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DRESDEN/ Hochschule für Musik: "NEUJAHRSKONZERT" – LAST BUT NOT LEAST

15.01.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden/Hochschule für Musik: „NEUJAHRSKONZERT“ – LAST BUT NOT LEAST – 14.1.2018

Es war zwar spät, aber nicht zu spät für ein Neujahrskonzert des Hochschulsinfonieorchesters (HSO) der Hochschule für Musik Dresden (HfM) in Kooperation mit den international renommierten Dresdner Kapellsolisten, des bis ins ferne Japan hoch geschätzten und beliebten Kammerorchesters, unter der musikalischen Leitung von Helmut Branny. Diese alljährlichen Neujahrskonzerte in Kooperation mit Dresdner Ensembles, bei denen junge Musikerinnen und Musiker, Studierende der Hochschule, zusammen mit bewährten professionellen Musikern musizieren, ist nun schon eine feste Größe im Konzertkalender Dresdens und der HfM.

Das diesjährige Neujahrskonzert fand zweimal (13. und 14.1.) mit unterschiedlichen jungen Solisten statt. Einige Kapellsolisten, vor allem Musiker der Sächsischen Staatskapelle Dresden, musizierten Pult an Pult mit den Studierenden und konnten dabei auf einem sehr wirkungsvollen Weg ihre immensen Erfahrungen im praktischen Musizieren weitergeben und so professionelle Praxis direkt vermitteln.

Zunächst stand ein Solokonzert auf dem Programm, eine Rarität, das „Konzert für Kontrabass und Orchester D‑Dur“ von Johann Baptist Vanhal (1739-1813), das neben den Kontrabasskonzerten von Karl Ditters von Dittersdorf eines der wenigen Konzerte der Vergangenheit darstellt, bei dem der Kontrabass als Soloinstrument im Vordergrund steht. Vanhal war seinerzeit ein sehr bekannter böhmischer, in Wien lebender Komponist, der mit Mozart, Haydn und Ditters von Dittersdorf Quartette spielte, nach seinem Tod jedoch vergessen wurde und seit den 1990er Jahren wieder mehr beachtet und aufgeführt wird.

Helmut Branny, selbst Kontrabassist der Sächsischen Staatskapelle Dresden, künstlerischer Leiter der Dresdener Kapellsolisten, Forscher und Entdecker in Fragen des werkgetreuen Umganges und der Aufführungspraxis Alter Musik und Professor an der HfM, begleitete mit dem Orchester aus 21 jungen und auch einigen „gestandenen“ Musikern den 19jährigen Ión López Leal, Schüler eines Kontrabassisten der Sächsischen Staatskapelle (Raimond Püschel), bei diesem Konzert. Seine Musizierfreude traf sich mit der Spielfreude Vanhals. Leal meisterte die hohen spieltechnischen Anforderungen des Soloparts und bewältigte die im 1. Satz erstaunlich hoch zu spielenden Phrasen, die man dem Kontrabass eigentlich gar nicht zutraut und die neben den beweglichen Solopassagen immer wieder das Publikum begeistern. Da wurde präsentiert, was selbst ein Kontrabass alles kann.

Ab dem 2. Satz, in dem die lyrische Seite des Instrumentes zur Geltung kommt, entwickelte Leal außerdem eine sehr schöne Tongebung und meisterte im Finalsatz, einem heiteren Rondo mit eingängiger Harmonik und Melodik, die hohe Virtuosität. In allen drei Sätzen wird vom Solisten, vor allem in den Kadenzen, die von einem Zeitgenossen Vanhals, Johannes Sperger, Kontrabassist und Komponist, stammen, hohes technisches Können gefordert, die der junge Solist mit erstaunlicher Fertigkeit bewältigte, eine sehr beachtliche Leistung eines Neunzehnjährigen, von dem, wenn nicht alles trügt, in Zukunft noch viel zu erwarten sein wird.

Für die „Sinfonia concertante Es‑Dur für Violine, Viola und Orchester“ KV 364 (320 d) wuchs das HSO beträchtlich an. Zwei junge talentierte Solisten, die 24jährige Studentin Laura Delgado Casado aus Spanien und der 25jährige Björn Sperling aus Deutschland hatten die beiden Soloparts von Violine und Viola übernommen. Sie zeigten bereits sehr beachtliche Leistungen und entsprechende Virtuosität, spielten „auf gleicher Wellenlänge“ und ergänzten sich gegenseitig in schöner Weise.

Die Violinistin bewältigte den umfangreicheren Solopart im 1. Satz mit Eleganz und entwickelte im 2. Satz viel Innigkeit, ergänzt vom einfühlsamen Spiel des Bratschisten, der mit ihr wie in einem ausgeglichenen Dialog kommunizierte. Obwohl der Klang des Orchesters verständlicherweise noch nicht die bei Mozart erwartete Leichtigkeit und Lockerheit und den berühmten weichen, lieblichen Klang aufwies – junge Musiker konzentrieren sich zunächst vor allem auf die technische Seite – verfehlte die bekannte und beliebte „Sinfonia concertante“ ihre Wirkung nicht und wurde vom Publikum begeistert gefeiert.

Noch größer wurde das Orchester für Joseph Haydn, dem Dritten im Bunde des rein klassischen Programmes im engeren Sinne, und seine „Sinfonie Nr. 100 G‑Dur“, bekannt als „Militärsinfonie“. Wie bei den beiden vorangegangenen Werken wurde auch hier mit großer Ernsthaftigkeit gespielt. Laut und kraftvoll, mit sauberen Bläsern aus den Reihen der Studierenden, großer Trommel, Pauke und Triangel wurde bei teilweise sehr schönem Orchesterklang auch der „militärische“ Charakter der Sinfonie mehr betont als allgemein gewohnt. Ein kleines Fanfarensolo wirkte wie ein „Weckruf“. Immer wieder setzten aber in echt Haydnschem Wohlwollen auch schöner Klang und innere Ausgeglichenheit ein, versöhnlich und humorvoll, eben typisch Haydn. Die jungen Musiker brachten eine Sinfonie mit „echt militärischem“ Charakter, oder besser: eine unterhaltsame Sinfonie mit militärischen „Ausflügen“ und „Anflügen“ zur Gehör.

Branny leitete jedes Werk in genau richtig erscheinendem Zeitmaß und mit viel musikalischem Gespür, sehr zur Freude des zahlreich erschienenen Publikums, dessen begeisterter Applaus belohnt wurde, denn was wäre ein Neujahrskonzert ohne Orchesterzugabe! Es gab eine ganz „stilechte“ in Anlehnung und als Referenz an das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker mit ihrem „sprichwörtlichen“ Programm der Strauss-Dynastie, Lanner & Co. Hier gab es die „Pizzicato-Polka“ von Johann Strauss jun. und seinem Bruder Joseph, sehr zart und fein gespielt, mit Triangel wie eine Spieldose, viel Witz und Humor. So kann auch die sogenannte „E‑Musik“ sehr lustig, locker und heiter sein und selbst Klassik-„Muffel“ begeistern.

Ingrid Gerk

 

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