Das kriegszerstörte Dresden ist schon lange wieder schön, 15. Februar 2015
Von Ursula Wiegand
Blick über neue Dächer auf die Frauenkirche. Foto: Ursula Wiegand
Dresden: Wer durch das schöne Dresden schlendert, ist begeistert und kann sich gar nicht vorstellen, welch schreckliche Zerstörungen die Bombardements am 13./14. Februar 1945 in der Altstadt anrichteten. Doch jedes Jahr um diese Zeit wird in Dresden mit Gottesdiensten, Gedenkprozessionen und Trauermusik daran erinnert. Als Warnung vor Kriegen und Mahnung zum Frieden.
Asisi-Panorama, 1945, Dresden brennt. Foto: Ursula Wiegand
Was vor 70 Jahren in Dresden geschah, führt das neue 360° Panorama-Kunstwerk von Yadegar Asisi, betitelt „DRESDEN 1945 – Tragik und Hoffnung einer europäischen Stadt“, im Panometer eindringlich vor Augen: Zerstörte Häuser und Kirchen, Qualm, lodernde Flammen, die Altstadt in Schutt und Asche, ein Bild des Grauens. Trümmerfelder, leere Fensterhöhlen, Rauchschwaden. Die Feuersbrunst, die den Himmel färbte, war noch im 40 km entfernten Freiberg zu sehen. Ein Schock für Dresden, das sich als Kunst- und Kulturstadt in Sicherheit wähnte.
Asisi-Panorama, 1945, zerstörte Frauenkirche. Foto: Ursula Wiegand
„Die ersten Bomben der Royal Air Force fielen am 13. Februar 1945 um 22.03 Uhr, ein Nachtangriff folgte. Tags darauf gegen Mittag bombardierten die Amerikaner,“ weiß Besucherführer Klaus Junghanns.
Mal wird es dunkel in dem Rundbau, begleitet vom Geräusch explodierender Bomben, mal beleuchtet das Licht die Ruinen. Junghanns weist auf zwei Mauerstümpfe – Relikte der implodierten Frauenkirche. Die Hitze der drinnen wütenden Brände brachte die Kuppel zum Einsturz.
Seine jetzt 95jährige Großmutter habe die Berge von Leichen gesehen, die danach auf dem Altmarkt gesammelt wurden. „Alle wie verkohlte Baumstümpfe“ und nicht mehr identifizierbar. Die DDR-Regierung sprach von 35.000 Toten, Wissenschaftler nennen neuerdings „nur“ 27.000 Opfer.
Asisi-Panorama, Dresden 1945, betroffene Zuschauer. Foto: Ursula Wiegand
Auf der 15 m hohen Besucherplattform mitten im 3.000 qm großen Riesenrundbild rückt das Grauen ganz nahe. Einer studiert mit dem Fernglas die Details. „Dresden hatte damals rd. 600.000 Einwohner, durch die Flüchtlingsströme jedoch mehr als 1 Million. Das Rote Kreuz hat wesentlich mehr Opfer registriert,“ betont er.
Eine multimediale Begleitschau thematisiert die Ursachen der Katastrophe. In Dresden gab es am 8. Mai 1933 Deutschlands erste Bücherverbrennung, gefolgt vom Terror gegen die jüdische Bevölkerung.
Fotos und Texte schildern die Folgen deutscher Angriffe: die Zerstörung von Coventry, Rotterdam, Stalingrad und Warschau sowie die fast 1.000tägige Belagerung von St. Petersburg (damals Leningrad), die mehr als einer Million Menschen das Leben kostete. Letztlich musste Dresden für die Untaten Hitlers und seiner Anhänger büßen.
Wie schon der Titel besagt, zeigt die Ausstellung historisch korrekt nicht nur die Katastrophen. Sie fragt darüber hinaus nach der gemeinsamen europäischen Zukunft von Tätern und Opfern. Einige Antworten liegen bereits vor: Coventry, St. Petersburg und Rotterdam gehören zu Dresdens Partnerstädten. Sie alle sind wieder aufgebaut worden.
Dresden, Blick vom Hausmannsturm auf die Semperoper. Foto: Ursula Wiegand
In Dresden schritt die DDR-Regierung schnell zur Tat, sorgte u.a. für Wohnbauten und Verkehrsinvestitionen. Die Musikfreunde erhielten am 13. Februar 1985 – 40 Jahre nach der Zerstörung von Elbflorenz – wieder ihre Semperoper. Mit dem „Freischütz“ wurde das feine Haus eröffnet.
Schlosshof mit dem Glasdach von Peter Kulka. Foto: Ursula Wiegand
Nach der Wende erhielt der Bautätigkeit verstärkten Schub. Das Residenzschloss ist in jahrelanger Arbeit wieder auferstanden aus Ruinen und beherbergt seit 2004 das berühmte „Grüne Gewölbe“ mit den Pretiosen August des Starken und seiner Nachfolger. Der von Architekt Peter Kulka mit einer Glaskuppel versehene Schlosshof macht ihn zu einem wetterfesten Treffpunkt. In ähnlicher Weise überwölbte Norman Foster den Hauptbahnhof.
