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DRESDEN/ Annenkirche: KONZERT ZUM 25JÄHRIGEN BESTEHEN DES VOCAL CONCERT DRESDEN

18.06.2018 | Konzert/Liederabende

Dresden/Annenkirche: KONZERT ZUM 25JÄHRIGEN BESTEHEN DES VOCAL CONCERT DRESDEN 17.6.2018

Das international bekannte und geschätzte Vocal Concert Dresden, das vorwiegend aus Absolventen der Hochschule für Musik Dresden und ehemaligen Mitgliedern des Dresdner Kreuzchores besteht, feiert in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag. Das schönste Geschenk machte sich der gemischte Kammerchor mit seinem Jubiläumskonzert selbst und ließ die Zuhörer teilhaben. Gegründet wurde der Chor 1993 von Peter Kopp, dem Konzertdirigenten des Dresdner Kreuzchores und jetzigem Rektor der Hochschule für Kirchenmusik Halle (Saale) als „Neuer Körnerscher Singverein“ und 2008 umbenannt. Der ursprüngliche Name ging auf den Schriftsteller und Juristen Christian Gottfried Körner, Vater des 1813 in den Befreiungskriegen jung gefallenen Freiheitsdichters Theodor Körner, zurück, der in Dresden einen sangesfreudigen Freundeskreis unterhielt und ein gastliches Haus führte, in dem u. a. W. A. Mozart und J. v. Goethe zu Gast waren und für längere Zeit auch Friedrich Schiller, der in Körners Gartenhäuschen an seinem Manuskript des „Don Carlos“ schrieb und die Ode “An die Freude“ beendete.

Der auch weiterhin von Peter Kopp geleitete Chor tritt in einer Besetzungsstärke zwischen 14 und 36 Sängern a cappella oder mit großen Orchestern und kleineren Instrumentalensembles auf Festivals, in eigenen Konzerten, mit der Sächsischen Staatskapelle und der Dresdner Philharmonie und regelmäßig mit dem Dresdner Kreuzchor bei dessen Aufführungen der großen Oratorien, Passionen und Messen auf. Sein Repertoire reicht von Alter Musik über die Musik der Romantik bis hin zur Gegenwart. Er bestach auch bei dieser Aufführung mit seinen Klangqualitäten, stilistischer Sicherheit, emotionaler Strahlkraft, Intelligenz der Interpretation, und trotz perfekter Einstudierung mit wohltuender Natürlichkeit. Bei dieser Aufführung gestaltete er hinreißend schöne Piano-Passagen und trotz mittlerer Größe mit etwa 30 Sängern bei entsprechenden Textstellen auch Forte-Passagen mit dramatischer Wucht.

 

Als besonderes Verdienst setzten sich Peter Kopp und das Vocal Concert über Jahre vehement für die Wiederaufführung der allgemein sehr ansprechenden Werke des einst hochgeschätzten, nach seinem Tod aber weitgehend in Vergessenheit geratenen Opernkomponisten Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) ein und riefen mit ihren Konzerten und CD-Einspielungen eine wahre Renaissance ins Leben. Naumann gilt als einer der letzten Repräsentanten der „italienischen Oper“ in Deutschland, schrieb Hunderte von Kompositionen, Opern, Oratorien, Kirchenmusik, Liedern und Kammermusik, begründete als Hofkapellmeister eine angesehene Epoche der Dresdner Oper, galt nach J. A. Hasses Weggang als bedeutendste Musikerpersönlichkeit Dresdens, war in Schweden sehr erfolgreich, u. a. mit seiner Oper „Gustav Wasa“, die über Jahrzehnte als schwedische Nationaloper galt, und reformierte in Schweden und Dänemark, wo er wesentlich bekannter ist als in Deutschland, das dortige Musikleben.

 

Viele seiner berühmten Zeitgenossen, darunter sogar W. A. Mozart und C. M. v. Weber „bedienten“ sich seiner Oper „Cora“ für eigene Werke. In Sachsens Kirchen lösten seine Kompositionen die von Johann Sebastian Bach (mit Ausnahme der Motetten) ab, da sie gesangstechnisch weniger anspruchsvoll sind, aber eine faszinierende Klangwirkung entfalten, wovon man sich erneut bei diesem Konzert mit der Kantate „Gottes Wege“ für fünf Solisten, Chor und Orchester überzeugen konnte. Diese anspruchsvolle, sehr umfangreiche Kantate mit opernhaften Ansprüchen, deutschem Text und sehr eingängiger Musik enthält viele klangliche Schönheiten bis zur halsbrecherischen Koloratur-Arie, damals offenbar von einer Opernsängerin, jetzt großartig und mit erstaunlicher Kondition und Perfektion von der jungen Maria Perlt gesungen, so eindrucksvoll, dass vorzeitiger („Zwischen“-)Applaus nicht zu bremsen war. Sie hatte als Sopran I eine umfangreiche Partie mit hohen Anforderungen zu bewältigen, was sie mit Bravour tat, bis sie von Sopran II, Christiane Wiese, die sich mit ihrer klangvollen, helltimbrierten Stimme, Herz und Verstand auf Musik des 17./18. Jahrhunderts spezialisiert hat, abgelöst wurde.

