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DRESDEN/ Frauenkirche: MUSIKALISCHE WEIHNACHTEN MIT LUDWIG GÜTTLER UND SEINEN ENSEMBLES

29.12.2014 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: MUSIKALISCHE WEIHNACHTEN MIT LUDWIG GÜTTLER UND SEINEN ENSEMBLES – 19. und 27.12.2014

 

In Wien kennt man den Dirigenten Michael Güttler, in Dresden seinen Vater, Ludwig Güttler, der als Trompeter, Leiter von Oratorienaufführungen und verdienstvoller Initiator des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche bekannt ist und sich auch bei der Wiederentdeckung des Corno da caccia für die Aufführungspraxis und die Wiederaufführung von Musikliteratur der Barockzeit aus den Archiven der Sächsischen Landesbibliothek große Verdienste erworben hat. Vor und nach Weihnachten trat er mit zwei seiner, von ihm gegründeten, Ensembles, den Virtuosi Saxoniae und seinem Blechbläserensemble Ludwig Güttler auf.

 In der Reihe der in der Vorweihnachtszeit von Einheimischen und den vielen Gästen der Stadt stark gefragten Weihnachtsoratorien brachte Güttler als „WEIHNACHTEN IM ALTEN SACHSEN“ (19.12.) eine gelungene „Mischung“ aus 3 Kantaten von J. S. Bachs „Weihnachtsoratorium“ und einem „Weihnachtsoratorium“ von Gottfried August Homilius (1714-1785) mit dem Titel „Die Freude der Hirten über die Geburt Jesu“ zur Aufführung, aber nicht – wie allgemein praktiziert – mit Bachs ersten 3 Kantaten für die früher üblichen 3 Weihnachtsfeiertage, sondern mit den Kantaten I, III und VI von Bach, wobei zwischen die 1. und 3. Kantate das „Weihnachtsoratorium“ von Homilius eingeschoben wurde, was durchaus nicht als „Stilbruch“ wirkte, sondern sich ohne Brüche ineinanderfügte.

Damit wurde noch einmal an den 300. Geburtstag von Homilius im Jubiläumsjahr erinnert, das zumindest in Dresden gebührend gefeiert wurde. Homilius war vermutlich ein Schüler Bachs und (historisch belegt) Organist an der Dresdner Frauenkirche, später Kantor des Dresdner Kreuzchores, zunächst an der Kreuzkirche und nach deren Zerstörung im 18. Jh. wieder in der Frauenkirche. Dass seine Kompositionen seinerzeit selbst an Bachs einstiger Wirkungsstätte, der Leipziger Thomaskirche, höher geschätzt wurden als die Bachs, mag an ihrer relativ leichten Ausführbarkeit und großen emotionalen Wirkung beruhen, was auch bei dieser Aufführung deutlich wurde. Homilius‘ Musik nimmt durch ihre Klangfülle unmittelbar gefangen und verfehlt ihre Wirkung auch bei jungen Leuten nicht, weshalb man sich wundert, dass es erst eines Jubiläumsjahres bedarf, um das allgemeine Interesse wieder auf diese Musik zu lenken.  

 Mit dem, von Matthias Jung sehr sorgfältig vorbereiteten Sächsischen Vokalensemble, einem Chor mit allen Tugenden, der für besondere Qualität steht und dessen Sängerinnen und Sänger über klangvolle Stimmen, sehr gute Artikulation und musikalisches Stilgefühl verfügen, und den Virtuosi Saxoniae aus führenden Musikern der Sächsischen Staatskapelle Dresden standen zwei leistungsstarke „Säulen“ für die Aufführung zur Verfügung, die durch gleiche Werkauffassung und großes Können in idealer Weise harmonierten.

 Bei Uwe Stickert lag die Evangelisten-Partie in sehr guten Händen. Ausgeglichen und doch sehr vital, abwechslungsreich und spannend erzählte er die Weihnachtsgeschichte mit angenehmer Stimme. Er gestaltete die Partie wie ein interessanter Erzähler, ohne zu übertreiben. Peter Schreier hat seinerzeit mit der Evangelistenpartie nachhaltige Maßstäbe gesetzt, die wohl kaum zu toppen sind. Stickert interpretierte naturgemäß etwas anders, war aber auf seine Art sehr überzeugend und sang die Arien, vor allem bei Homilius, sehr gewissenhaft und niveauvoll.

 Barbara Christina Steude widmete sich mit ihrer sanften, klaren und klangvollen Stimme der Sopranpartie. Sie sang Arien und Rezitative mit großer Innigkeit und maßvollem Ausdruck. In dem Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen“ harmonierte ihre Stimme aufs Schönste mit der des Bassisten Andreas Scheibner, der mit ausgezeichneter Textverständlichkeit, kraftvoll, wenn es der Text erforderte, aber auch sanfter, in jedem Falle aber ausdrucksstark Text und Musik zu vermitteln vermochte. Er ist nicht nur Opernsänger, sondern auch ein erfahrener Oratoriensänger und ‑gestalter. Die oft gefürchtete Arie „Großer Herr und starker König“ bedeutete für ihn keine Hürde. Er sang sie mühelos. Technisch scheint es für ihn keine Probleme zu geben. Er kann dieses Potential für eine intensive Gestaltung und gute Charakterisierungskunst einsetzen, um den Inhalt der Worte als Musik zu vermitteln. Allein, wie er es verstand, in den wenigen Worten des Herodes die unterschwellige Falschheit unter einer scheinbar wohlwollenden Oberfläche zum Ausdruck zu bringen, war beeindruckend. 

