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DORTMUND: GÖTTERDÄMMERUNG – Wiederaufnahme

26.05.2025 | Oper international

DORTMUND: GÖTTERDÄMMERUNG – WA am 25. Mai 2025

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Vorspiel mit Brünnhilde und Siegfried. Foto: Thomas M. Jauk

Der Altmeister Peter Konwitschny wurde ja dieser Tage 80 Jahre alt, und so hat der Intendant der Oper Dortmund, Heribert Germeshausen, die VI. Folge seines WAGNER-KOSMOS an den drei Tagen zwischen den Aufführungen der „Walküre“ und dem „Rheingold“ zum künstlerischen Wirken Konwitschnys, aber auch zum „Ring des Nibelungen“ sowie zur Schallplattenkritik am „Ring“ veranstaltet.

Mit der „Götterdämmerung“ wurde dann ein bemerkenswerter Schlusspunkt unter diese Woche gesetzt. Denn es gab, wie vielfach erwartet, nicht etwa eine Neuinszenierung Konwitschnys wie bei den anderen drei Werken in den letzten drei Jahren, sondern eine Wiederaufnahme der legendären Inszenierung aus dem Stuttgarter „Ring“ von 2000. Schon während der Gesprächsforen und Künstlergespräche dieser Tage wurde immer wieder erwähnt, dass die mittlerweile also schon ein Vierteljahrhundert alte Inszenierung immer noch frisch und aktuell sei. Und dieser Eindruck stellte sich auch während der Aufführung ein, die von Sylvia Freitag für Dortmund szenisch einstudiert wurde.

Gerade in dieser Inszenierung wird einmal mehr klar, wie stark Konwitschny die Beziehungen der Personen untereinander in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt und darauf eine sehr detailreiche und auch immer wieder überraschende Personenregie aufbaut. Dabei arbeitet er auch mit Ironie und Witz, sowie einer gewissen Verstörung, die aber an diesem Abend stets in engem Zusammenhang mit dem Stück stehen und nie die Dimension einer Verfremdung erreichen, wie es im heutigen Regisseurstheater so oft der Fall ist.

Das beginnt schon gleich mit den Nornen, die wie Bag Ladies – immerhin wiederholte er diese Optik ja in seiner Erda-Szene im „Rheingold“ – vor einem schwarzen Vorhang kauern, hinter dem sich die den ganzen Abend bestimmende bühnengroße Box von Bühnen- und Kostümbildner Bert Neumann (verstorben) befindet. Sie wird mit häufiger, aber stets szenengerechter Rotation Schauplatz des Geschehens im darauf gut abgestimmten Licht von Florian Franzen. Diese langgesteckte Box gibt immer neue Bilder frei.

Der Regisseur streut hin und wieder auch den für den „Ring“ so typischen Mythos ein, obwohl er wahrscheinlich eher gegen ein Mythologisieren der Tetralogie zu sein scheint. So sieht man im Vorspiel Siegfried und Brünnhilde vor einem gewaltigen Gebirgsmassiv, Siegfried im Fellmantel auf Brünnhildes Steckenpferd Grane herumhopsend – Mythos und Ironie in einem. Ähnlich wirkt auch die Darstellung der Rheinszene im 3. Aufzug mit einem sonnenhell erleuchteten Rheinufer bei fließendem Wasser, ebenfalls eine optisch und dramaturgisch geschickte Brechung mit dem schlichten Äußeren der Box.

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Siegfried mit Rheintöchtern und „Friedl“ im 3. Aufzug. Foto: Thomas M. Jauk

In dieser kann man übrigens auch das Spiel Siegfrieds mit den blonden Rheintöchtern verfolgen, eher selten in der „Götterdämmerung“ zu sehen. Ein ganz starker emotionaler Moment, an den ich mich noch aus der Stuttgarter Premiere vor 25 Jahren erinnern kann, war, als Hagen Siegfried von hinten erstechen will und Gunther ihn händeringend davon abzuhalten versucht. Welch großartige Idee, die sich weiter fortsetzt in einem sehr menschlichen Betrauern Siegfrieds Tod durch Gunther und die Mannen in der Rheinszene, über den gesamten Trauermarsch hinweg!

