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DRESDEN/Frauenkirche und Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON J. S. BACH GANZ OBEN AUF DER BELIEBTHEITSSKALA, ABER NUR DIE KANTATEN I ‑ III“

17.12.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche und Kreuzkirche: „WEIHNACHTSORATORIUM“ VON J. S. BACH GANZ OBEN AUF DER BELIEBTHEITSSKALA, ABER NUR DIE KANTATEN I ‑ III“ –  15./16.12.2018

In der Advents- und Weihnachtszeit hat in und um Dresden und in ganz Deutschland das „Weihnachtsoratorium“ von J. S. Bach Hochkonjunktur und genießt selbst bei Freunden “nichtklassischer“ Musik besondere Wertschätzung, jedoch nur die ersten drei Kantaten, und die nur vor dem Fest (!) – eine fest verwurzelte Meinung, der schwer zu begegnen ist, obwohl das auch nicht der ursprünglichen Konzeption entspricht, nach der die sechs Kantaten zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag (25. Dezember 1734) und Epiphanias (6. Januar 1735) (ur)aufgeführt wurden, aber es hat sich so eingebürgert, und die Besucher halten daran (sehr) fest.

Immer wieder versuchen Dirigenten und Kantoren, dem Publikum auch die anderen drei, nicht minder schönen, Kantaten durch sehr unterschiedliche Zusammenstellungen „schmackhaft“ zu machen, aber leider meist nur mit wenig Erfolg. Andere Weihnachtsoratorien, wie die von Camille Saint-Saëns oder Frank Martin haben da ohnehin kaum eine Chance. Sooft Bachs erste drei Kantaten landauf – landab in großen und kleinen Kirchen – auch in großer Dichte – aufgeführt werden, sind die Konzerte meist hoffnungslos ausverkauft, auch auf den schlechtesten Plätzen.

Ludwig Güttler, einer der erfolgreichsten Virtuosen der Gegenwart, der auch gern einmal Trompete und Corno da Caccia mit dem Dirigentenstab vertauscht, bot bei seiner diesjährigen AUFFÜHRUNG in der Frauenkirche (15.12.), die ohne sein unermüdliches Wirken wahrscheinlich nicht wieder aufgebaut worden wäre, eine sehr passable Lösung, bei der sich die Fluktuation nach der dritten Kantate sehr in Grenzen hielt. Er brachte – sozusagen als „Zugabe“ – nach den beliebten ersten drei Kantaten noch die sechste und letzte mit ihren festlichen Trompetenklängen, was ihm als Trompeter sehr am Herzen liegt, und die Menge der verbliebenen Zuhörer war begeistert.

Die Qualität der meisten Aufführungen genügt immer wieder höchsten Erwartungen, da einige sehr gute Chöre und die Orchester aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie über jahrzehntelange Erfahrungen verfügen und immer wieder hohe Maßstäbe gesetzt haben, an denen sich auch die jüngeren Künstler, insbesondere auch die Solisten orientieren und immer wieder nach Höchstleistungen auf diesem Gebiet streben.

Bei dieser Aufführung konnte sich Güttler auf zwei äußerst zuverlässige „Säulen“ stützen, die ihm schon oft zur Seite standen, das sehr gut von Matthias Jung vorbereitete und bei der Aufführung von Oratorien sehr erfahrene Sächsische Vocalensemble und die Virtuosi Saxoniae, das von Güttler aus führenden Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle gegründete Kammerorchester, das äußerst zuverlässig und mit seinen besonderen Klangqualitäten dem Ganzen festlichen Glanz verlieh, zu dem nicht zuletzt die sehr sauberen und äußerst klangschönen Trompeten, Holzbläser und Streicher beitrugen. Die Musiker lassen sich das Oratorium immer wieder angelegen sein und warten jedes Mal von neuem mit großem Gestaltungswillen fernab aller Routine und liebevoller Ausführung, auch der feinsten Details, auf.

