Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

DRESDEN/ Frauenkirche: ANDREAS OTTENSAMER UND DIE KAMMERAKADEMIE POTSDAM MIT WERKEN RUND UM DIE MANNHEIMER HOFKAPELLE

09.09.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden/Frauenkirche: ANDREAS OTTENSAMER UND DIE KAMMERAKADEMIE POTSDAM MIT WERKEN RUND UM DIE MANNHEIMER HOFKAPELLE 8.9.2018

Das Sonnabendabend-Konzert der Frauenkirche unter dem Thema Impulsivstand ganz im Zeichen der Mannheimer Hofkapelle, der seinerzeit europaweit führenden Kapelle, die der Klassik ab der Mitte des 18. Jahrhunderts lebendige Impulse gab, gestaltet von Andreas Ottensamer, dem Solo-Klarinettisten der Berliner Philharmoniker, Klarinetten-Solist von internationalem Ruf und ECHO-Klassik-Preisträger, jüngster der drei „Ottensamer-Klarinettisten“ mit Vater Ernst † und Bruder Daniel (Wiener Philharmoniker), sowie der Kammerakademie Potsdam.

Impulsiv, mit fröhlichem Schwung und opulenter Musizierfreude eröffneten die Potsdamer unter der Leitung ihrer 1. Konzertmeisterin Meesun Hong Coleman das Konzert mit der „Sinfonie Nr. 12 G‑Dur“ (KV 110) von Wolfgang Amadeus Mozart in rasantem, aber dennoch nicht übereilt wirkendem Tempo mit schöner Klarheit. Das ist die große Kunst, die man anderweitig oft vermisst, wenn Musiker nur das Tempo bis an die Grenze forcieren. Der 2. Satz (“Andante“) wurde klangvoll ausmodelliert, das „Menuetto e Trio“ (3. Satz) mit festlicher Grazie gespielt und im 4. Satz (“Andante“) mit gleichem Temperament wie beim 1. Satz (“Andante“) der Kreis geschlossen, wodurch eine ausgeglichene, abgerundete, „unverstaubte“ und mitreißende Wiedergabe in überschwänglicher Musizierfreude mit schönen Holzbläsern entstand, die die Hörer erreichte.

Als der 22jährige Mozart bei seiner Paris-Reise 1777 / 78 in Mannheim Station machte, lernte er den Einsatz der Klarinette im Orchester kennen und schrieb begeistert an seinen Vater: „ach, wen wir nur auch clarineti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effect macht“.

Diesen herrlichen Effekt vermitteln auch die beiden Klarinettenkonzerte von Vater und Sohn Stamitz, zwei Musikern der Mannheimer Hofkapelle, das „Klarinettenkonzert Nr. 7 Es‑Dur“, das „Darmstädter Konzert Nr. 1“, von Carl Stamitz (1745-1801), der als 16jähriger in die Kapelle aufgenommen wurde, und das „Klarinettenkonzert B‑Dur“ seines Vaters Johann Stamitz (1717-1757), dem aus Böhmen stammenden, europaweit profilierten Geigenvirtuosen, Konzertmeister und Instrumentalmusikdirektor, der eines der frühesten Klarinettenkonzerte überhaupt schrieb. Es waren zwei Vollblut-Musiker, die gefällige, dennoch anspruchsvolle und mitreißende Konzerte komponierten, die auch heute noch begeistern.

Mit Spannung wurde da der Solist des Abends, Andreas Ottensamer, erwartet, der sich zunächst mit weitausladenden, nicht sonderlich attraktiv wirkenden Gesten aufs “Dirigieren“ verlegte, vielleicht um die allgemeine „Verlegenheit“ bis zum ersten solistischen Auftritt zu überbrücken oder sich auch als Dirigent zu betätigen. Bei Solisten, die einfach nur still dastehen und konzentriert ihrem Auftritt entgegensehen, wird da die Spannung eher erhöht. Wenn die sehr leistungsfähige, von bekannten Dirigenten, wie Sergio Azzolini, Andrea Marcon, Michael Sanderling und Antonello Manacorda geprägte Kammerakademie bei einer Mozart-Sinfonie ohne Dirigent auskommt, dann erst recht bei einem weniger anspruchsvollen Orchesterpart in einem Solistenkonzert der Klassik!

Ottensamer ist ein ausgezeichneter Klarinettist mit Perfektion und allen Vorzügen eines guten Musikers, der sich bei seinem souveränen Spiel nebenbei auch noch ein bisschen „Show“ leisten kann, aber hier wirkte sein eigenartiger „Dirigier“-Stil, bei dem er mit ständigen 180-Grad-Drehungen (meist gegen den Uhrzeigersinn) ständig zwischen Orchester und Publikum (das er am Ende auch noch „dirigieren“ zu wollen schien) pendelt, eher unpassend und ließ das Orchester verhaltener erscheinen. Zugegeben, jetzt wird oft versucht, das Publikum mit zusätzlichen „Aktivitäten“ zu gewinnen und seine Überlegenheit lässt Ottensamer Zeit für „Sondereinlagen“, aber mitunter wird auch nur das Gegenteil erreicht. Man sollte das Publikum nicht unterschätzen!

Die Kammerakademie Potsdam trat noch einmal „ohne Dirigenten“ und mit großer Musizierfreude mit einer sehr schönen Wiedergabe der nach italienischem Vorbild dreisätzigen „Sinfonie Nr. 49 F‑Dur“ (op. 10 Nr.4) von Christian Cannabich (1731-1798) auf, einem Schüler von Johann Stamitz, der dessen Nachfolge am Mannheimer Hof antrat, für farbenreiche Bläsereffekte im Orchester und Ohnmachtsanfälle im Publikum sorgte und von Mozart als „der beste Director […] den ich je gesehen“ gerühmt wurde, heute aber zu Unrecht fast vergessen und nur noch Insidern bekannt ist.

Schließlich vereinten sich alle Beteiligten zur „Fantasie über Mozarts ‘Là ci darem la mano‘ aus ‘Don Giovanni‘ für Klarinette und Orchester“ von Franz Danzi (1763-1798), der in der dritten Generation als Cellist bei den Mannheimern wirkte und dessen Vorbild für seine Instrumental- und Bühnenwerke zeitlebens Mozart war, was in dieser „Fantasie“, die von Ottensamer mit Gefühl gespielt wurde, immer wieder zum Ausdruck kam. Ottensamer hat alles, was einen guten Klarinettisten auszeichnet, technische Perfektion bei besonders weichem Ansatz, Virtuosität, guten Klang, sanftes Pianissimo und schöne, klare Verzierungen, so dass er irgendwelche „Show“-Effekte nicht nötig hat. Mag sein, dass das Publikum in anderen Städten anders reagiert. Das Publikum in Dresden hätte lieber zum Abschluss noch eine entspannte Zugabe mit Orchester oder eine (Solo-)Zugabe gehabt, um seine Kunst noch einmal „pur“ genießen zu können.

Ingrid Gerk

 

Diese Seite drucken