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DRESDEN/ Frauenkirche: SERGEJ LEIFERKUS UND KRISTJAN JÄRVI IM KONZERT MIT DEM MDR-SINFONIEORCHESTER UND MDR RUNDFUNKCHOR

23.11.2014 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: SERGEJ LEIFERKUS UND KRISTJAN JÄRVI IM KONZERT MIT DEM MDR-SINFONIEORCHESTER UND MDR RUNDFUNKCHOR – 22.11.2014

 “ Requiescant in pace “ („Ruhe in Frieden„) war das Thema des Konzertes von Sinfonieorchester und Chor des Mittedeutschen Rundfunks (mdr), das dem Gedenken an den verstorbenen Gründungsintendanten (1991 bis 2011) des mdr, Udo Reiter, gewidmet, am Vorabend des Ewigkeitssonntags in der Dresdner Frauenkirche, am nächsten Tag vormittags noch einmal im Leipziger Gewandhaus und am Abend im Hörfunk zu erleben war.

 Im 1. Teil drängte sich eher die veraltete volkstümliche Bezeichnung „Totensonntag“ auf, da 2 Kompositionen erklangen, die eher die düstere Seite des Todes und Sterbens, die Vergänglichkeit des Lebens betonen.

 „Die Toteninsel“ von Sergej Rachmaninow entrückte in Stimmungen und Gedanken des Todes als das Lebensfeindliche, Aussichtslose, die Vereinsamung der Seele und des Unumkehrbaren in Anbetracht eines bevorstehenden Begräbnisses auf dem Weg zur ewigen Ruhe mit nur wenigen lichten Momenten. Um die Jahrhundertwende war die Toteninsel ein beliebtes Sujet. Rachmaninow wurde zu seiner Tondichtung, die er in Dresden begann und in der er sich einer modernen, kraftvollen Tonsprache mit mystischen Tönen bedient, durch einen Schwarz-Weiß-Druck des (farbigen) Gemäldes, der „Toteninsel“ von Arnold Böcklin (1827 – 1901), einem Schweizer Maler und Hauptvertreter des deutschen Symbolismus, angeregt.

 Unter Kristjan Järvis sehr agiler Leitung brachte das mdr Sinfonieorchester in sehr exakter Ausführung, die Gedanken an die Vergänglichkeit des Seins, emotional aufgeladen, zum Ausdruck. Wie ein Klangteppich in gut abgestufter Lautstärke und Klangfarbe breitete sich der sehr klare Gesamtklang des auffallend konform musizierenden Orchesters aus und vermittelte mitunter die Vision einer endlosen traurigen Weite. Manchmal blitzten bedrohliche Momente durch Schlagwerk, Pauke oder Becken auf, dann wieder Glockentöne, helle, dumpfe und dunkle wie Totenglocken – eine sehr plastische, elegische Wiedergabe, die am Ende leise, in einsamen, sich verlierenden Tönen ausklang. Järvi schien ganz in dieser Musik zu „leben“ und inspirierte das Orchester zu Höchstleistungen. So exakt und durchsichtig mit gut zueinander abgestimmten Instrumentengruppen und traumhaft schönen Piani der Geigen musiziert, war es eine jener eindrucksvollen Wiedergaben, die unmittelbar und sehr eindringlich den Hörer gefangen nehmen.

 Das Thema „Tod“ verarbeitete auch Modest Mussorgsky in seinen „Liedern des Todes“, bezogen auf den „Danse Macabre“, den „Totentanz“ lebender Menschen mit dem Tod in Gestalt eines Gerippes, der aussagt, dass ein jeder sterben muss, dass Werden und Vergehen, Leiden, aber auch Trost das Leben bestimmen. Da Mussorgsky aufgrund seines frühen Todes seinen, ursprünglich für eine Frauenstimme vorgesehenen, Liederzyklus nicht veröffentlichen konnte, wurde dieser von Rimskij-Korsakow und Glasunow bearbeitet. Im Konzert erklang die Fassung von Dmitri Schostakowitsch, der den Zyklus als Erster orchestrierte.

