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DRESDEN/ Frauenkirche: „WIENER KLÄNGE“, VOM STUTTGARTER KAMMERORCHESTER AN DIE ELBE GEBRACHT

24.02.2019 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: „WIENER KLÄNGE“, VOM STUTTGARTER KAMMERORCHESTER AN DIE ELBE GEBRACHT 23.2.2019

Nicht nur „die Liebe hat bunte Flügel“ – auch die Musik, und die kann sie ausbreiten über alle Grenzen hinweg, geografische, genremäßige, stilistische und traditionelle. So kann ein Orchester im Südwesten Deutschlands, das Stuttgarter Kammerorchester, spezifische Wiener Musik von der Donau an die Elbe ins östlichere Deutschland nach Dresden bringen. Susanne von Gutzeit leitete ihre Mitstreiter von der Violine aus mit zuweilen scharfem, forschem, in kleinen solistischen Passagen aber auch weicherem Ton und mit freundlichem Wesen, das sie in ein paar begrüßenden, einführenden und verbindenden Worten zum Ausdruck brachte.

Wiener Lebensart und Musik haben auch in Dresden den Nimbus des Besonderen. Mit einem „Nachtprogramm“ von „Einer kleinen Nachtmusik“ von Wolfgang Amadeus Mozart über echt Wiener gehobene Unterhaltungsmusik bis zur „Verklärten Nacht“ von Arnold Schönberg“ hatte sich das, 1945 gegründete, Stuttgarter Kammerorchester, das einst unter seinem Gründer Karl Münchinger der Inbegriff der Interpretation von Kammermusik und  Orchesterwerken in kleiner Besetzung auf höchstem Niveau war, bei diesem Konzert auch der leichteren musikalischen Unterhaltung zugewandt, was nicht nur beim Programm deutlich wurde.

Den Reigen eröffnete Mozarts „Kleine Nachtmusik“, eine reizvolle viersätzige Serenade in G‑Dur (KV 525), die er vier Jahre vor seinem Tod vermutlich als Freiluftmusik unter „heiterem“ Himmel für eine gesellige Abendunterhaltung mit muszierenden Freunden schrieb. Seine wohl bekannteste, beliebteste und wenn man so will, auch volkstümliche Komposition, wurde hier eher leicht genommen, wenn auch nicht mit der Leichtigkeit einer spritzigen Unterhaltung, Schwung und überlegener Musizierfreude, mit der dieser kleine Geniestreich oft so große Wirkung erzielt. Es wurde weniger lieblich oder liebenswürdig, sondern eher rational und ernst gespielt, aber Mozart dürfte nicht Mozart sein, wenn nicht auch eines seiner kleineren Werke voller Genialität stecken würde, die hier leider weniger spürbar wurde. Das musikalische Gefühl und die Freude an Mozarts schöngeistiger Unterhaltung scheinen leider allgemein langsam „aus der Mode zu kommen“.

Danach wurde es noch unterhaltsamer mit typisch Wiener Komponisten. Von Joseph Lanner, dem „Mozart der Tanzmusik“ und neben Johann Strauß senior der wesentlichste Begründer des Wiener Walzers, der zur „gehobenen“ Wiener Unterhaltungsmusik gehört wie die Strauß-Familie, waren „Die Romantiker“ (op. 167) zu hören. Die langsame, ernsthaft und mit leicht melancholischem Touch gespielte „Introduktion“, die fünf leichten, beschwingten „Walzer“ und die „Coda“ wurden mit fast mehr Temperament und Klangsinn musiziert als die „Kleine Nachtmusik“. Das kam natürlich beim Publikum an.

Mit den bekannten schmelzenden, gefühlvoll, leicht und locker, eher bedächtig, als mit dem Sturm der Leidenschaft gespielten Stücken „Marche Miniature Viennoise“, „Liebesleid“ mit wehmütigem Reiz und „Schön Rosmarin“ von Fritz Kreisler war man schließlich beim „Inbegriff einer erlesenen Wiener Kaffeehausmusik “ angekommen. Prinzipiell ist nichts einzuwenden gegen einen Ausflug „klassischer“ Musiker ins unterhaltsame Milieu, wenn es nicht zum Standard-Repertoire und Niveau eines renommierten Orchesters mit dem besten Ruf und verpflichtender Tradition wird.

Die Pause setzte eine sinnvolle Zäsur zu der anspruchsvolleren „Verklärten Nacht“, Arnold Schönbergs spätromantischem Streichsextett, das er 25-jährig, einige Jahre vor seiner Zwölftontechnik nach dem gleichnamigen, die Moralvorstellungen der damaligen Zeit sprengenden Gedicht von Richard Dehmel noch im Bann von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ schrieb und das in der Fassung für Streichorchester zu seinen meistgespielten Werken wurde. Die Stuttgarter begannen mit sehr leisen Tönen der tiefen Streicher und ließen es in wirklicher Verklärung ausklingen. In der verträumten, verklärten Stimmung war kaum eine Struktur oder große Linie zu erkennen. Es waren einfach nur nächtliche Klangbilder zum Dialog zweier Liebender.  

Entsprechend dem erklärten Ziel des neuen Artistic Directors, Daniel Hope, sollen auch Leute „von der Straße“ in die Frauenkirchen-Konzerte „gelockt“ werden, die sonst nicht unbedingt Konzertbesucher sind. Dazu war dieses Konzert angetan, aber waren sie auch da? – vielleicht, denn es wurde nach jedem Satz von Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ und jedem Stück von Kreisler applaudiert, obwohl es im Programmheft anders gewünscht wurde, oder war es das übliche Touristen-Publikum, dem dieses etwas andere Programm sehr gefallen hat?

 

Ingrid Gerk

 

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