 Mit angenehmer, ausdrucksvoller Stimme, aber sehr individuellen Verzierungen sang Annekathrin Laabs die seelenvollen Alt-Arien und Rezitative. Bei der Arie „Schließe,  mein Herze, dies selige Wunder“ verbanden sich Singstimme und die besonders klangschöne, seelenvolle Begleitung der Solovioline (Roland Straumer) auf besondere Weise. Erfreulicherweise verfügten alle vier Solisten über eine sehr gute Textverständlichkeit, was sonst leider schon zur Seltenheit geworden ist.

Güttler verstand es, mit sparsamen Gesten in angemessenem Tempo das zur Verfügung stehende Potential der Ausführenden zu einem eindrucksvollen Ganzen zusammenzufügen. Chor, Orchester und Solisten verschmolzen mit ihren guten Einzelleistungen zu einem berührenden „Weihnachtsoratorium“ voller Wohlklang und Trompetenglanz. Dass kein Naturhorn, sondern ein modernes Instrument verwendet wurde, war kein Nachteil, ganz im Gegenteil. Es kommt nicht auf das Instrument, sondern auf die Interpretation an. Dieses „individuell“ zusammengestellte „Weihnachtsoratorium“ beeindruckte nicht nur durch die aufgelockerte, vom Üblichen abweichende Form, sondern vor allem auch durch das hohe Niveau der Ausführenden, festliche Klangfülle und Klangschönheit. 

Mit seinem Blechbläserensemble aus versierten Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, Dresdner Philharmonie, Gewandhausorchester Leipzig und Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz trat Ludwig Güttler in der zu einer sehr beliebten Tradition gewordenen „BLÄSERWEIHNACHT“ am „3. Weihnachtsfeiertag“ (27.12.) in der weihnachtlich geschmückten Frauenkirche auf, die bis auf den letzten Platz gefüllt war. Selbst die sichtbehinderten Plätze waren noch begehrt. Kein Wunder, denn jede „Bläserweihnacht“ ist immer wieder anders gestaltet und bringt neben Traditionellem und Beliebtem immer auch  Neues und Überraschendes, bisher unbekannte und selten gespielte Werke, oft wahre Schätze, die mitunter auch von Güttler „ausgegraben“ oder für die jeweilige Besetzung eingerichtet werden.  

Als Primus inter Pares leitete er vom „1. Pult“ aus mit der Trompete die Weihnachtsmusik in besinnlich-heiterer Weise. Sauber intoniert, mit lebendigem und nuancenreichem Spiel brillierten die 11 Musiker unter seiner Leitung mit bekannten und unbekannten Originalkompositionen oder Bearbeitungen bekannter und unbekannter Komponisten vom 15. – 20. Jh., in traditionellen oder „kuriosen“ Besetzungen, wie für 2 hohe Trompeten und Pauken oder nur 2 Pauken, von Johann Walter über J. S. Bach und die Barockmusik bis zu H. K. Hensel und Adolf Busch mit 3 seiner „Seven Madrigals on Negro Spirituals“.

Die Musiker spielen meist auf modernen Orchesterinstrumenten deutscher Bauart. Sie eint der Anspruch, dem Publikum ein vielseitiges, niveauvolles Programm in höchster Qualität zu präsentieren. Das gut arrangierte, reichhaltige, in inhaltliche Blöcke unterteilte, abwechslungsreiche Programm, das allein zahlreiche Bearbeitungen in sehr unterschiedlicher Form des Weihnachtsliedes „Vom Himmel hoch“ enthielt, wurde vom begeisterten Publikum mit freudigem Beifall aufgenommen. Die Musiker ließen sich nicht lange bitten und überraschten mit vier außergewöhnlichen Zugaben.

 Unmittelbar nach dem anspruchsvollen Konzertabend sangen die Bläser das aus England stammende Weihnachtslied „Herbei nun ihr Gläubigen“ – ganz passabel. Danach wandten sie sich wieder ihren Instrumenten zu und spielten den auch als  „Euro-Fanfare“ adaptierten Beginn des „Te deums“ von A. Charpentier, glanzvoll, festlich, ausgeglichen und so klangschön, wie man es selten hört. Ein von F. Mendelssohn-Bartholdy bearbeitetes Weihnachtslied wurde mit minimaler instrumentaler Begleitung wieder gesungen, und als 4. Zugabe und beglückender Abschluss ertönte das Weihnachtslied „Es ist ein Ros‘  entsprungen“ wieder instrumental im Satz vom M. Prätorius, sehr weihnachtlich im  besten Sinne.

 Ingrid Gerk

 

 

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