Im Solistenquartett hatte Barbara Felicitas Marin die (kleinere) Sopranpartie mit Engelsverkündigung und der, gemeinsam mit dem Bass zu singenden, Arie „Herr, dein Mitleid“ übernommen, letztere mitgestaltet von Johannes G. Schmidt, der sich der Basspartie widmete. Die Rezitative und Arien der wesentlich umfangreicheren Altpartie gestaltete Sonja Koppelhuber zuverlässig mit ihrer wohlklingenden, warmen Stimme und guter Textverständlichkeit, einschließlich der, mit dem Violinen-Solo vom Ersten Konzertmeister der Sächsischen Staatskapelle und der Virtuosi Saxoniae, Roland Straumer, liebevoll mit Klangbrillanz und Innigkeit eingeleiteten und begleiteten Arie „Schließe, mein Herze, dies selige Wunder“ (Kantate III). Besonders gute Textverständlichkeit zeichnete auch die von Uwe Stickert mit seinem leicht dunkel timbrierten Tenor überzeugend gestaltete Evangelisten-Partie und die Tenor-Arie aus. An der Orgel war Friedrich Kircheis nicht nur ein sehr zuverlässiger Mitstreiter. Seine besonders klangschöne und einfühlsame Orgelbegleitung verlieh der Aufführung etwas sehr Feierliches.

Bei der sehr gefragten, traditionellen AUFFÜHRUNG DES DRESDNER KREUZCHIORES (16.12.) in der Kreuzkirche unter Kreuzkantor Roderich Kreile bleibt es bei der langen Tradition, die Kantaten I – III möglichst kurz Weihnachten und die Kantaten IV ‑ VI nach dem Fest aufzuführen, was den Besuchern sehr entgegenkommt, wobei die drei Aufführungen der ersten drei Kantaten schon lange vorher ausverkauft sind, während für die anderen drei Kantaten eine Aufführung nach Weihnachten genügt!

Hier bildete wie immer, die Dresdner Philharmonie, die in jahrzehntelanger Tradition die meisten Konzerte des Dresdner Kreuzchores mitgestaltet hat, das klangschöne Fundament. Mit ihrem besonders warmen, schönen Orchesterklang und sehr schönen Soli von Flöte, Englischhorn und Trompeten und nicht zuletzt der innigen Oboe d’amore und dem Violinen-Solo des 1. Konzertmeisters (Wolfgang Hentrich) mit geheimnisvollem Pianissimo und feinsten Verzierungen bei der Arienbegleitung („Schließe mein Herze“) schufen die Musiker mit natürlicher Empfindung eine gleitende, fließende, alles zusammenschweißende Verbindung zwischen vokaler und instrumentaler Seite.

Der ausgeglichen singende Dresdner Kreuzchor bildete mit seinen exakten Einsätzen, gutem Gesamtklang, genauem Zusammenwirken der Stimmgruppen und in bester Übereinstimmung mit dem Orchester das vokale Pendant. Mit kraftvoll gesungenen Chören und sehr schönen, differenziert gesungenen, Chorälen wie dem besonders eindrucksvoll gelungenen Choral „Ich will dich mit Fleiß bewahren“ verlieh der Chor der Aufführung viel Vitalität, die mit dem Chor „Seid froh dieweil“ einen machtvollen Ausklang erfuhr.

Monika Mauch sang die Engelsverkündigung und zusammen mit dem Bass die Arie „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“. Mit warmer, gut klingender Stimme, vor allem in der Höhe, sang Annekatrin Laabs die Rezitative und Arien der Alt-Partie mit Innigkeit, gewissenhaft bis ins Detail und mit sehr natürlich wirkenden Verzierungen, wobei sie bei der Arie „Schlafe, mein Liebster … wo wir unser Herz erfreuen“ wirkliche Freude ausstrahlte. Die Evangelisten-Partie lag in den Händen von Sebastian Kohlhepp, der auf große Genauigkeit und Lebhaftigkeit orientierte und die Tenor-Arie mit dezenten Verzierungen ausschmückte.

Obwohl als indisponiert angekündigt, überraschte Julian Orlishausen mit wohlklingender Stimme und sehr schöner, ausgeglichener, sehr exakter, differenzierter und nuancenreicher Gestaltung der Basspartie, einschließlich souveräner Darbietung der gefürchteten „Trompeten-Arie“, umrahmt von festlichem Trompetenklang. Mit seinem edlen Gesang auf sehr hohem Niveau, einer farbenreichen Palette an Ausdrucksmöglichkeiten und Zwischentönen lotete er die Partie in relativ langsamem, dennoch von innerer Spannung getragenem Tempo und mit sehr guter Artikulation und Textverständlichkeit in ihrer geistigen und geistlichen Tiefe aus und verlieh der Aufführung damit glanzvolle Höhepunkte.

Ingrid Gerk

 

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