1826 das Amt des Hofkapellmeisters am Dresdner Hoftheater innehatte, u. a. sein Arbeitszimmer – wegen Kriegsverlust der originalen Möbel mit aus der Zeit nachempfundenem Mobiliar -, persönliche Gegenstände, wie seine Stimmgabel, Siegelring und Petschaft, die seine Urenkelin, Mathilde von Weber (1881–1956) 1945 aus dem brennenden Dresden rettete, Originalgemälde von ihm und seiner Gattin sowie anderen Familienangehörigen und Auszüge aus Notenmanuskripten, Tagebüchern und Briefen zu sehen.
Einst außerhalb der Stadt gelegen, war das Winzerdorf Hosterwitz wegen seiner reizvollen Lage eine beliebte Sommerfrische für die Einwohner der nahen Residenzstadt, u. a. auch für viele Künstler. Weber empfing hier zahlreiche Persönlichkeiten, Musiker wie Heinrich Marschner und Johann Nepomuk Hummel und Dichter wie Ludwig Tieck und Wilhelm Müller. Jetzt waren hier die Musikfreunde und Liebhaber erlesener Klaviermusik zu Gast, um dem Klavierspiel des weltweit beliebten und geschätzten Dresdner Pianisten Peter Rösel zu lauschen. Ihn verbindet eine jahrelange Freundschaft mit diesem Haus. Er wohnte 17 Jahre lang genau gegenüber.
Inzwischen nach Dresden eingemeindet, hat der Ort noch viel von seinem ländlich-idyllischen Charme bewahrt. Das Weber-Haus ist mit seinem Garten bzw. kleinen Park zu einer schöngeistigen Oase fernab des Großstadttrubels geworden. Man kann hier in eine vergangene Zeit eintauchen und dennoch in der Gegenwart bleiben.
An diesem authentischen Lebens- und Wirkungsort entstanden, von den Natureindrücken der wildromantischen Umgebung bei Webers Wanderungen musikalisch inspiriert, zahlreiche Kompositionen, unter anderem große Teile seiner Oper „Euryanthe“, die „Jubelkantate“ aus Anlass eines Regierungsjubiläums des sächsischen Königs, die Kantate „Natur und Liebe“ sowie Lieder und Klaviermusik und die „Aufforderung zum Tanz“, sein „Rondo brillant für das Pianoforte“, wie er es im Untertitel bezeichnete.
Damit wurde auch das Klavier-Recital eröffnet. Einleitend erläuterte der Interpret das Stück mit den Worten, die Weber an seine Frau Caroline schrieb und ließ anschließend die Musik genau so deutlich sprechen wie die Worte, wie sich die Tanzenden erst langsam näher kommen, der Tanzwillige sich förmlich und zurückhaltend an die junge Dame wendet, die natürlich tugendhaft ablehnt, nach nachdrücklicher Anfrage dann schließlich doch einwilligt, erst leise, dann klarer, bis endlich der gemeinsame Tanz stattfindet und nach einer Pause („in der der Tänzer die Dame wieder an ihren Platz bringt“, so Rösel), sein Dank.
Immer wieder begeisternd ist Rösels klangvoller, differenzierender Anschlag, der allein schon viel ausdrückt, sowie seine fließende Phrasierung und Agogik, die er stets im Dienst des Stückes und des in sich geschlossenen Gesamteindruckes einsetzt. Er erfasst nicht nur den musikalischen, sondern auch den geistigen Teil der Werke, die er spielt.
Das wurde auch sehr deutlich bei den „Kinderszenen“ von Robert Schumann, die Betrachtung der Kleinen bei ihren Spielen mit kindlicher Fantasie aus der Sicht der Erwachsenen. Er gestaltete liebevoll jede Szene, entsprechend ihrem unterschiedlichen Charakter und nahm die Zuhörenden mit in diese kleine heile Welt.
Den Höhepunkt und leider auch schon den Abschuss bildete Ludwig van Beethovens meisterhaft interpretierte „Sonate Nr. 31 As‑Dur (op. 110), bei der sich alles wie selbstverständlich dem Hörer mitteilte, von der ruhigen Feierlichkeit am Beginn des lyrischen ersten Satzes mit melodisch ausschwingender Kadenz, schönen Kantilenen, feinen Trillerketten, gesanglichen Melodien, Figuren in auf- und absteigenden Läufen, feinen lyrischen und dynamisch anwachsenden, rhythmisch kraftvollen Passagen und genialen Modulationen, aber auch den düsteren Charakter des zweiten Satzes mit seinem bizarren Scherzo, schroffen dynamischen Gegensätzen, akzentuierter, von Synkopen durchsetzter Rhythmik, anklingenden, in Beethovens Bearbeitung veredelter Volkslied- und Gassenhauer-Melodie im skurrilen Treiben einfangend, bis zur dreistimmigen „Fuga“ nach Bachschem Vorbild im dritten, umfangreichsten, vielfältigsten und ungewöhnlichsten Satz mit seinen vielfachen Takt- und Tonartwechseln, der wie ein Hymnus triumphierend im Fortissimo ausklang.
Es ist das Phänomen des Genialen, das leicht anzuhören und zu erfassen, aber schwer zu machen ist. Man hätte gern noch länger zugehört, aber es gab noch eine Zugabe „für den Nachhauseweg“, wie der Pianist meinte, das beliebte „Rondo a la turka“ von Wolfgang Amadeus Mozart, das eher Lust auf mehr machte als an den Heimweg zu denken nach diesem Nachmittag mit exzellent gespielten Werken der Klassik und Romantik in entspannter Atmosphäre. Es ist das Besondere an Rösels Interpretationen, dass die Musik direkt – ohne Umweg über den Intellekt – den Weg zum Hörer findet.
Ingrid Gerk