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DRESDEN/ Frauenkirche: „GRACE NOTES“ MIT DEM CAPE TOWN OPERA CHORUS

30.04.2023 | Oper international
Dresden/Frauenkirche: „GRACE NOTES“ MIT DEM CAPE TOWN OPERA CHORUS – 29.4.2023

„Wenn ich singe, dann feiere ich“ besagt eine afrikanische Weisheit, die so ganz zum Cape Town Opera Chorus aus dem fernen Südafrika passt, der jetzt mit seinem A‑capella-Programm „Grace Notes“ in der Frauenkirche zu Gast war. Mit diesem, 2016 beim Opernfestival in Aix-en-Provence uraufgeführten Programm, bei dem Alte und Neue Musik aus Europa und Afrika gleichberechtigt gegenüber gestellt wird, gastiert dieser besondere Kammerchor, der bei den International Opera Awards in London 2013 als „Opernchor des Jahres“ ausgezeichnet wurde, in Kirchen und Konzertsälen Afrikas und Europas.

Der Chor ist eine harmonische Gemeinschaft aus Schwarz und Weiß. Seine Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Stämmen und Landesteilen und auch verschiedenen sozialen Schichten. Sie verfügen über eine sehr unterschiedliche musikalische Ausbildung. Ein fehlendes Gesangsstudium ist hier kein Hinderungsgrund, um in den kleinen, aber leistungsfähigen Chor aufgenommen zu werden. Allein die Qualität der Stimme entscheidet.

Die Leitung des Chores liegt in den Händen von Chorus Master Marvin Kernelle, ein südafrikanischer Opernsänger, der an der Cape Town Opera School studiert hat und den Chor seit 2014 leitet. Er orientiert unüberhörbar auf europäische A-capella-Chor-Kultur, behält aber die Besinnung auf die afrikanische Tradition bei.

Die sechs Sängerinnen und sechs Sänger, bei denen die Musik direkt aus der Seele kommt, sangen die europäischen geistlichen Kompositionen mit der gleichen Leidenschaft und Hingabe wie die traditionelle, religiöse Musik ihrer Heimat. Auf bewegende Weise spürten sie der Sehnsucht nach, die Spiritualität der Musik im Gesang auszudrücken. Ihre kräftigen, ausdrucksstarken Stimmen wurzeln in der reichen, lebendigen Gesangstradition Südafrikas.

Mit Temperament, hingebungsvoller Melodik oder getragen sangen sie die traditionellen afrikanische Gesänge der Zulu, Venda und insbesondere IsiXhosa, die sie gelegentlich mit synchronen rhythmischen Armbewegungen, in Gebetshaltung oder „die Hände zum Himmel“ unterstrichen, bunt und abwechslungsreich gemischt und im Wechsel mit Sätzen aus der europäischen Chorliteratur, dargeboten nach europäischer Art, sauber und mit den Feinheiten des europäischen Chorgesanges, wie dem leise verhaltenen Ausklingen der Corsätze.

Eine Herausforderung dürfte für das Ensemble aus Kapstadt die polyphone Linienführung des „Sicut Cervus“ von Giovanna Pierluigi da Palestrina (ca. 1525-1594) bedeuten, das sie mit europäischer Gesangskultur, transparent, mit Anmut und fülligem Klang zu Gehör brachten. Sehr kultiviert waren auch das „Ave verum“ von William Byrd (1543-1623), das „Ave Maria“ von Anton Bruckner (1824-1896) mit hellen klangvollen Frauenstimmen, das getragen romantisch verklärte „Immortal Bach“ von Knut Nystedt (1915-2014), „The Deer’s“ von Arvo Pärt (*1935) und „Even When He is Selent“ von Kim Arnesen (*1980) zu hören.

Der Chor gruppierte sich öfter um und wirkte dadurch sehr lebendig. Er sang in sehr unterschiedlichen Besetzungen, unter anderem mit kraft- und klangvollem Sopransolo und kultiviertem Background-Chor, in Gegenüberstellung von Männer- und Frauenchor usw. und nutzte die räumlichen Möglichkeiten des Kirchenraumes, akustisch gut ausbalanciert, für eine eindrucksvolle Gestaltung. Da sang der gesamte Chor einmal vom anderen Ende der Frauenkirche, wurde der Niveau-Unterschied von Altarplatz und Kirchenschiff ausgenutzt, um den Frauenchor „aus der Tiefe“ und den Männer-Chor „von oben“ singen zu lassen, oder der gesamte Chor wurde verteilte sich sehr weitläufig im Kirchenraum, wobei eine erstaunliche Harmonie zwischen den in weitem Abstand befindlichen Sängerinnen und Sängern erreicht wurde.

Nach jedem Gesang wurde applaudiert. Dieser „Dialog“ zwischen Ausführenden und Publikum gehört bei dieser Konzertform einfach dazu. Es war eine faszinierende wie bewegende Klangreise mit neuen Eindrücken, abseits von religiösem Eifer, eine Verbindung zwischen den Kontinenten und Jahrhunderten, unterschiedlichen Traditionen und Kulturen, die Bekanntschaft mit einem Chor aus einem fernen Kulturkreis, angenähert an die europäische Gesangskultur.

Ingrid Gerk

 

 

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