- Dresden/Frauenkirche: „THE MESSIAH“ UNTER MICHAEL GÜTTLER – 1.1.2024
Der Initiator des Wiederaufbaus der Frauenkirche, Trompeter der Spitzenklasse und Künstlerischer Leiter der Frauenkirche, Ludwig Güttler hatte nach der Wiedereinweihung der Kirche die Aufführung des „Messias“ von Georg Friedrich Händel am Neujahrstag zu einer schönen Tradition gemacht. Im vergangenen Jahr hat er erstmals seinem Sohn Michael Güttler die Leitung übertragen und sich mit diesem Konzert aus Alters- und Gesundheitsgründen aus dem aktiven Musikleben verabschiedet.
Diese Aufführung war so erfolgreich, dass alle den Wunsch hatten, diese Tradition fortzuführen. Der Chor, die ausgezeichneten Hallenser Madrigalisten und das Orchester, die von Ludwig Güttler aus führenden Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle gegründeten Virtuosi Saxoniae, standen immer und stehen auch weiterhin als zwei tragende Säulen zur Verfügung. Unter der erneuten inspirierenden Leitung von Michael Güttler trugen sie wesentlich dazu bei, dass auch der Jahresbeginn 2024 zu einem musikalischen Ereignis wurde, wie es schöner und stimmungsvoller kaum sein kann – leider schon zum letzten Mal, aus welchen Gründen auch immer.
Güttler hatte bei dieser Aufführung für alles das richtige Tempo gewählt, bei dem sich der besondere Klang des Orchesters und die Stimmen des Chores und der Solisten entfalten konnten. Er setzte Akzente und arbeitete wichtige Stellen als Höhepunkte heraus, verlieh den Chören Dynamik, ohne zu übertreiben und inspirierte die Ausführenden zu hohen Leistungen. Das Orchester fiel durch seinen edlen Klang und feinstes Pianissimo auf. Es bildete die Basis für eine sehr harmonische Gesamtwirkung. Der Chor (Einstudierung Tobias Löbner) sang sehr kultiviert, ausgesprochen sicher und klangschön und präzise bis ins Detail.
Narine Yeghiyan bewältigte die Sopranpartie sehr unterschiedlich, steigerte sich aber im Verlauf der Aufführung immer mehr, von anfänglicher Zurückhaltung bis zu akzeptablen Arien, mit klarer Stimme, mitunter aber auch lauter, schriller Höhe, leisen Koloraturen und gut gemeinten, manchmal aber auch überflüssigen Verzierungen bei ihrer individuellen Gestaltung. Gerade die vom Komponisten offen gelassenen Verzierungen erfordern sehr viel Einfühlungsvermögen in die musikalischen Linien. Das seelenvolle „Er weidet seine Herde“ geriet zunächst etwas kühl, aber auch hier steigerte sie sich allmählich.
Über den Einsatz von Countertenören statt Artistinnen in Oratorien ist schon viel diskutiert worden. Händel akzeptierte zwar Kastraten in der Oper, im „Messiah“ sangen nachweislich jedoch immer Sängerinnen die Altpartie (mit einer Ausnahme). David Erler, ein geschätzter Altus, schien bei dieser Aufführung sehr mit der gesangstechnischen Seite beschäftigt, die für eine Altistin oder Mezzosopranistin naturgemäß weniger problematisch ist, so dass sie sich mehr auf die interpretatorische Seite konzentrieren kann.
Georg Popluz konnte als viel beschäftigter Oratorien-Tenor seine Erfahrungen einbringen und sang die Tenor-Arie mit Kraft und Lautstärke.
Andreas Scheibner, in Oper und Oratorium gleichermaßen engagiert, widmete sich der Basspartie, einschließlich der gefürchteten „Trompeten“-Arie, die vom Orchester einfühlsam mit feiner, klangvoller Trompete mitgestaltet wurde, souverän, gut bei Stimme und ohne die geringsten technischen Probleme, auch bei zügigem Tempo – eine ideale Interpretation dieser Partie.
Es war trotz einiger Unterschiede, eine sehr ansprechende, in sich geschlossene Aufführung, bei der man sich unbedingt eine Fortsetzung wünschte, aber es war leider schon die letzte Aufführung dieser Art.
Ingrid Gerk