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DORTMUND/St. Reinoldi-Kirche/ Klangvokal Musikfestival. ABSCHLUSSKONZERT. Lettischer Rundfunkchor

Mystisch

17.06.2019 | Konzert/Liederabende


Foto: Sigi Brockmann

Klangvokal Musikfestival Dortmund  mystisches  Abschlußkonzert  am 16. Juni 2019

 St. Reinoldi Kirche – Chor des lettischen Rundfunks

 Betreffend Zahl der Teilnehmer war das 11. Fest der Chöre am vergangenen Samstag mit über 150 Chören und Vokalensembles, die an allen erdenklichen (insgesamt 18)  Orten wie Kirchen, Plätzen, U-Bahn-Stationen auftraten, sicherlich der Höhepunkt des Klangvokal Musikfestivals in Dortmund.

Mit ganz gegensätzlich  nicht einmal dreissig Sängerinnen und Sängern bestritt a capella das Abschlußkonzert der Chor des Lettischen Rundfunks unter Leitung von Sigvards Kļava in der zentralen St. Reinoldi-Kirche. Da alle Chormitglieder solistischen Ansprüchen genügten, wurde es ein gelungener besinnlicher Abend, wozu auch die Atmosphäre des Kirchenraums beitrug. Das Programm wies zum allergrößten Teil schon hin auf den 37. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der am 19. Juni in Dortmund beginnt. Das sah man auf dem Hinweg schon daran, daß vor der St. Reinoldi-Kirche aus Holz ein temporärer Eingangs-Vorbau errichtet war mit der Bezeichnung stadtparadies sankt reinoldi .

Im ersten Teil erklangen zunächst zwei Werke lebender estnischer Komponisten, zuerst –  im Programm als zweites  angegeben – ein Werk vom hier wenig bekannten nach bester estnischer Tradition vor allem für Chor  komponierenden Ēriks Ešenvalds  (Jahrang 1977). Es war  unter dem Titel A drop in the ocean eine Art Hymne auf  die hl. Mutter Teresa von Calcutta, die  – als Abschluß des Chorwerks vom Solo-Sopran zitiert  – einmal ihre Taten als nichts als ein Tropfen im Ozean bezeichnete.Vorher wurde zuerst vom Solo-Sopran das lateinische Vater unser angestimmt, worauf vermischt mit Versen von Franz von Assisi und Mutter Teresa selbst vom gesamten Chor eine grosse dynamische Steigerung und folgender Abschwächung folgte.  Mystische Stimmung zu Beginn und zum Schluß entstand dadurch, daß Chormitglieder auf bestimmter Tonhöhe hörbar atmeten, was zum  verklingenden Schluß durch leises Pfeifen ergänzt wurde.


Lettischer Rundfunkchor. Foto: Bülent Kerschbaum

Es folgten vom berühmtesten estnischen Komponisten Arvo Pärt dessen Sieben Magnificat-Antiphonen. Es handelt sich eigentlich um Rahmengesänge um einzelne Verse des Magnificats (Hoch preise meine Seele den Herrn), die der schwangeren Gottesmutter Maria zugeschrieben werden. Da  für den RIAS-Kammerchor komponiert vertonte Pärt auf Deutsch diese Lobpreisungen Gottes.. Hörbar wurde teilweise seine tintinnabuli (Glöckchen) – Kompositionsweise, die durch über einem Dreiklang sich erhebende Solostimme mystische Wirkung erzeugte. Abwechslung wurde dadurch erreicht, daß einzelne Verse auf verschiedene Chor-Stimmen verteilt wurden, so etwa O  Weisheit  vor allem für die Damen  oder O Adonai für die Herren, wobei die tiefen Bässe zu bewundern waren. Gewaltiger Höhepunkt – den Kirchenraum füllend – entstand bei der Bitte um Öffnung des Kerkers der Finsternis und der Fessel des Todes.

Es folgte ein Chorwerk ganz ungewohnter Art. Als Teil  seiner fünften Sinfonie schrieb Gustav Mahler bekanntlich ein Adagietto für Streichorchester und Harfe. Dies etwas sentimentale Stück wurde populär, weil Luchino Visconti es in seinem Film nach Thomas Mann´s Der Tod in Venedig ausführlich verwendete. Der französische Komponist Gérard Pesson bearbeitete es für Chor a capella, in dem er Textteile verwendete, die  Anfang des 18. Jahrhunderts August von Platen zum Lobe Venedigs verfaßt hatte. Der Chor sang dieses Stück sehr durchsichtig und lyrisch, – die Soprane bis in höchste Höhen –  sodaß man Mahler´s Musik wiedererkannte. Allerdings fehlte der bei Mahler charakteristische Ton der Harfe.

Hauptteil des Konzerts war nach der Pause  Peter Tschaikowsky´s  Vertonung von Teilen der Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostommos op. 41. von konservativen Zeitgenossen als geistliche Oper verunglimpft. Opernhaft wirkte, daß die jeweilige Einleitung der Chorgesänge durch den Diakon von einem Solo-Baß und die des Priesters von einem Solo-Tenor vorgetragen wurden. Gesungen wurde die weitgehend der katholischen ähnliche Liturgie sehr einfühlsam und dynamisch abwechselnd zwischen ganz leisem p und grossen Forte-Stellen. Dies galt etwa für  Gloria, Glaubensbekenntnis und Vater unser. Der orthodoxen Gewohnheit entsprechend wurde meistens einstimmig, dies  mit teils langen Tönen intonationsgenau und ohne falsches Vibrato gesungen. Da freute man sich über einige polyphone Stellen – vielleicht westlicher Einfluß bei Tschaikowsky. Genannt seien etwa der Schluß des Cherubim-Hymnus oder das ebenfalls hymnische Lob der Gottesgebärerin Maria..Beim Kommunionshymnus wurde der Herr sogar fugato gelobt, was dem Chor wieder Gelegenheit gab, seine auch polyphonische Gesangskunst zu zeigen.

Selbst Teile des Publikums, die die Texte  aus dem Programmheft nicht mitgelesen hatten und deshalb auch wenig verstehen konnten, zeigten sich nach der abschliessend gesungenen Fürsprache für Bischöfe, Regierende und alle Christen ergriffen und spendeten reichlich Beifall. Diesen belohnte der Chor mit einer auswendig gesungenen Zugabe.

Sigi Brockmann 17. Juni 2019

 

 

 

 

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