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DRESDEN/ Hochschule für Musik: EIN SEHR AMÜSANTER LIEDERABEND MIT ANDREAS SCHEIBNER

25.03.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden / Hochschule für Musik: EIN SEHR AMÜSANTER LIEDERABEND MIT ANDREAS SCHEIBNER – 24.3.2019

Es gibt „klassische“ Liederabende mit ernsthaften Gesängen, wie sie kürzlich von Michael Volle und Anja Harteros an der Semperoper geboten wurden, heitere mit fröhlichen Liedern, die seltener sind, und meistens eine „Mischung“ aus ernsten und heiteren Liedern und Gesängen, aber ein so persönlicher, amüsanter und kurzweiliger Liederabend, wie der von Andreas Scheibner, einst Publikumsliebling an der Semperoper, jetzt an den großen Bühnen Deutschlands und Europas zu Hause, kommt schon seltener vor. Unter dem Titel „Von Hexen, Elfen, Erlkönigen und and’rem Traumgelichter“ hatte Scheibner vor allem aus dem deutschen Liedschatz von der Klassik über das romantische Lied bis hin zur Moderne ein umfangreiches, sehr gut abgestimmtes und interessantes Programm zusammengestellt.

Mit perfekter Textdeklamation, seiner klangvollen Stimme und hervorragender Gesangstechnik trug er bekannte und kaum oder gar nicht bekannte Lieder von Carl Loewe, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ludwig van Beethoven, Feruccio Busoni, Johann Friedrich Reichardt, Franz Schubert, Armin Knab, Modest Mussorgski, Louis Spohr, Erich Wolfgang Korngold und Wilhelm Weismann vor und „kommentierte“, die einzelnen Lieder, ein- und überleitend, locker, interessant und amüsant über Wissenswertes plaudernd und mit historischen und persönlichen Anekdoten auffrischend, wobei so manches romantische Lied auch mit einem gewissen Augenzwinkern aus heutiger Zeit angekündigt wurde.

Aus der kaum zu überschauenden Vielzahl von Vertonungen (und „Verballhornungen“) des „Erlkönigs“ von Goethe hatte er vier besonders charakteristische ausgewählt, die von Karl Loewe, die in vieler Hinsicht der von Franz Schubert ähnelt, ohne dass sich beide kannten, die von Johann Friedrich Reichardt in schlichter, wenn nicht simpler, Strophenform, die Goethe sehr schätzte, weil die Dichtung dabei dominant blieb, während er Franz Schuberts „Erlkönig“ -Vertonung unbesehen zurücksandte (er hatte schon eine), eine Vertonungs-Skizze aus Ludwig van Beethovens Jugendzeit, die Reinhold Becker „aufbereitete“, und natürlich die von Franz Schubert, die die Nachwelt am meisten schätzt. Außerdem war auch ein Vergleich des berühmten „Flohliedes“, „Mephistos Lied“ aus Goethes „Faust I“, von Beethoven und Modest Mussorgski möglich, das kaum qualitative Unterschiede erkennen ließ, lediglich geprägt durch Emotion und nationale Wurzeln der Verfasser, bei Beethoven mit wohlüberlegten Anspielungen, bei Mussorgski echt russisch, drastisch.

Am Flügel wurde Andreas Scheibner gleich von zwei jungen Damen begleitet, bis zur Pause von Eunshil Oh, Studentin einer Meisterklasse an der Hochschule für Musik Dresden, mit richtiger Diktion, aber noch etwas vordergründig und jugendlich ungestüm, und nach der Pause von Gayeon Lee mit sehr viel mehr Einfühlungsvermögen und im Einklang mit Gesangsstimme und Gestaltung.

Scheibner ist kein Sänger mit viel Publicity. Ihm ist die Vollkommenheit des Gesanges, ob Oper, Oratorium oder Lied, das Wichtigste. Er ist ein Sachwalter der Musik, der sich seinen geistreichen Humor bewahrt hat. Derbes oder Oberflächliches sind ihm fremd. Sein Humor resultiert aus Wissen, Überlegenheit und Wohlwollen.

Seine Kommentare waren so heiter, amüsant und treffend, dass man am Ende trotz oder gerade wegen der großen Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit erstaunt war und bedauerte, dass der Liederabend „schon“ zu Ende war. Man hätte gern noch länger zugehört, aber als Zugabe gab es zum Schluss doch noch eine Überraschung der besonderen Art. Beide Pianistinnen spielten den „Erlkönig“ vierhändig, und Scheibner holte seinen „Sohn“, eine Handpuppe, wie sie auch Norman Shetler in seinem musikalischen  Puppentheater agieren ließ, und „sang“ mit „seinem Kind“ im stummen Duett Goethes Verse zu den Klängen des Klaviers. Das mag simpel klingen, aber wie er das ausführte, war Humor auf höchster Ebene für Kenner und Liebhaber.  

Ingrid Gerk

 

 

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