 Sergej Leiferkus trug die Lieder sehr ausdrucksstark und eindringlich vor. Als einer der renommiertesten Opernsänger hat er sich die intimere Kunst des Liedgesanges bewahrt, wobei ihm seine Vielseitigkeit und Ausdrucksfähigkeit sehr zustatten kam. Er sang sehr ausgeglichen mit exakter Höhe und guter Tiefe, dem Text angemessener Differenzierung innerhalb eines Liedes und der Lieder zueinander und mit sehr guter Artikulation, so dass sich die Lieder in ihrer Aussage unmittelbar mitteilen konnten.

 Im „Wiegenleid“, das der Tod gegen die Abwehr der Mutter dem fiebernden Kind singt, hielt sich Leiferkus entsprechend zurück, in der „Serenade“, in der der Tod um eine junge, lebenswillige, aber kranke Frau erst wirbt und sie dann fordert, beherrschte er die ruhigen, schmeichelnden Töne wie die unerbittlich fordernden, so auch in „Trepak“, wo der Tod einen nächtlich heimkehrenden, betrunkenen Bauer im Totentanz zur letzten Ruhe in den Schnee bettet und bei dem das Orchester leise verhalten ausklang. Bei dem Lied „Der Feldherr“, in dem der Tod den Krieger in die letzte Schlacht führt, und letztendlich über das Schlachtfeld geht und „reiche Ernte hält“, sang Leiferkus sehr ausdrucksstark, unterstützt durch die laute, bedrohliche Pauke und expressives Schlagzeug. Bei aller Ausdrucksstärke sang er sehr kultiviert und auf hohem Niveau, jedes Lied ganz dem Inhalt verpflichtet. Das Orchester war ihm dabei ein adäquater Partner.

 Als 3. Säule hatte Järvi das 1994 entstandene „Requiem“ für Chor und Orchester seines Landsmannes Erkki-Sven Tüür, eines der bekanntesten zeitgenössischen Komponisten Estlands ins Programm aufgenommen. Dieses „Requiem“ basiert auf einem gekürzten religiösen Text der lateinischen Totenmesse, ohne jedoch die übliche Unterteilung in Nummern. Tüür widmete es in memoriam seinem verstorbenen Freund, dem talentierten estnischen Dirigenten Peeter Lilje, der mit 43 Jahren an einem Herzinfarkt starb.

 Als Rückzug auf die geistliche Musik des Mittelalters, einem Merkmal der zeitgenössischen baltischen Komponistengeneration, eröffneten die perfekten, gut klingenden Bassstimmen des Chores das Requiem in der Art eines einstimmigen Gregorianischen Chorals, bevor weitere Stimmen und die Streicher hinzukommen. Tüür verbindet aber auch traditionelle Elemente mit den kühnsten stilistischen Neuerungen, hinterfragt Hörerwartungen und bürstet Klangfolgen gegen den Strich, was sich drastisch in lautstarken Passagen wie dem Schrecken des Jüngsten Gerichtes, kontrastiert von Passagen des Flehens und der Hoffnung auf Erlösung niederschlägt, wobei neben den Streichern ein präpariertes Klavier, dessen Saiten gezupft wurden, Triangel usw. zum Einsatz kamen.

 Die beiden Solostimmen wurden von Solisten aus dem Chor gesungen. Als einsame, sanfte Frauenstimme beeindruckte Antje Moldenhauer-Schrell mit ihrem innigen, sehr sicheren und klangvollen Sopran sowie Falk Hoffmann mit sehr ansprechender Tenorstimme und guter Gestaltung.

 Von der eindringlichen und nachhaltigen Interpretation von Chor (in der Einstudierung des jungen belgischen Dirigenten Bart van Reyn), Orchester und den beiden Solostimmen unter der Leitung von Kristjan Järvi war das Publikum so angetan, dass Järvi seinen Worten: „Ja, ich habe eine Zugabe“ mit einem weiteren Werk von Tüür, der sehr getragen „zelebrierten“ „Passion“ auch Taten folgen ließ.

 Ingrid Gerk

 

 

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