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DRESDEN/ Ballsaal im Kurhotel: 47. DRESDNER MUSIKFESTSPIELE – TEL II: „BA‑ROCK“ MIT SIMONE KERMES & AMICI VENEZIANI

18.05.2024 | Konzert/Liederabende

Dresden/Ballsaal im Kurhotel: 47. DRESDNER MUSIKFESTSPIELE – TEL II: „BA‑ROCK“ MIT SIMONE KERMES & AMICI VENEZIANI – 17.5.2024

Die Dresdner Musikfestspiele haben zu ihren zahlreichen Spielstätten in und um Dresden nun noch eine weitere hinzu bekommen, den pompösen, gut restaurierten Ballsaal des Kurhotels der jetzt wieder neu erstehenden Kuranlagen des ehemaligen Sanatoriums im früheren Nobelstadtteil Dresden-Bad Weißer Hirsch, wo einst gekrönte Häupter und prominente Persönlichkeiten kurten.

 Unter dem Titel „BaRock“ wurde er von SIMONE KERMES & AMICI VENEZIANI mit einem passenden, sehr vielseitigen Programm „eingeweiht“. Die vor Energie sprühende Simone Kermes, bekannt für ihre, expressiv und mit Power gesungenen, Bravour-Arien aus Opern barocker Glanzzeiten, sammelte fünf italienische Spezialisten für Alte Musik um sich, die ihrerseits in führenden Ensembles und Opernhäusern tätig sind, entwickelte ein neues Programm, mit dem sie ihr Spezialgebiet, die Barockmusik etwas „aufmischt“, und reist damit um die Welt. Jetzt kehrte sie damit auch an die Stätte zurück, wo sie schon einmal weilte – als fünfjähriges Kind, und feierte jetzt dort ihren (wievielten?) Geburtstag, zu dem die Musiker am Schluss des Abends „Happy Birthday“ singend, mit einem großen Blumenstrauß gratulierten.

Die Sopranistin Simone Kermes, die sich der Barockmusik verschrieben hat, zeigte sich von ihrer etwas schrillen, entspannten, launigen Seite als Sängerin und Moderatorin, um zu zeigen, dass Barock- und Rockmusik zwar durch die Jahrhunderte getrennt sind, aber in puncto Stimmung und Drive einiges gemeinsam haben. Gemeinsam mit dem Ensemble Amici Veneziani kombinierte sie, beginnend mit einer ba-“rockigen“ Improvisation über ein Thema aus „The Mad Lover“ von John Eccles (1668-1735), Koloratur-Arien barocker Meister mit Werken späterer Epochen, aktuellen Hits und modernen Evergreens. Dazwischen zitierte sie – zu jeder „Nummer“ passend – eine oder auch mehrere Lebensweisheiten und Aussprüche über Lebenssinn und Liebe von Schiller, Nietzsche, Theodor Körner, Konfuzius und anderen geistreichen Persönlichkeiten.

Bei den Bravour-Arien aus Opern von Antonio Vivaldi, Claudio Monteverdi, Henry Purcell, Giovanni Battista Pergolesi und Johann Adolf Hasse „stürzte“ sie sich energiegeladen, voller Temperament, Vehemenz und Rasanz in die „halsbrecherischen“ Koloraturen, ließ sie mit schöner, klangvoller Stimme leicht und locker fließen, als gäbe es keine Schwierigkeiten, und unterstrich sie durch folgerichtige oder unwillkürliche Tanzschritte, so sehr war ihr ganzer Körper durchdrungen von dieser ausdrucksstarken Musik, die alle Möglichen der menschlichen Stimme von großem Tonumfang und schnellen Läufen, extremen Tonsprüngen und extrem lange ausgehaltenen Tönen austestet, was sie mit Selbstverständlichkeit präsentierte.

Das im gleichen Sinn mitgestaltende Streicher-Ensemble aus zwei Violinen, Violincello Theorbe und Kontrabass steuerte seinerseits zwei außerordentlich klangschöne, mit dem „echten Charme“ des „Originalklanges“ gespielte, Instrumentalstücke bei, das heiter fröhliche, unbeschwerte „The Duke of Norfolk“ eines Anonymus und das poetische, zwischen Hasse und Lady Gaga wie ein ritardierendes Moment eingeschobene, auf den „Originalinstrumenten“ einschmeichelnd klingende „Gnossienne“ No. 1 von Erik Satie.

Ganz andere Töne, eher getragene, sehr persönliche, ließ die „Ba“-“Rock-Röhre“ bei den ganz anderen, eingemischten Stilrichtungen anklingen, von allem etwas. Mit Popmusik, vertreten durch Sting („Fields of Gold“), Filmmusik, vertreten durch Philippe Sarde („La Chancon d’Hélène“), Kurt Weill („Youkali“), Friedrich Hollaender/Robert Liebmann („Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“), Jacques Brel („Bitte geh nicht fort“) und Lady Gaga („ Poker Face“) bewies sie ihre Vielseitigkeit.

Sie springt auf den Zug der Zeit auf, indem sie ihr Programm durch Pop-Musik erweitert. Im Grunde aber lugt bei allem ihr Metier, die Barockmusik, hindurch. Ihre Stimme scheint weicher und reifer geworden zu sein, was auch diesen Ausflügen in andere Genres zugute kommt. Sie beherrscht durchaus beide Seiten, die virtuose der Barock-Arien und die gefühlvollere, romantische der leiseren Töne.

Mit diesem bunten Stil-Mix war es ein sehr unterhaltsamer, abwechslungsreicher und kurzweiliger, aber in allem dennoch anspruchsvoller Abend, mit dem sie vielleicht neue Freunde für Barockmusik und Klassik gewonnen hat. Für Liebhaber Alter Musik war es bestimmt kein Affront, eher ein heiterer Ausflug in benachbarte Regionen und das Kennenlernen ihrer Vielseitigkeit. Das Publikum entließ sie erst nach drei Zugaben: einer, für den Kastraten Farinelli, von seinem Bruder Riccardo Broschi für Hasses Pasticcio „Artaserse“ hinzu komponierten Arie, das Lied „Kinder“ der mutigen Bettina Wegner und (nur) eine Strophe von Georg Friedrich Händels berühmtem Largo „Ombra mai fu“ aus „Xerxes“ (da sie noch viel vorhatte an diesem Abend, wie sie bei ihrer lockeren Moderation anmerkte.

Ingrid Gerk

 

 

 

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