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DORTMUND/ Opernhaus: EUGEN ONEGIN. Neuinszenierung

26.12.2017 | Oper

 

Eugen Onegin | Theater Dortmund
Copyright: Oper Dortmund

Opernhaus Dortmund Tschaikowsky „Eugen Onegin“

Premiere 2. Dezember 2017 besuchte Vorstellung 25. Dezember 2017

 Für Aufführungen seines „Eugen Onegin“ auf ein Libretto, das er selbst zusammen mit Konstantin Schilowski nach Puschkin erstellt hat, hielt Peter Iljitsch Tschaikowsky  „einen sparsamen Etat und eine kleine Bühne“ für ausreichend. Beides trifft nicht zu auf das Opernhaus Dortmund. Sehr sängerfreundlich wurde deshalb dort die riesige Bühne  für die „lyrischen Szenen“ verkleinert, indem darauf ein drehbarer Würfel gestellt war, der  in den ersten beiden Akten nach drei Seiten geschlossen war und nach vorne  einen grossen inneren holzgetäfelten Raum offen liess. (Bühne Jens Kilian) Dieser  diente dann im ersten Akt abwechselnd als Zimmer im Landgut, abgeerntetes Getreidefeld und Tatjanas Schlafzimmer, im zweiten als Ballsaal und Raum für das Duell. Im dritten Akt „sechsundzwanzig Jahre später“  – gemeint war heutige  Zeit – wurde der Würfel zu einer Art durchsichtigem, käfigartigem Glaspalast   mit ganz schmalem Zugang nach draussen. Dies zeigte, wie sich Tatjana als  Gremins ( mit markantem Baß  Luke Stoker) Luxusweibchen eingezwängt fühlte. Als solches räkelte sie sich dann zur Freude ihres dabei Sekt trinkenden Ehemanns  auf einem Luxus-Oldtimer –  Kenner sprachen von einem Ford-Mercury – dies beides  die Lieblingsspielzeuge des reichen Oligarchen.

In diesem Rahmen zeigte Tina Lanik sehr eindringlich und detailgenau, wie der Versuch von Onegin, Tatjana, Lenski und letztlich auch von Olga scheiterte, aus ihrem durch Tradition  und Gewohnheit beengten Leben auszubrechen.  Dies  schaffte sie, ohne durch überflüssige Aktionen von der Musik abzulenken, wie letzteres ja auch in Dortmund vorkommen soll. Als einige Beispiele seien erwähnt, wie  Olga beim grossen Arioso des Lenski  im ersten Bild des ersten Aktes seinem Liebesgeständnis kaum zuhörte, sondern mit seiner Krücke spielte – er wurde in dieser Aufführung als auch körperlich behindert dargestellt. Sie waren ja als Kinder von ihren Eltern ohnehin  zur Ehe bestimmt. (Gewöhnung als Ersatz für Glück heißt es an einer Stelle)   In der „Briefszene“ übernahm Tatjana offenbar Passagen aus den bewunderten Liebesromanen für den Text des Briefs an Onegin, viele Entwürfe hatte sie an  Leinen aufgehängt. Der Streit zwischen dem gelangweilten Onegin und dem eifersüchtigen Lenski beim Ball im zweiten Akt wurde auch durch reichlichen Wodka-Konsum angeheizt, die Ballgesellschaft lag beim Couplet des Triquet bereits fast besoffen am Boden. Der Ausgang des Duells im zweiten Bild dieses Aktes wurde durch riesiges Schattenspiel vorweggenommen. Einen ganz grossen Eindruck hinterließ im dritten Aufzug, wie zur berühmten Polonaise die degenerierte Petersburger Festgesellschaft  wie festgeklebt auf ihren Sitzen sich nur mit den Armen im Takt der Musik bewegte. Alle waren heller oder dunkler in Grau gekleidet mit Tatjanas leuchtend-rotem Kleid als gegenteiligem Blickfang, während in den ersten Akten die Kleidung in etwa der von den Autoren gewünschten Zeit entsprach (Kostüme Johanna Hlawica)  Allerdings wollte es die Regisseurin uns nicht ersparen, daß im letzten Bild einige Stühle mit dem gewohnten Lärm. umgeworfen wurden.

Musikalisch hielt die Aufführung das für die Oper Dortmund gewohnte hohe Niveau.