Einen wirklich großen Eindruck machte jedoch das Schlussbild des Finales, obwohl vordergründig eigentlich gar nichts Wesentliches geschieht. In der Überzeugung, dass Wagners Regieanweisungen nicht zu inszenieren sind, kam Konwitschny auf die Idee, sie einfach langsam über den Bühnenparavent ziehen zu lassen, mit den jeweils drei stimmungsvoll beleuchteten Harfen auf den Seiten. Das hinterließ einen unglaublichen Eindruck vor dem Hintergrund der ganzen Erfahrung der so vielen Inszenierungen, die man mittlerweile erleben konnte. Es stellte sich damit durch die Erinnerung weit mehr Imagination über das ein, was Wagner hier zeigen wollte, als bei einer normalerweise einzigen szenischen Interpretation.

Daniel Frank wuchs als Siegfried an diesem Abend über sich hinaus und bot eine sehr runde Leistung mit viel vokaler Wärme in der Mittellage und schönen Spitzentönen. Dazu kam seine unglaublich intensive Darstellung eines sehr authentisch wirkenden Rollenprofils.

Joachim Goltz war nach dem „Rheingold“-Alberich auch ein ganz hervorragender Gunther. Ks. Morgan Moody war ein guter, wirkungsvoll und wie ein Untoter wirkender Alberich in seinem kurzen Auftritt. Ks. Samuel Youn war mit dem Hagen überfordert und brüllte die Partie mehr als er sie sang. Er sollte sich auf leichtere Rollen konzentrieren.

Stéphanie Müther war wieder eine starke Brünnhilde und sang die kräfteraubende Partie in nur vier Tagen dreimal! Stimmtechnisch erfüllt sie alle, auch die hochdranatsichen Anforderungen dieser Rolle. Aber bei aller technischen Qualität ist die Stimme doch ein bisschen monochrom. Es fehlt eine farbenreichere und damit höhere stimmliche Variabilität aufweisende Facettierung ihres Soprans. Anna Lapovskaja war hingegen eine Waltraute, die all diese Kriterien stimmungsvoll und mit einnehmender Mimik und Aktion umsetzte. Die Walhall-Erzählung sang sie mit viel Farbe und Emotion. Barbara Senator, die schon als Sieglinde etwas an ihre Grenzen stieß, war eine sich stimmlich zu stark zurückhaltende Gutrune. Die Rheintöchter Sooyeon Lee, Tanja Christine Kuhn und Ruth Katharina Peeck, die in der „Walküre“ die Fricka war, sangen alle sehr gut. Gleiches ist zu sagen von den Nornen Rita Kampfhammer, Anna Lapovskaja und Tanja Christine Kuhn.

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Siegfrieds Tod. Foto: Thomas M. Jauk

Die Dortmunder Philharmoniker unter Gabriel Feltz, der nun nach Kiel gehen wird, sind an diesem Schlusstag des ersten kompletten Konwitschny-„Ring“ über sich hinausgewachsen. Feltz wählte die Tempi bisweilen sehr unterschiedlich, machte manchmal auch große Pausen, so auch nach dem Verschwinden der Regieanweisungen mit dem Ende des „Götterdämmerung“-Motivs und vor Einsetzen des Mutterliebe-Motivs der Sieglinde aus der „Walküre“. Es passte musikalisch immer alles zur jeweiligen Szene und ihrer Aussage. So brach der Spannungsbogen niemals ab. Dazu trug auch der von Fabio Mancini bestens einstudierte Chor im 2. Aufzug bei. Ein zyklischer „Ring des Nibelungen“, der trotz einiger Ungereimtheiten die Reise nach Dortmund gelohnt hat.

 

Klaus Billand

 

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