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DRESDEN/ Frauenkirche: EIN SOMMERNACHTSTRAUM mit Klaus Maria Brandauer

28.06.2015 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: „EIN SOMMERNACHTSTRAUM“ MIT KLAUS MARIA BRANDAUER – 27.6.2015

 Wort und Musik liegen dicht beieinander, haben sie doch in der Gedankenwelt ihre gemeinsame Wurzel und sind nur „zwei Seiten einer Medaille“, zwei Ausdrucksformen der gleichen Ideen. Im 19. Jh. näherten sich beide Kunstgattungen immer mehr an, was nicht zuletzt in Schauspielmusik und Melodram einen nachhaltigen Ausdruck fand. Danach drifteten sie wieder auseinander. Oper, Konzert und Schauspiel gingen und gehen meist getrennte Wege. Musik und Sprache auf einer gemeinsamen Basis in idealer Weise wieder zusammenzuführen, ist das Ziel des neuen interdisziplinären Konzeptes der Frauenkirche „Kontext >> Kontrast“, in dessen Rahmen ein Konzert zum Thema „Sommernachtstraum“ mit einem wohlüberlegt zusammengestellten Programm stattfand.

 Das für seine Stilkompetenz und Klangschönheit berühmte Kammerorchester Basel, das schon mehrfach in der Frauenkirche zu Gast war und der „Star“ der Wiener „Burg“, Klaus Maria Brandauer als Sprecher schienen die idealen Gestalter eines Abends zu sein, dessen Gegenstand und Bezugspunkt die viel gespielte und viel zitierte Komödie A Midsummer Night’s Dream“ („Ein Sommernachtstraum“) von William  Shakespeares war, die Komponisten, Dichter, Schriftsteller und Maler aller Jahrhunderte zu eigenen Werken anregte.

 Für dieses Konzert wählte man zwei geniale Komponisten, der eine aus dem 17., der andere aus dem 19. Jh. Zunächst brachte das Kammerorchester Basel unter der musikalischen Leitung des Spezialisten für Alte Musik, Trevor Pinnock, die selten aufgeführte Suite aus der Musik für „The Fairy Queen“ („Die Elfenkönigin“) von Henry Purcell (1659 – 1695), dem im 17. Jh. bedeutendsten englischen Komponisten, der schon im Zenit seines Alters und kompositorischen Schaffens starb, zu Gehör, ein interessantes Werk und eine Entdeckung an kompositorischen Feinheiten, allerdings laut übersteuert vom groß besetzten Kammerorchester, das die Akustik der Kuppelkirche offenbar unterschätzt hatte.

 Gut, aber ziemlich schrill, sang Lauryna Bendziunaite die Solo-Sopran-Partie, Ursula Eittinger ihre kleinere, aber eindrucksvolle Mezzosopran-Rolle wesentlich wärmer, weicher und ausgeglichener. Die Basler Madrigalisten stellten in „Kleinstbesetzung“ mit 4 versierten Damen einen wohlklingenden, sehr gut abgestimmten Chor, mit dem auch die Stimmen der beiden Solistinnen sehr gut harmonierten. Trotz dieser kleinen Einschränkungen war es vor allem Dank der Mezzosopranistin und des kleinen, aber sehr feinen Chores ein Gewinn, dieses selten, und wenn, dann bestenfalls in Ausschnitten zu hörende, Werk in dieser Vollständigkeit kennenzulernen.  

 Im 19. Jh. hatten Elfen, Feen und sonstige Fabelwesen „Hochkonjunktur“. Man denke nur an C. M. v. Webers „Oberon“ und Richard Wagners “Feen“. Felix Mendelssohn-Bartholdy ließ sich als gerade mal Siebzehnjähriger von Shakespeares Texten zu seinem „Ohrwurm“ und „Bestseller“ „Ein Sommernachtstraum“ inspirieren, ein Geniestreich, der sich immer noch und immer wieder größter Beliebtheit erfreut. Bei der Aufführung war der Klang des Kammerorchesters angemessen, und Solistinnen, Chor und Orchester bildeten eine schöne musikalische Einheit.

 Mit dem, mit Spannung erwarteten Sprecher hatte man große Erwartungen verbunden, kannten ihn doch viele, auch wenn sie noch nie das Wiener Burgtheater betreten haben, vor allem durch seine beiden  unvergessenen Filme „Mephisto“ und „Jenseits von Afrika“ als großartigen (Film‑)Schauspieler.

 Zunächst schien Brandauer mit der Musik konform zu gehen. Langsam setzte sich aber sein schauspielerischer Impuls durch und wurde beinahe zum Selbstzweck. In Shakespeares Komödie, deren Witz u. a. auch auf dem konträren Widerspruch zwischen den zarten Feen und plumpen Gestalten wie Kobold, Löwe, Esel usw. beruht, betonte er in gegenwärtig üblichem, schauspielerischem Duktus vor allem die derb-drolligen Eigenschaften dieser Gestalten. Es ist erstaunlich, in welch schnellem Wechsel er seine Stimme in jeder Stimmlage fast parallel variieren und die „Gespräche“ der verschiedenen Gestalten, Elfen und Tiere mit musikalischer Stimme als „Einmann-Theater“ kredenzen kann, hoch und tief, laut und leise, weich und gebieterisch, temperamentvoll und sanft, prosaisch und lyrisch – eine Kunst der Sprache, die immer seltener wird. Er scheint mit allen Stimmen (fast) gleichzeitig zu sprechen, und das in ziemlicher Geschwindigkeit, singt leise zur Musik mit, „swingt“ auch mal gelegentlich ein bisschen dazu und baut eine kleine „Szene“ wie auf dem Theater ein, bahnt sich tänzelnd den Weg zu der an der Seite sitzenden „Elfenschar“, legt sich auf deren Schoß und lässt sich von ihnen nach Elfenart „beturteln“ und liebkosen, „schnarcht“ ein wenig und lässt sich plump zu Boden fallen. Er machte sich daraus eine Gaudi, sehr zur Heiterkeit des Publikums – auch eine Möglichkeit zur „Auflockerung“ eines Konzertes.

 Da er die Worte der Elfen stets leise, zart und flüchtig „säuselte“ und die der derberen Gestalten mit Nachdruck lautmalerisch, zuweilen fast kindlich-naiv ausformte, konnte man auch bei gespannter Aufmerksamkeit den gewöhnungsbedürftigen Texten, die uns im Hier und Heute schon fremd geworden sind und (im Gegensatz zu den Gesangstexten) leider nicht im Programmheft abgedruckt werden konnten, im doppelten Sinne nur schwer folgen. Zudem divergierte seine derb-realistische Darstellungsart im Laufe des Abends immer mehr von der feinsinnigen Interpretation des mit alten und modernen Instrumenten gleichermaßen vertrauten Kammerorchesters, das unter Trevor Pinnock den Nerv der genialen Musik Mendelssohns genau traf und seinen Sinn für Feinheit und Zartheit dieser Musik in seinem Orchesterklang zum Ausdruck brachte.

Mendelssohn hat zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ eine Musik geschrieben, die seiner romantischen Vorstellung von einer innigen Verbindung zwischen Poesie und Instrumentalmusik auf unverwechselbare Weise Ausdruck verleiht. Brandauer ließ sich von den gleichen Texten inspirieren, aber in einer ganz anderen, ihm eigenen Richtung.

Ingrid Gerk

 

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