In der Titelpartie zeigte Simon Mechlinski sowohl im Spiel als auch stimmlich mit mächtigem exakt geführten Bariton den gefühllosen kalten Nichtsnutz des ersten Aktes wie auch den verzweifelt Liebenden zum Schluß. Sein letzter Ausruf „Verschmäht verstossen“ mit der Steigerung vom p zum ff auf den wenigen Worten bleibt im Gedächtnis. Auch schien er der einzige, der sich in der russischen Sprache wohlfühlte.

Eugen Onegin | Theater Dortmund
Copyright: Oper Dortmund

Als sein Freund und späterer Kontrahent Lenski liess sich Thomas Paul indisponiert ansagen. Das hörte man kaum. Legatobögen mit Steigerung zum ff gelangen beim Arioso im ersten Aufzug. Für die Eifersuchtsausbrüche im zweiten Aufzug hatte er die nötige Stimmkraft. In seiner Welt- und Liebes-Abschiedsarie vor dem Duell beeindruckte sein p. So konnte die vielleicht tragischste Stelle der Oper, das Fugato von Onegin und Lenski mit dem ausdrücklichen „Njet“ zum Schluß zu einem Höhepunkt des Abends werden.

Die eigentliche Hauptrolle zumindest im ersten und dritten Akt ist Tatjana, hier dargestellt von Emily Newton. Sie spielte überzeugend  die  in ihrer eigenen Roman-Welt gefangene Heranwachsende wie auch die stolze Fürstin, etwa wie sie beim ersten Wiedersehen Onegin die Hand zum Handkuß hinhielt. Den Kampf zwischen Treue zum Ehemann und Liebe zu Onegin stellte sie glaubhaft dar. Stimmlich gelingen ihr wohl alle noch so verschiedenartigen Partien, die sie in Angriff nimmt, so auch die Tatjana. In der „Briefszene“ verband sie je nach dargestellter Gefühlslage grosse Intervallsprünge, ff-Ausbrüche und grüblerisches p, dieses auch in den parlando-Rezitativen. Ihr so kon

trastreiches  Schlußduett mit Onegin war dann krönender Abschluß.

Als Olga glänzte Ileana Mateescu, jetzt einmal nicht in einer Hosenrolle, sondern als lebenslustiges leichtsinniges junges Mädchen – Gegensatz zur Schwester Tatjana. Ihr wohlklingender Mezzo reichte etwa bei ihrer Arie im ersten Akt bis zu  ganz tiefen Tönen.

Eugen Onegin | Theater Dortmund
Copyright: Oper Dortmund

Eine  recht jugendliche Gutsbesitzerin Larina spielte und sang mit wohltönendem Mezzo Almerija Delic. Judith Christ als Amme Filipjewna beeindruckte im ersten Akt vor allem mit der resignierten Schilderung ihrer erzwungene Ehe.. Das vorangegangene Quartett der vier Damen wurde so ein erster Höhepunkt.

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Copyright: Oper Dortmund

Ein Kabinettsstückchen machte  Fritz Steinbacher  in verständlichem wenn auch karikiertem Französisch aus dem Couplet des Triquet, besonders wenn er etwa eine Wiederholung ganz p sang.

Der von Manuel Pujol einstudierte Chor sang nach anfänglichen kleinen Schwierigkeiten tongenau und schwungvoll, auch wenn dabei  zusätzlich getanzt wurde.  Hervorgehoben sei der Chor der Mädchen im dritten Bild des ersten Aktes, wie sie sich von Liebe singend um die im Bett unter der Bettdecke versteckte Tatjana drängeln.

Das musikalische Geschehen leitete wie immer überlegen und mit exakter Zeichengebung GMD Gabriel Feltz.  Besonders auch dank der Zwischenspiele geriet die Darstellung des orchestralen Teils durch die Dortmunder Philharmoniker zum besonders eindrucksvollen Erlebnis des Abends. Gabriel Feltz verstand es, die lyrischen dunklen Klänge zu betonen, auch dank der hervorragend spielenden Celli und der Holzbläser. Ein grosser Genuß war es, den weich tönenden Hörnern zu lauschen. Die Tanzrhythmen erklangen rasch und schmissig, die Polonaise passend zur Regie  ganz hart rhythmisch,

Das Publikum spendete Zwischenapplaus nach gelungenen Soli,  besonders von Tatjana und Onegin, und langen Schlußapplaus mit Bravos.  Aus Gesprächen hörte man, daß einige Besucher Karten für die Vorstellung als Weihnachtsgeschenk erhalten hatten – es hätten ruhig mehr sein können – es war in jedem Fall ein lohnendes Geschenk!

Sigi Brockmann 27. Dezember 2017

 

Fotos Opernhaus Dortmund Anke Sundermeier und Björn Hickmann

 

 

 

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