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DRESDEN/Frauenkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON JOHANN SEBASTIAN BACH KANTATEN I – VI“

03.12.2022 | Konzert/Liederabende
Dresden/Frauenkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON JOHANN SEBASTIAN BACH KANTATEN I – VI“ – 2.12.2022

„Jauchzet, frohlocket! …“ heißt es alle Jahre wieder, wenn die Advents- und Weihnachtszeit beginnt und in Deutschland landauf – landab in Kirchen und Konzertsälen das „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach erklingt, ausgeführt von professionellen Solisten, Chören und Musikern und/oder musikbegeisterten Laien, meistens in einer guten „Mischung“ und einer Auswahl der Kantaten in allen möglichen Varianten und Zusammenstellungen. Der Möglichkeiten gibt es viele, alle sechs Kantaten auf einmal vor Weihnachten oder getrennt in zwei Teilen vor und nach Weihnachten oder nur Kantaten I-III  oder eine Mischung, z. B. I ‑ III und VI oder I, II, IV, VI usw., je nach Ansicht und/oder Möglichkeiten.

Die beim Publikum beliebteste Variante sind die ersten drei Kantaten vor dem Fest, aber die Kantoren und Dirigenten möchten – völlig zu recht – auch die anderen, ausdrucksstarken Kantaten aufführen, um sie den Besuchern nahe und Abwechslung in das Geschehen zu bringen. Gedacht waren die sechs Kantaten ursprünglich für die Zeit zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag (1734) und dem Epiphaniasfest (6. Januar), dem entspricht auch der Text, den man bei Solisten und Chören leider nur noch selten versteht, aber die meisten Menschen möchten das „Weihnachtsoratorium“ – und nur das und kein anderes! – vor Weihnachten hören.

Allein in Dresden und Umgebung wird Bachs beliebtestes sakrales Werk ungezählte Male in allen Facetten aufgeführt, aber der Besucherzustrom ist immer garantiert. Für die Dresdner Frauenkirche hat Frauenkirchenkantor Matthias Grünert – wie in den vergangenen Jahren auch – an zwei Abenden jeweils alle 6 Kantaten (2. und 3.12.) sowie einmal die Kantaten I ‑ II (5.12.) und einmal die Kantaten IV ‑VI (6.12.) vorgesehen, ein Mammutprogramm für alle Ausführenden, aber ein Magnet für die vielen, aus ganz Deutschland und weiter herbeiströmenden Besucher, für die seit der Wiedererrichtung der Frauenkirche Weihnachten nur noch denkbar ist in der Verbindung von diesem Bauwerk und Bachs Musik, hat doch Bach hier einst selbst an der damaligen Silbermannorgel gespielt. Dann ist die Kirche bis unters Dach mit erwartungsvollen Zuhörern gefüllt.

Mit dem ensemble frauenkirche und dem Kammerchor der Frauenkirche standen zwei tragfähige Säulen für die Aufführungen zur Verfügung, ein Potential, auf das sich Grünert stets verlassen kann. Die erste der Aufführungen (2.12.) mit allen 6 Kantaten stand naturgemäß noch etwas unter dem Eindruck des „Zusammenfindens“, obwohl sich jeder der Ausführenden für eine bestmögliche Wiedergabe engagierte. Erfahrungsgemäß gleicht sich das bei den darauffolgenden Aufführungen dann aus.

Grünert bevorzugte ein rasches Tempo, etwas schneller als üblich, was zuweilen für die, auch auf diesem Gebiet erfahrenen Ausführenden ein blitzartiges Umdenken erforderte, auf das sie sofort reagieren konnten. Die gesamte Aufführung dauerte etwa 3 Stunden – mit einer Pause zwischen den beiden Teilen. Zwischen den einzelnen Kantaten und vor allem den einzelnen Nummern gab es, bis auf eine kleine „Umbaupause“ vor Kantate Nr. VI – erfreulicherweise kaum Pausen, was einen relativ geschlossenen Eindruck ermöglichte. Die Solisten, die aus Platzgründen an der Seite saßen, gingen schon, während der Chor noch sang, zu ihrem Auftritt, eine gute Lösung in Anbetracht der Raumsituation am Altarplatz.

Die zuverlässige instrumentale Grundlage bildete das ensemble frauenkirche aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie, allesamt Meister ihres Faches und sehr gute Solisten bei der Einleitung und Begleitung der Arien. Es gab perfekte, sehr klangvolle Soli von einer und zwei völlig konformen Violinen, Flöte, und Oboe(n). Die perfekten, sauberen Trompeten und Hörner sorgten bereits mit dem Eingangschor für festlichen Glanz. Das gesamte Orchester musizierte in schöner Kontinuität und sorgte mit der feinsinnig musizierten „Sinfonia“ als Hirtenmusik am Beginn der 2. Kantate für weihnachtliche Stimmung.

Der, 2005 von Grünert gegründete, Kammerchor der Frauenkirche, ein sehr zuverlässiger Laienchor mit schönen Stimmen, überrascht immer wieder durch seine aufführungspraktische und stilistische Sicherheit. Er meisterte alle Schwierigkeiten und Klippen.

Im Solistenensemble wirkten erfahrene und mit Oratoriengesang vertraute Sängerinnen und Sänger mit. Marie Hänsel gestaltete die Sopranpartie mit klangvoller Stimme und entsprechendem Ausdruck, aber leider wenig Textverständlichkeit. Mit problemloser Höhe gestaltete sie die „Engelsverkündigung“ und überzeugte mit der „Echo-Arie“, bei der das Echo stilgerecht und dezent von einer Stimme aus dem Chor kam.

Die Altpartie, in die Bach die Betrachtungen der gläubigen Seele gelegt hat, war bei Britta Schwarz mit ihrer geschmeidigen, warmen, samtenen Altstimme, langem Atem und inniger Gestaltung bereits bei den sehr gut gestalteten Rezitativen und erst recht bei den Arien „Schlafe, mein Liebster“ und „Schließe, mein Herze, dies selige Wunder …“ in den allerbesten Händen bzw. Herz und Stimme.

Thilman Lichdi brachte seine internationalen Erfahrungen als Evangelist ein und „erzählte“ die Weihnachtsgeschichte mit der gegenwärtig bevorzugten Diktion, leicht dramatisch, sachlich, textorientiert und anfangs mit leichten, bei dieser Partie ungewohnten, Verzierungen. Bei den koloraturreichen Arien hielt er sich (lautstärkemäßig) geschickt zurück, während er die Berichte des Evangelisten mit Dynamik und bei entsprechendem Text mit innigem Ausdruck herüberbrachte.

In Höchstform bot Tobias Berndt mit voller, wohlklingender Stimme und perfekter Textverständlichkeit die Basspartie, souverän, abgerundet und inhaltsreich gestaltete. Mit seiner Erfahrung und seinem Können vermochte er auch bei erhöhtem Tempo flexibel mitzuhalten und sich anzupassen. Er steigerte sich in Musik und Text hinein und bot eine abgerundete ausgewogen gestaltete Basspartie.

Ingrid Gerk

 

 

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