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Dr. Meret FORSTER – Künstlerische Leiterin des 67. Internationalen Musikwettbewerbs der ARD

MÜNCHEN: Interview mit Dr. Meret Forster, Künstlerische Leiterin des 67. Internationalen Musikwettbewerbs der ARD am 4. September 2018

Dr. Klaus Billand sprach mit Dr. Meret Forster im September 2018


Dr. Meret Forster. Copyright: BR-Bildmanagement

Anlässlich der 67. Ausgabe des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD, der in diesem Jahr auch das Fach Gesang beinhaltete, führte ich mit der Künstlerischen Leiterin Dr. Meret Forster ein Interview über den Wettbewerb, mit Schwerpunkt auf dem Fach Gesang. Sie teilt sich die künstlerische Leitung mit Oswald Beaujean.  

  1. Welche Rolle spielt der Wettbewerb im internationalen Kontext der Gesangswettbewerbe?

Der ARD-Musikwettbewerb wurde schon nach dem 2. Weltkrieg durch seine historische Entwicklung bedeutsam. Das Fach Gesang war von Anfang an dabei als eine der populärsten Kategorien. Zu Beginn griff noch nicht das Dreijahres-Intervall. Der Wettbewerb hatte in Bezug auf seine internationale Bedeutung schon bald das Glück, Wegbereiter für bedeutende internationale Sängerkarrieren zu werden. So wurde Jessye Norman 1968 durch ihren Wettbewerbserfolg international bekannt, Ivan Rebroff schon im Jahre 1960, Robert Holl 1972, Anne Sofie von Otter 1982 und Thomas Quasthoff 1988. Seine internationale Bedeutung zeigt der Wettbewerb, und zwar in allen Sparten, auch durch den steigenden Teilnehmeranteil aus Asien, sowohl in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht. Insbesondere aus Südkorea kamen viele Bewerbungen, was vermutlich der dortigen intensiven und breiten musikalischen Ausbildung zuzuschreiben ist. Dieses Jahr liegt der Ausländeranteil bei 87 Prozent, letztes Jahr waren es gar 90 Prozent. Der ARD-Musikwettbewerb – auch im Fach Gesang – hat also eine nach wie vor weit über Deutschland und Zentraleuropa hinausgehende Bedeutung. In diesem Jahr wurden 80 Sängerinnen und Sänger zugelassen. Nach München kamen dann 61 Teilnehmer, von denen letztlich zwei oder drei noch kurzfristig absagen mussten.

  1. Wie funktioniert die Auswahl der TeilnehmerInnen?

Jeder, der in die ausgeschriebenen Alterskategorien fällt, kann sich mit Audioaufnahmen bewerben. Eine dreiköpfige Vorjury – darunter waren in diesem Jahr Dame Ann Murray und Michael Nagy als Vertreter der Hauptjury -, hört sich diese anonymisierten Aufnahmen an. Vorher wird die Tonqualität von Technikern so weit wie möglich angepasst.

  1. Wie steht es mit der Rolle des künstlerischen Ausdrucks angesichts dieser Art der Einsendungen?

Wir überlegen aktuell, ob und wie man von reinen Audio-Aufnahmen bei der Bewerbung auf Bewegtbild-Formate umstellen kann. Das geht natürlich auf Kosten der Anonymität. Videos werden dann für alle Sparten des Wettbewerbs gelten. Allerdings erfordert das die Festlegung eines gewisses Settings, welches vorgegeben werden muss, um unterschiedliche visuelle Aufnahmen möglichst vergleichbar bewerten zu können. Eine Live-Aufnahme von einer Aufführung kann beispielsweise ganz anders wirken als eine Studioaufnahme und somit nicht ohne weiteres vergleichbar sein. Im Wettbewerb gilt es dann, technische Fertigkeiten, Bühnenpräsenz und künstlerischen Ausdruck zusammenzubringen. Dame Ann Murray, unsere Juryvorsitzende in diesem Jahr, hat immer wieder unterstrichen, dass die Persönlichkeit, die vorn neben dem Flügel auf der Bühne steht, eine Geschichte erzählen muss. Dabei ist es für die Jury wichtig zu beurteilen, wie das im Zusammenspiel von stimmlichem Material, technischer Qualifizierung, Bühnenpräsenz und der Vermittlung eben dieser Geschichte zu erleben ist. In der richtigen Beurteilung des Zusammenspiels dieser Kriterien zeigt sich schließlich auch die Kunst der immer wieder neu zusammengestellten Jury. (Der nächste Wettbewerb im Fach Gesang ist für 2021 geplant).

