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DORTMUND: RINALDO von G.F.Händel. Premiere

10.01.2016 | Oper

DORTMUND: RINALDO von G.F. Händel             Premiere am 9.Januar 2016

Es ist keineswegs ehrenrührig, dass der Dortmunder Opernintendant JENS-DANIEL HERZOG seine gelungene Inszenierung von Händels „Rinaldo“ nach Zürich (2008) und Bonn (2014) nun auch in seinem eigenen Haus offeriert. Der Premierenerfolg war aufs Neue außerordentlich, um dies gleich zu sagen.

Ileana Mateescu (Rinaldo) und Tänzerinnen © Thomas M. Jauk / Stage Picture
Copyright: Thomas M. Jauk, stage picture

Eines dürfte klar sein: Händels Stoffadaption von Tassos „Gierusalemme liberata“ lässt sich – was auch für andere Versionen Epoche gilt – nicht (mehr) simpel nacherzählen. Eine elementare Forderung des heutigen Theaters, nämlich psychologische Schlüssigkeit, war der Barockoper fremd. Will man also um der Musik willen ein historisches Spektakel auf die Bühne hieven, muss dies mit „Witz und heit’rer Laune“, mit ironisierendem Lächeln geschehen. Dies kann wie bei Stefan Herheims „Xerxes“ in originalem Ambiente geschehen, was dem an trockenen Modernisierungen vielfach erlahmten Auge heutiger Zuschauer fraglos willkommen ist.

Gangbar ist aber auch der Weg von Jens-Daniel Herzog mit dem Transfer in ein Heute-Milieu, von CHRISTIAN SCHMIDT mit Konferenzraum, Flughafen u.ä. nüchtern akzentuiert. An diesen Orten finden förmliche Polititauseinandersetzungen statt, was von einem Tänzerensemble choreografisch witzig, fast musicalhaft  betont wird. Doch auf einmal, unerwartet, blühen in diesem kalten Ambiente Träume auf, greift mittelalterliches Rittertum mit all seinen verrückten Ehrbegriffen und Liebeshändeln Platz.

An dieser Stelle ein eindeutiges Pro für Herzogs Arbeit, über die es seit Bonn Neues indes nichts zu sagen gibt. So sei es gestattet, an dieser Stelle Zitate aus der Rezension über die dortige Aufführung anzubringen. „Die burleske Akzentuierung der Inszenierung findet einen Höhepunkt am Ende des 1. Aktes, wenn Rinaldo in seiner Arie von „Wirbelwinden“ singt und diese von einem Tanzensemble mit grotesken Zeitlupenbewegungen illustriert werden. Auch der Versöhnungskampf Armida/Argante nach heftigen Eifersüchteleien unterläuft das originale „lieto fine“ mit handfestem Witz, den man – falls ungnädig gestimmt – auch als Klamauk bezeichnen könnte. Aber solche Zuspitzungen sind nicht nur goutierbar, sondern wirklich gut erfunden.“

Aus dem Bonner Ensemble ausgeliehen ist zum einen KATHRIN LEIDIG (Anführer der Kreuzritter) mit ihrem trefflichen Sopran, Dass Geoffredos Tochter in der gleichen Stimmlage singt (TAMARA WEIMERICHs Almirena gibt sich nicht nur bei „Lascia ch’io pianga“ wunderbar lyrisch-leicht), ist für den Nachvollzug der Handlung nicht eben förderlich. Aber die Barockoper schreibt solch krud wirkende Vokalsituationen gelegentlich halt vor. Wie in Bonn macht JAKOB HUPPMANN (Eustazio, Bruder von Geoffredo) alles tadellos, aber der „Richtige, wenn’s einen gibt auf dieser Welt“, ist er im Counterfach wohl doch nicht.

Die Dortmunder Besetzungs-Asse: GERARDO GARCIACANO als emotional wankelmütiger Argante (Regierungschef in Jerusalem), dessen Machogehabe er zwar mit seinem festen Bariton beglaubigt, es mit viel Ironie in der Darstellung aber auch wieder unterläuft. ELEONORE MARGUERRE gibt die Zauberin Armida, kampfeslustig und liebestoll, mit vitalem und koloratursicherem Soprangesang, ein ziemlicher Rollenkontrast zur leidenden Titelpartie in der letzten Dortmunder Produktion, „Traviata“ nämlich. Mit ihrem vollmundigen Mezzo, klangschön und mit feinen Zwischentönen aufgelockert, erobert sich ILEANA MATEESCU als Titelheld Rinaldo neuerlich vehement das Publikum.

MOTONORI KOBAYASHII, welcher bei „Traviata“ am Pult der DORTMUNDER PHILHARMONIKER nicht in Gänze zu überzeugen vermochte, hält sich von der immer wieder hymnisch beschworenen historische Aufführungspraxis fern (auch wenn Instrumente wie Theorbe und Flauto dolce im Orchestergraben Dienst tun). Aber er entbindet Händels Partitur eine weiche Eleganz und viel Charme, ohne der Musik dramatischen Aufruhr an passender Stelle vorzuenthalten. Unter seinen Händen bekommt der Klang mitunter eine fast schon vorromantische Note.

Christoph Zimmermann

 

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