Dresden / Gemeindesaal der Christuskirche: „SYMPHONISCHE BRECHNUNGEN“ IN DER REIHE „MEISTERWERKE – MEISTERINTERPRETEN“ – 2.3.2025
Die Konzertreihe „Meisterwerke – Meisterinterpreten“ hat in Dresden eine lange Tradition und erfreut sich immer noch und immer wieder sehr großen Zuspruchs. 1954 gegründet, besteht sie schon über 70 Jahre, in denen es zahlreiche Wandlungen und bewegte Zeiten gab, in denen sie nur durch das Engagement führender Musiker der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie sowie musikbegeisterter, treuer Hörer getragen wurde. Ihre große Popularität geht nicht zuletzt auf die Zeit zurück, als das legendäre Ulbrich-Quartett der Sächsischen Staatskapelle diese Reihe zu ihrem Lebenswerk machte und wahre „Sternstunden“ der Musik bescherte.
Jetzt lenken Eva Dollfuß, Dresdner Philharmonie und Matthias Wilde, Sächsische Staatskapelle, die Geschicke der Konzertreihe, bei der sie auch sehr aktiv in den Konzerten mitwirken. Bei diesem Konzert mit dem Titel „Symphonische Brechungen“ zum 80. Geburtstag des weltweit gefragten Pianisten Peter Rösel, der neben seinen zahlreichen internationalen Auftritten auch immer wieder Zeit fand, bei dieser anspruchsvollen Kammermusikreihe mitzuwirken, war das Programm auf den Ehrengast zugeschnitten.
Als persönliches Geschenk der Musiker an den Jubilar erklang zu Beginn ein „Allegro“, ein Satz aus dem unvollendeten „Trio B-Dur“ für Violine, Viola und Violoncello (D 471) von Franz Schubert, der mit Hingabe und Einfühlungsvermögen, sehr guter Klangqualität und in schöner Übereinstimmung der drei ausführenden Musiker Eva Dollfuß, Violine, Matan Gilitchensky, Viola und Matthias Wilde, Violoncello zu Gehör gebracht wurde – Kammermusik vom Feinsten.
Dass Kammermusik auch symphonische Dimensionen annehmen kann, bewiesen Peter Rösel, Klavier, Eva Dollfuß und Yuna Toki, Violinen, Matan Gilitchensky, Viola, und Matthias Wilde, Violoncello bei den beiden Hauptwerken des Abends. *
Das in einer, für Dmitri Schostakowitsch noch relativ unbeschwerten Zeit, in der er auch seine 6. Sinfonie schrieb, entstandene fünfsätzige “Klavierquintett g-Moll“ (op. 57) vermittelt eine für den Komponisten vergleichsweise scheinbar heitere Stimmung und Musizierfreude, aber auch Bedrückung, die sich ein Jahr vor dem Krieg schon andeutete. Die fünf Musikerinnen und Musiker spürten diesem Zwiespalt mit viel Verständnis und technischer Perfektion nach.
Mit einem ausdrucksstarken siebentaktigen Klaviersolo, mit dem die gesamte Thematik weggenommen und vorgestellt wird, eröffnete Rösel das Klavierquintett, bei dem die langsamen Sätze, das Ernsthaft-Meditative dominieren und die, aus einer ernsthaften Beschäftigung mit J. S. Bach resultierende, Linienführung und Strukturen wie Präludium und – bei genauem Zuhören – auch die, sich fast wieder auflösende, Fuge deutlich wahrzunehmen waren. Zwischen scheinbarer Heiterkeit, mitunter fast quirlig, energiegeladen, aber nie vordergründig, und mit fast tänzerischer Gelöstheit, sowie bewusst simplen, scheinbar volkstümlichen Melodieandeutungen, und bitterem Ernst ergab sich ein scheinbar heiterer Charakter in orchestraler Klangfülle, die – ähnlich wie bei Gustav Mahler – nicht über die Ernsthaftigkeit hinwegtäuschen konnte, zu viel ist in dieser Komposition gebrochen, weil emotional zerbrochen, denn Schostakowitsch reflektierte bei allem, was er komponierte, seine Umwelt.
Wirklich heiteren Charakter strahlte hingegen das „Klavierquintett f-Moll“ (op. 34) von Johannes Brahms aus. In sehr gutem Zusammenspiel steigerte sich das eingespielte Team, obwohl aus zwei verschiedenen Orchestern, in die Fülle von Brahms´ zahlreichen, genial zusammengefügten und verarbeiteten Einfällen mit Temperament und Feingefühl und erreichte eine Klangfülle und Vielfalt vergleichbar einem Orchester. Clara Schumanns Urteil vom symphonischen Charakter bestätigte sich in vielerlei Hinsicht. Nicht nur an Franz Schubert („Andante“, Rondo-Thema aus „Grand Duo“ im „Finale“) und Ludwig van Beethoven („Scherzo“ aus der „Fünften“) erinnernd, gibt es auch – was man kaum vermutet – Einflüsse von Richard Wagner, dessen Proben zum „Tristan“ Brahms in Wien erlebte und deren Eindrücke sich in der Motorik und Virtuosität auf der Basis eines hämmernden Motivs im „Scherzo“ wiederfinden. All das wurde in der, in sich geschlossenen, sehr klangschönen Wiedergabe deutlich.
Mit einem ausgelassen musizierten Satz als Zugabe für den begeisterten Applaus kehrten die Musiker noch einmal zu Schostakowitsch zurück.
Senecas berühmter Satz „Res severa verum gaudium“ („eine ernste Sache ist ein wahres Vergnügen“ oder „ein wahres Vergnügen ist eine ernste Sache“) ist der Wahlspruch und unter beiden Aspekten der Antrieb für das künstlerische Schaffen dieses engagierten Teams, das sich aus Mitgliedern zweier Orchester zusammensetzt und eine besondere Konformität erreicht.
Ingrid Gerk