  1. Nach welchen Kriterien wird die Jury ausgewählt?

Wir legen Wert darauf, dass ein Großteil der Jury von Künstlern besetzt ist, die nach wie vor auf der Bühne stehen, bzw. sängerisch aktiv sind. Die Jury-Mitglieder müssen „diesen Bühnenmoment“ kennen, in dem es heißt, alles zu geben und sich zu beweisen. Hinzu kommen Internationalität, die Repräsentanz verschiedener Stimmfächer und auch generationelle Unterschiede. Nach diesen Kriterien wurde auch die diesjährige Jury zusammengesetzt. Es war also kein Kritiker oder Intendant dabei. Der ARD-Musikwettbewerb versteht sich nicht als Nachwuchswettbewerb. Das Mitbringen gewisser technischer Fähigkeiten ist für den Wettbewerb conditio.

  1. Gibt es eine Richtschnur bei der Auswahl der Titel?

Mozart muss einmal von allen im 1. Durchgang gesungen werden. Die Ausschreibung ist gerade beim Fach Gesang aber recht frei. Im 1. Durchgang sind es zwei Stücke freier Wahl, wobei es erstens eine Arie oder ein Lied von Mozart und zweitens eine Opern- oder Oratorienarie aus der Romantik zu sein hat. Im 2. Durchgang sind zwei Lieder gewünscht, davon eines aus dem 20. Jahrhundert und eines von Franz Schubert, der also immer dabei ist. Das Auswahlrepertoire ist aber so aufgestellt, dass sich alle Stimmfächer wiederfinden und auch dramatischen Stimmen bis zur eher lyrischen, kleinen Stimme Raum geboten wird. Jeder Sänger hat also eine große Repertoire-Breite, die er mitbringen kann, wenn er teilnimmt. Das ist ein wesentliches Charakteristikum dieses Wettbewerbs. Die ausgeschiedenen Teilnehmer haben von der 1. Runde an die Möglichkeit, ein Beratungsgespräch mit den für sie relevanten Vertretern der Jury zu beantragen. Das steht schon in der Ausschreibung. Nicht jeder Teilnehmer nimmt dieses Angebot in Anspruch.

  1. Inwieweit werden Erfahrungen aus vorherigen Wettbewerben weiter getragen?

Ihr Kollege Oswald Beaujean ist schon seit 12 Jahren dabei, und Dr. Forster nun im dritten Jahr, also im 1. Wettbewerbsjahr für das Fach Gesang. Die künstlerische Leitung wird vom Hauptausschuss immer für fünf Jahre festgelegt. Somit ist eine künstlerische Kontinuität ebenso gewahrt wie die Nutzung der Erfahrungen der Vorjahre.

  1. Wie wird der Wettbewerb finanziert?

Der Wettbewerb wird von der ARD per Gesamtumlage finanziert. Der Etat ist seit 2006 gedeckelt. Somit ist man seit einigen Jahren auf Drittmittel und Partner angewiesen. Die Kompositionsaufträge des Wettbewerbs werden aktuell dankenswerterweise von der Ernst von Siemens Musikstiftung finanziert. Diese muss aber alle drei Jahre mindestens ein Jahr aussetzen. So müssen die Kooperationen nimmer neu belebt und auch neue geknüpft werden. Das ist ein neues Kapitel, welches auf den ARD-Musikwettbewerb zugekommen ist. Man setzt aber auch auf Multiplikatoren wie Sängeragenturen, Veranstalter, Opernhäuser, Orchestervertreter et al. Diese werden, wie die Sponsoren auch, zum Wettbewerb und den Preisträgerkonzerten eingeladen. Die Kooperationen werden bei der Finanzierung in Zukunft vermutlich weiterhin eine starke Rolle spielen.

PS:

Weitere bekannte Namen von Opernsängern, die einen der ersten drei Plätze seit 1954 gewannen, möchte ich hier nennen, mit einem gewissen Wagner-Schwerpunkt: Günter Missenhardt, Simon Estes, Ileana Cotrubas, Siegmund Nimsgern, Ionel Pantea, Victor von Halem, Francisco Araiza, Maria Russo, Elena Mosuc, Ruxandra Donose, Stefan Heidemann, Christian Elsner, Hanno Müller-Brachmann, Zoryana Kushpler, Marina Prudenskaja und Wilhelm Schwinghammer.

Nach jährlichen Abständen von 1954 bis 1980 gab es von 1982 bis 2000 zweijährige Abstände. Seit 2003 wird der Gesangswettbewerb alle drei Jahre ausgeschrieben.

Der Internationale Musikwettbewerb der ARD umfasst 21 Fächer mit Klaviertrio, Gesang, Bläserquintett, Oboe, Trompete, Klavier, Schlagzeug, Viola, Klarinette, Flöte, Violoncello, Fagott, Posaune, Harfe, Klavierduo, Horn, Streichquartett, Violine, Kontrabass, Gitarre und Orgel.                                                                                                                 

Klaus Billand

 

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