Das gesamte Solisten-Quintett war sehr gut mit „gestandenen“ Sängerinnen und Sängern, die ihre langjährigen Erfahrungen einbringen konnten, und jüngeren, die sich mit gleichen Qualitäten, schöner Stimme und Stilsicherheit ihrer Aufgabe widmeten, besetzt. Als Spezialistin für Alte Musik gestaltete Britta Schwarz mit ihrer samtenen Stimme die Altpartie mit großem Engagement und inhaltlichem Verständnis. Die Tenorpartie lag bei dem jungen Stephan Scherpe, der sich bisher auf Lied, Oratorium und Konzert spezialisiert hat, in sehr guten Händen. Er überraschte mit ausgesprochen edlem Gesang und harmonierte im Duett gut mit dem Bass, repräsentiert von Andreas Scheibner, der sehr kultiviert, mit guter Artikulation und seinem reichen Erfahrungsschatz die Basspartie gestaltete.

Einziger Wermutstropfen der Aufführung war die weniger gute Textverständlichkeit bei Chor und mitunter auch Solisten, aber das scheint allgemein nicht mehr üblich zu sein (man kann doch im Programmheft nachlesen!). Manche Konzertbesucher stoßen sich auch an den oft überschwänglichen, antiquierten Formulierungen der Barockzeit, die nur durch die Musik veredelt werden. Andererseits ist aber die Musik nicht davon zu trennen, da die Texte den musikalischen Einfällen der Komponisten zugrunde lagen und oft tonmalerisch umgesetzt wurden.

Als sicheres Fundament der Aufführung erwies sich das, 1995 gegründete Dresdner Instrumental Concert, das eng mit dem Vocal Concert zusammenarbeitet. Sein Name geht auf das bürgerliche Musikleben Dresdens um 1800 zurück, wobei die Ähnlichkeit der Namen von Chor und Orchester gleichzeitig Ausdruck gleicher stilistischer Zielrichtung und Werkauffassung ist. Das Ensemble musiziert stilgerecht auf historischen Instrumenten der Barockzeit und der Klassik, was ein gelegentliches Nachstimmen der Instrumente erforderlich machte, aber bei dem schönen, warmen Klang, dem klangsinnlichen, geschmackvollen Spiel und der hohen künstlerischen Qualität nahm man das gern hin. Zwischen Chor und Orchester bestand stets eine klangliche und stilistische Einheit, sowohl bei sanften, lyrischen Passagen, als auch bei textentsprechender, drastischer, lautmalerischer Dramatik.

Im zweiten Teil erklang Ludwig van Beethovens „Messe in C-Dur“ (op. 86). Sie ist anders als die seiner Vorgänger, insbesondere die von J. Haydn und J. N. Hummel, die im Auftrag von Fürst Esterházy alljährlich für den Namenstag seiner Gattin eine Messe komponierten. Einmal ging dieser Auftrag auch an Beethoven, der mit seiner C-Dur-Messe nicht den ungeteilten Beifall des Auftraggebers erhielt. In der Tat ist diese Messe anders und vor allem ungewohnt und mehr als andere Kompositionen von der Qualität der Aufführung abhängig. Bei manch anderer Aufführung war man geneigt, sich der Meinung des Fürsten anzuschließen, hier aber erschloss sich diese Messe in voller Schönheit.

Das “Kyrie“ eröffnet die Messe nicht demütig bittend, sondern mit allen vier Solisten. Das „Sanctus“ hingegen verzichtet auf allen „Pomp“ und Klangrausch. Es kommt sehr sanft und zart daher, was bei dieser Aufführung so innig und eindrucksvoll geschah, dass man es – so merkwürdig es auch klingen mag – in seiner Wirkung mit dem gewaltigen „Sanctus“ in J. S. Bachs „Messe in h-Moll“ gleichzusetzen geneigt ist. Mit besonderer Innigkeit wurde auch das „Et incarnatum“ gesungen. Die gesamte Messe gelang sehr klangschön, klar und durchsichtig, so dass man meinte, sie erst jetzt wirklich verstanden zu haben.

Wünschen wir dem Vocal Concert Dresden für die Zukunft alles Gute und weiterhin so eindrucksvolle Konzerte.

Ingrid Gerk

 

 

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