Dresden, Frauenkirche und rekonstruierter Neumarkt. Foto: Ursula Wiegand
Eines wird 2015 besonders gefeiert – während des ganzen Jahres und speziell vom 22.-31. Oktober: das zehnjährige Jubiläum des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Mit der erneuten Errichtung des Barockbaus von Georg Bähr aus dem Jahr 1743 bekam Dresden sein Wahrzeichen und seine Seele zurück.
Wie eh und je krönt ihre Kuppel den Blick über die Elbe. Das englische Volk und Königin Elisabeth II spendeten 2005 das goldene Kuppelkreuz. Geschmiedet hat es Alan Smith, der Sohn eines am Angriff auf Dresden beteiligten Bomberpiloten. Das ursprüngliche Turmkreuz, 1992 in den Trümmern gefunden, steht nun in dem erneut prächtigen Gotteshaus.
Dresden, Elbe, Dampfer und Frauenkirche. Foto: Ursula Wiegand
Besonders eng ist die Verbindung der Frauenkirche zur Kathedrale von Coventry, einem Opfer deutscher Bomben. Am 13. Februar 2005 erhielt sie von dort ein Nagelkreuz, das zu einem weltweiten Versöhnungssymbol geworden ist. „Vater vergib“ steht darauf.
Im Mai 2012 übergab eine Delegation der Frauenkirche ein Kunstwerk in Coventry. Das wurde genau so in die erhaltene Ruine der Kathedrale gestellt wie die Werke, die an die von den Deutschen zerstörten Städte erinnern. Dresden hat dort seinen Platz unter den Opfern (!) des Krieges gefunden. Für Holger Treutmann, einer der beiden Pfarrer der Frauenkirche, eine hochherzige Geste.
Treutmann, 1963 in Springe bei Hannover geboren, wurde 2006 an die Frauenkirche berufen und hofft, dass er weitere Jahre dort wirken kann. Sie sei ein Ort „wo sich Geschichte in einzigartiger Weise bündelt, sagt er.“ Für die hier geleistete Friedens- und Versöhnungsarbeit möchte er weitere Formate entwickeln.
Dresden, Frauenkirche, Hochaltar, Foto: Ursula Wiegand
Jährlich kommen 2 Millionen aus aller Welt in die Frauenkirche und bewundern den güldenen Hochaltar. Geistliches Leben, ein intensiver Besucherservice und die Musik sind die prägenden Elemente. Mehr als 180 Gottesdienste mit Kirchenmusik, über 500 Orgelandachten und rd. 130 Konzerte werden pro Jahr geboten und beglücken die Besucher. An der rechten Seite steht das Turmkreuz der zerstörten Kirche, das 1992 in den gesicherten Trümmern gefunden und restauriert wurde.
Dresden, Turmkreuz der zerstörten Frauenkirche. Foto: Ursula Wiegand
„Kommt, und geht in Frieden“, lautet das Motto im besonders klangreichen Jubiläumsjahr. Die Uraufführung des Oratoriums „Bin Frieden“ des Schweizer Komponisten Willi Vogl wird Startrompeter und Dirigent Ludwig Güttler leiten, der mutige Initiator des Wiederaufbaus, den noch nach der Wende 90 Prozent der Bevölkerung einschließlich der Evangelischen Kirche ablehnten oder für eine Illusion hielten.
Dresden, Frauenkirche im Sommer. Foto: Ursula Wiegand
Bei 1.500 Benefizkonzerten in vielen Städten und Ländern hat Güttler seine Trompete erklingen lassen und ein überwältigendes Echo gefunden. Menschen aus aller Welt haben gut 100 Millionen Euro gespendet und so mehr als zwei Drittel der Baukosten (131 Mill. Euro) getragen. Zeichen der Zerstörung sind geblieben, von der zeugen die dunklen Steine im hellen Mauerwerk. Aus dem Schutt geborgen, tragen auch sie das wiedererstandene Gotteshaus.
Infos: Die Ausstellung „Dresden 1945“ (bis 31. Mai) im Panometer Dresden, Gasanstaltsstraße 8b, ist Di-Fr von 10-17 Uhr, Sb und So von 10-18 Uhr geöffnet. Eintritt 11,50, erm. 10 Euro. Familienkarte für 2 Erw. + 2 Kinder bis 16 Jahre für 29 Euro. Weiteres unter www.asisi.de. – Tickets für die Jubiläumsveranstaltungen „10 Jahre Frauenkirche“ unter Tel. 0351-656 06-701 100, weiteres in www.frauenkirche-dresden.de (U.W.)