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DRESDEN: DAS RHEINGOLD unter Christian Thielemann

19.10.2016 | Oper

Dresden / Semperoper: „DAS RHEINGOLD“ UNTER CHRISTIAN THIELEMANN – 18. 10. 2016

Zunächst leitet Christian Thielemann nur 3 Aufführungen des „Rheingold“ an der Semperoper, aber es sind Lichtblicke hinsichtlich Opernaufführungen mit internationaler Ausstrahlung. Bereits die ersten, sehr sauber ausgeführten Töne und Takte der 2. Aufführung (18.10.) entführten in eine andere, „überirdische“ Welt der Fantasie mit philosophischem Hintergrund.

Wenn Erda den Vorhang wegzieht, ersetzen Stühle, Stühle, Stühle …, in Wellenform angeordnet, den wogenden Rhein. Die Inszenierung von Willy Decker (Pr. 2001) – Bühnenbild: Wolfgang Gussmann – stammt noch aus der Zeit der vielen Stühle und übergroßen Pfeile, hier aber durchaus sinnvoll angewendet, z. B. wenn Loge auf einem überdimensional großen roten Pfeil wie ein Blitz von oben herab Wotan zu Hilfe „eilt“. Nur die zahlreichen Stühle wirkten schon immer überflüssig, abgesehen von der Unfallgefahr, wenn die Akteure über selbige steigen müssen und schon mancher Sänger/Sängerin kurzzeitig dahinter verschwand, bis ihm/ihr die Kollegen wieder aufhalfen.

An diesem Abend verlief alles „unfallfrei“. Die übergroße Sonne (Mond oder Erde?) geht hinter den Stuhl-Wellen auf, der Rhein wogt und wogt vor allem musikalisch, bis sich weiße Hände, Arme, Gestalten – die bleichen Rheintöchter – wie Geschöpfe, die das Sonnenlicht lange entbehrten, zeigen.

Von den drei Rheintöchtern machte Sabrina Kögel als Wellgunde mit schöner, sicher geführter Stimme und ästhetischer äußerer Erscheinung auf sich aufmerksam. Neben ihr wirkten Christiane Kohl als Woglinde und Simone Schröder als Flosshilde mit, wobei man sich vor allem im Terzett mehr Harmonie gewünscht hätte.

Als Alberich und Mime dominierten Thomasz Konieczny und Gerhard Siegel die Szene. Sie steigerten sich beide immer mehr in ihre Rolle hinein und erfüllten sie sowohl mit intensivem stimmlichem als auch darstellerischem Ausdruck mit prallem Leben. Besonders aufwühlend wirkte Alberichs, hasserfüllt hingeschleuderter, Fluch des Goldes.

Als Riese Fasolt bewies Georg Zeppenfeld, der zwischen 2 „Rheingold“-Aufführungen in Haydns „Schöpfung“ brillierte (vgl. Kritik vom 16.10.2016), seine Vielseitigkeit und Qualität seiner Stimme, die in allen Lagen immer auch noch wunderbar klingt. Als sein „Bruder“ Fafner korrespondierte Ain Anger.

 Markus Marquardt, ein oft gerühmter Wotan, schien an diesem Abend nicht in großer Form zu sein. Nach einem anfänglich stimmlich eindrucksvollen „Einstieg“ hielt er sich zunehmend zurück, als würde er in Anbetracht des (später) bevorstehenden Endes der Götter bereits schon „kapitulieren“, obwohl er hier seine Macht noch ausspielen und, wenn auch mit List und Loges Hilfe, immer wieder siegen kann.

Als Fricka, sein Weib, bewies Christa Mayer einmal mehr ihre Zuverlässigkeit und Qualität, stimmlich und darstellerisch, wohingegen ihre Schwester Freia, Ann Petersen, ziemlich zurückhaltend blieb. Ergänzt wurde die „illustre“ Gesellschaft durch Michael Kraus (Donner) und Daniel Johansson (Froh).

Als quicklebendiger Loge durchwirkte Kurt Streit „flammend flatternd“ das Geschehen auf der Bühne und bestimmte vor allem auch durch sein agiles Spiel den Verlauf der Handlung wesentlich mit.

Für die erkrankte Janina Bächle zog die voluminöse Ronnita Miller als Erda den Vorhang des Geschehens auf und zu, um Wotan mit angemessenem Gesang ins Gewissen zu reden.

Gute Bilder ergaben sich durch Mitglieder der Komparserie der Sächsischen Staatsoper, die ihre Rollen als wuselndes Gedränge der von Alberich unterworfenen Kreaturen aus dem Reich der Nibelungen sehr eindrucksvoll in Szene setzten.

Thielemann sorgte mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden im Orchestergraben – mit jeweils 2 Harfen im Proszenium – für eine großartige musikalische Gestaltung. In einem großen musikalischen Bogen, der die gesamte Aufführung umschloss, bewirkte er einen großangelegten Zusammenhang von Gesang und Orchester, nahm das Orchester für eine freie Entfaltung der Gesangspartien zurück und steigerte Spannung und Dramatik in den rein instrumentalen Passagen fast bis ins Extreme, wie z. B. den gefährlichen Weg Wotans und Loges nach Nibelheim in die Tiefen der Erde, lautstark und atemberaubend, oder das Hämmern beim emsigen Schmieden des Goldes mit metallischem Klirren. Das Orchester wurde der eigentliche Träger der Handlung.

Thielemann hielt die musikalischen Fäden in der Hand und die Aufführung zusammen. Wenn er bei Wagner am Dirigentenpult steht, ist eine nachhaltige Aufführung auf hohem Niveau so gut wie sicher. Er lässt die Oper mit dem Orchester in ihrer ureigenen Handlung und Bedeutung erstehen und bündelt die unterschiedlichen Sängerleistungen mit dem Orchester zu einem großartigen Ganzen.

Ingrid Gerk

 

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