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Dr. Klaus Billand über Abholzung und Brände im Amazonasgebiet.  

05.06.2021 | Feuilleton

Klaus Billand über Abholzung und Brände im Amazonasgebiet.   Dr. Klaus Billand war lebte von 1991-1995 berufsbedingt als UNIDO-Mitarbeiter in Brasilien und nimmt zum Artikel über die Abholzungen (erschienen am 5.6.2021) Stellung.

„Ich habe von 1991-95 in Brasilien gelebt und im Nordosten von Brasilien in ländlichen Räumen geforscht und dabei auch mit Bauern über die Feldbestellung geredet, es sogar gesehen. Auch war ich immer wieder in allen neun Bundesstaaten Amazoniens.

Es ist nicht so, dass jedes Feuer im Wald oder am Waldrand ein waldvernichtendes Potential hat. Die Bauern verbrennen zu Beginn der Trockenheit das Stroh, Gebüsch und was von den Ernten bleibt, auf ihren Feldern, wobei die Asche wiederum den Dünger für die kommende Saison bildet. Das heißt auf Portugiesisch „limpar a roça“ und ist ein alljährlich wiederkommender ganz normaler Vorgang. Aus dem Flugzeug sind dann lange vom Wing geformte weiße Qualmstreifen zu sehen, die einen glauben machen können, es brenne der Wald selbst. In der Regenzeit brennt so gut wie nichts in Amazonien. Der größte Bundesstaat, Amazoniens, der Staat Amazonas mit ca. 1,571 Millionen Quadratkilometern (knapp 19 mal Österreich!), ist der ökologisch wohl am besten erhaltene Bundesstaat der Welt. Hier steht bis auf die Gegend um die Hauptstadt Manaus der Wald komplett und ist immer so nass, dass gar nichts brennen kann.

Was man auch wissen muss ist, dass im Nordosten die Zuckerrohrfelder bei Nacht unter Feuer gelegt werden, um das Blattwerk zu verbrennen, um am frühen Morgen das Schlagen des Zuckerrohrs zu vereinfachen. Das ist ebenfalls sehr schön bei Nacht aus dem Flieger zu sehen und wirkt bisweilen eschatologisch. Dabei passiert nichts Umwerfendes. Es bildet sich auch Dünger für die nächste Pflanzung.

Was aber wichtiger zu benennen ist, dass die Abholzung unter den vermeintlich umweltbewussten Präsidenten des linken politischen Spektrums seit 1995 viel höher waren als jetzt unter einem Präsidenten, der dem rechten Lager zuzuordnen ist.

Das ist unten an der Grafik von Statista leicht zu erkennen, man muss nur die Abholzungsrate während der Amtszeiten der ersten Gruppe von Präsidenten mit der Abholzungsrate jeder der zweiten Gruppe vergleichen.

  1. 1. F. Henrique Cardoso, Sozialdemokrat, 1995-2003

Abholzungsrate zwischen 23.000 und 13.000 Quadratkilometer p.a. mit durchschnittlich überwiegend um 20.000 qkm

  1. Luiz Inacio Lula da Silvia, Sozialist, 2003-2011

Abholzungsrate zwischen 27.000 und 7.000 qkm mit durchschnittlich etwa um die 13.000 qkm

  1. Dilma Russeff, Sozialistin, 2011-2016

Abholzungsrate 8.000-4.000 qkm mit Durchschnitt etwa bei 5.000 qkm

  1. Michel Temer, Konservativer, 2016-2018

Abholzungsrate Durchschnitt etwa 7.000 qkm

  1. Jair Bolsonaro, Konservativer, 2019 – heute

Abholzungsrate durchschnittlich etwa 10.500 qkm

Quelle Statista (aus nationalen Quellen)

Statistiken allein geben aber auch nicht die ganze Wahrheit wieder – wie so oft. Die Abholzung in Amazonien ist ganz wesentlich von wirtschaftlichen Zyklen beeinflusst. Bei Hochkonjunktur wird mehr abgeholzt, bei Abschwüngen weniger, einfach aufgrund des Bedarfs. Dass geschieht also nicht aufgrund von Befehlen aus der Hauptstadt Brasilia D.F., sondern aufgrund der von dort verantworteten Wirtschaftspolitik.

Der Rückgang der Abholzung in der zweiten Amtszeit des sozialistischen Präsidenten Lula ist vor allem mit dessen Deindustrialisierungspolitik (Ref. u.a. Petrobras et al.) verbunden, die u.a. große Arbeitslosigkeit im Süden und Nordosten des Landes schuf. Es ist also bei weitem nicht so, dass derzeit eine Rekordabholzung geschieht, wie vielfach in der Presse insinuiert wird. Sie steigt derzeit zwar wieder an gegenüber den Vorjahren, war aber unter sozialdemokratischen und sozialistischen Präsidenten sehr viel höher als heute. Das wird aber in der Presse systematisch verschwiegen. 

Zudem ist zu bedenken, dass in den letzten Jahren die Bevölkerung Amazoniens durch Zuzug von Migranten aus den Süden und Nordosten des Landes, die infolge der Wirtschaftspolitik des Präsidenten Lula ihre Arbeit verloren, nach Amazonien abgewandert sind, wo die Bevölkerung mittlerweile auf 20 Millionen angestiegen ist, mit der Folge weiterer Rodungen zur Subsistenzsicherung. Auch damit gehen weithin sichtbare Brände einher“

Dr. Klaus Billand.

 

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