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DRESDEN: CARMEN

mit Genia Kühmeier als Micaela

28.06.2018 | Oper

Dresden / Semperoper: „CARMEN“ MIT GENIA KÜHMEIER ALS MICAELA – 27.6.2018

Die Premiere der „Carmen“-Neuinszenierung von Axel Köhler liegt nun schon einige Zeit zurück (28.9.2013). Seitdem hat sich manches geändert, nicht nur einige (unwesentliche) Regie-Details, sondern vor allem hinsichtlich Besetzung, auch in den Hauptrollen. Das Bühnenbild von Arne Walther zeigt auch weiterhin einen großen siloartigen Rundbau, der geöffnet werden kann. Erst bewachen schwer zuordenbare Mannschaften mit strengen Vorschriften – wie gegenwärtig auf den Flughäfen – und zusätzlichen Taschenkontrollen das ominöse Gebäude, dann wird es geöffnet und eine Art „Venusberg-Idylle“ sichtbar, erst halb „im Keller“, dann langsam auf einem Hubpodium nach oben fahrend.

Die Zigarettenarbeiterinnen haben offenbar gute Arbeit geleistet. Sie sitzen lässig und gelangweilt um die gestapelten Zigarettenkisten herum und rauchen – in Erwartung eventueller Liebhaber. Wenig später springt Carmen aus dem Stapel hervor, und noch später, kurz bevor sich der Raum wieder schließt, entwenden schnell noch zwei Schmuggler zwei Kisten „Rauchkraut“.

Wirklich gut passt dieser „Rundbau“ eigentlich nur im letzten Bild als hohe, undurchdringliche “Rückwand“ der Stierkampfarena. Entgegen der üblichen Ver- und Entfremdungen der Opern durch die Regie verstehen es Axel Köhler und Arne Walther aber immer wieder, Traditionelles und Neues geschickt und sinnvoll miteinander zu verbinden, ohne die betreffende Oper aus den Angeln zu heben“. „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ (Goethe), aber trotzdem geht nicht „jeder zufrieden aus dem Haus“.

Die Kostüme von Henrike Bromber hinterlassen gemischte Gefühle, wie so oft, die übliche Alltagkleidung, nur Carmen wird zur „Modepuppe“, was ihr Temperament eher abschwächt, das unter primitiver, vielleicht sogar zerschlissener Kleidung besser hervorlugen könnte, wenn sie ihrem naiven Lebens- und Liebeswillen freien Lauf lässt. Als besondere Überraschung erscheinen dann aber zum Schluss 13 Toreros, Novilleros, Banderilleros und Picadores in glanzvollen, farbenprächtig glitzernden „echten“ Stierkampf-Gala-Kostümen. Das 14. und besonders glanzvolle Kostüm trägt der Matador Escamillo alias Vito Priante, dessen Gesang leider weniger glanzvoll ausfiel, vor allem, als er auf dem Weg zum Schmugglerlager und zu seiner neuen Liebe „Auf in den Kampf“ (a capella) „trällerte“. Man vermisste aber auch sonst das strahlende Selbstbewusstsein eines sieggewohnten, immer bewunderten Stierkämpfers. Etwas mehr Leidenschaft und Verve hätte man sich auch bei Daniel Johansson als Don José gewünscht und ebenso von Aaron Pegram als Remendado, Tom Martinsen als Dacairo (für den erkrankten Simeon Esper), Chao Deng als Zuniga und Jiří Rajniš als Moralès.

Eher beeindrucken konnten da die Damen. Die als unpässlich angekündigte Elena Maximova erfüllte ihre Rolle als blonde Carmen dennoch mit guter Diktion und passendem Spiel in den jeweiligen Situationen. Ihre beiden Freundinnen Tania Lorenzo als Frasquita und Grace Durham als Mercédès erfüllten ihre Rollen mit Leben, sowohl gesanglich als auch mit ihrem natürlichen Spiel.

Wirkliche Begeisterung konnte Genia Kühmeier als Micaëla auslösen, nicht nur mit ihrem hauchfeinen, bis in den letzten Winkel des Zuschauerraumes hörbaren Pianissimo, sondern generell mit ihrer klangvollen Stimme, die sie sehr kultiviert für die Gestaltung ihrer Rolle einsetzte und mit liebevoll aufrichtigem Spiel voller zurückhaltender, verhaltener Liebe und Leidenschaft unterstrich. Sie war eine Micaela, mit der man mitfühlen konnte, und die im Gedächtnis bleibt.

Alejo Pérez „verleitete“ die Sächsische Staatskapelle Dresden bei der Ouvertüre zu großer Heftigkeit, übereilt erscheinendem Tempo, Lautstärke und hartem, derbem Klang, bis sich die Wogen wieder glätteten. Zu Beginn des 2. Aktes fand die Kapelle mit feinen Harfenklängen und ihren bewundernswerten, feinen Streichern und Bläsern, wie auch im beglückenden Zusammenwirken mit dem geschmeidigen Sopran der Kühmeier in gegenseitigem Inspirieren, zu der erwarteten Ausdrucksstärke, bis es im 3. Akt, entsprechend der Dramatik der Handlung, wieder rasant und temperamentgeladen wurde.

Der von Jörn Hinnerk Andresen sehr gut vorbereitete Sächsische Staatsopernchor Dresden und der von Claudia Sebastian-Bertsch geleitete Kinderchor der Sächsischen Staatsoper Dresden sangen und agierten sehr ansprechend und zuverlässig.

Mit Komparserie und Tänzerinnen und Tänzern war die Bühne meist voller Menschen, die in der Choreografie von Katrin Wolfram eher an Gymnastik erinnernde Bewegungen annähernd konform ausführten. Andererseits schien der Bühnenboden eine magische Anziehungskraft für die Choreografin zu haben, da immer wieder ohne besondere Notwendigkeit einige Nebenakteure auf den Boden „geworfen“ wurden, ein Effekt, der bei jeder Wiederholung an Wirkung verlor. Weniger wäre hier wahrscheinlich mehr gewesen.

Ingrid Gerk

 

 

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